Die Fahnen auf Halbmast
EU würdigt Kohl als „großen Staatsmann“
BRÜSSEL - Die Fahnen in Brüssels Europaviertel hingen am Freitag auf Halbmast. Die Präsidenten aller drei EU-Institutionen - Donald Tusk als Chef des Rates der Regierungen, Antonio Tajani als Vorsitzender des EUParlaments und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker – würdigten Helmut Kohl als großen Staatsmann und Europäer. Besonders betroffen zeigte sich Juncker, für den Kohl ein politischer Ziehvater war. „Er wird uns fehlen, denn er war Europa und mir persönlich ein echter Vertrauter und Verbündeter“, schrieb Juncker.
Ehrenbürgerschaft Europas
Nur drei Menschen haben bislang die Ehrenbürgerschaft Europas erhalten: Gründervater Jean Monnet, der bislang erfolgreichste Kommissionspräsident Jacques Delors und eben Kohl. Er gilt als Erfinder der Einheitswährung und war deren glühendster Befürworter – wohl auch, weil er mit der Einführung des Euro die Nachbarn einem wiedervereinigten Deutschland gegenüber gewogen zu stimmen hoffte. Dieser Plan ist aufgegangen – auch wenn der Euro seit der Finanzkrise 2008 scharf in die Kritik geraten ist.
Zu Recht erinnerte Juncker daran, dass Kohl stets die Bedeutung Europas als Friedensprojekt betont hat. Er gehörte dem Jahrgang an, der die Folgen des Zweiten Weltkrieges zwar noch hautnah miterlebt hat, aber zu jung für den Wehrdienst und damit politisch unbelastet war. Als 1998 Gerhard Schröder sein Nachfolger wurde, änderte sich der Ton am Tisch der europäischen Regierungschefs. Während Kohl stets bereit war, für den Erhalt der europäischen Einigung Zugeständnisse zu machen, stellte Schröder das deutsche Eigeninteresse stärker in den Vordergrund.
Mit dem Sozialisten François Mitterand verband Kohl eine enge Freundschaft. Beide gemeinsam erhielten den Karlspreis. In seiner Dankesrede betonte Kohl die Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft für das Projekt EU. In den Jahren, in denen diese beiden Alpha-Politiker an der Macht waren, lief der viel beschworene deutsch-französische Motor so reibungslos, wie danach nie wieder. Ähnlich wie Kohl wird auch Juncker nicht müde, die Bedeutung des europäischen Einigungsprojekts für den Frieden künftiger Generationen zu betonen. Bei jungen Menschen, die diese Zeit nicht mehr erlebt haben, stößt er damit zunehmend auf Unverständnis. Für Helmut Kohl aber war der Bau des gemeinsamen europäischen Hauses, in dem sich alle Nachbarn sicher fühlen können, ein Lebensthema.