Alle wollen SHW
Stefan Pierer, Chef des Motorradbauers KTM, legt feindliches Übernahmeangebot für den Autozulieferer vor
RAVENSBURG - Der schwäbische Automobilzulieferer SHW könnte schon bald in ausländische Hände fallen: Stefan Pierer, österreichischer Unternehmer, Chef und Mehrheitsaktionär des Motorradherstellers KTM aus Mattighofen, will den Hersteller von Pumpen, Motorenkomponenten und Bremsscheiben mit Hauptsitz in Aalen (Ostablkreis) für 35 Euro je Aktie übernehmen. Das teilte Pierer über seine Beteiligungsgesellschaft Pierer Industrie AG am Mittwochabend mit. Als Mindestannahmeschwelle wurden 30 Prozent der SHW-Aktien festgelegt.
Der SHW-Chef Frank Boshoff reagierte in einer ersten Reaktion nüchtern auf das Angebot. Dieses sei nicht mit dem Unternehmen abgestimmt. Der Vorstand werde die Offerte „sorgfältig prüfen“und zu gegebener Zeit Stellung nehmen. Bis es soweit sei, könnten aber noch einige Wochen vergehen, sagte ein SHWSprecher im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Um die Mindestannahmeschwelle von 30 Prozent zu erreichen, hat sich Pierer Unterstützung gesichert: Seine Beteiligungsgesellschaft Pierer Industrie AG selbst hält nach eigenen Angaben nämlich nur 1000 SHW-Aktien. Das entspricht lediglich 0,02 Prozent des Grundkapitals und der Stimmrechte der SHW. Allerdings hat sich Pierer über seine schweizerische Beteiligungsgesellschaft Pierer Swiss AG eine Dreiviertelmehrheit an der QCP Swiss AG gesichert. Die QCP Swiss AG war Mitte Mai bei SHW eingestiegen und hält inzwischen 18,9 Prozent der Stimmrechte. Diese können nun Pierer zugerechnet werden.
Möglicher Bieterkampf
Ob Pierers Plan reibungslos aufgeht, ist allerdings fraglich. Denn neben dem Österreicher mischen weitere Großaktionäre bei SHW mit: Seit Januar dieses Jahres ist der Luxemburger Vermögensverwalter Sterling Strategic Value mit inzwischen 12,6 Prozent bei dem Automobilzulieferer engagiert. Zwei Monate später, im März 2017, teilte die chinesische Anhui ARN Group mit, rund zehn Prozent der SHW-Anteile zu besitzen. Die Chinesen kündigten damals an, binnen Jahresfrist ihre Anteile aufstocken zu wollen.
Vor dem Hintergrund dieser Konstellation dürfen die SHW-Aktionäre auf einen Bieterkampf hoffen. Genau diese Einschätzung spiegelt auch der Aktienkurs wider: Mit 37 Euro je Anteilsschein lag der Kurs am Freitag in der Spitze deutlich über den von Pierer gebotenen 35 Euro. Von den Tiefstkursen Anfang 2016, als SHWPapiere zeitweise unter 20 Euro notierten, haben sich die Aktien inzwischen zwar deutlich berappelt. Gleichwohl sind die Höchststände von mehr als 55 Euro aus dem Jahr 2014 noch immer weit entfernt.
Und so vermutet CommerzbankAnalystin Jasmin Steilen wohl nicht zu unrecht, dass eine Gegenofferte etwa durch die chinesische Anhui ARN Group sehr wahrscheinlich sei. In einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme vermutet Steilen zudem, dass das SHW-Management das Übernahmeangebot von Pierer „nicht unterstütze“.
Was eine Übernahme für die rund 1200 SHW-Mitarbeiter am Hauptsitz sowie an den Produktionsstandorten in Bad Schussenried (Kreis Biberach), Neuhausen ob Eck und Tuttlingen (beide Kreis Tuttlingen) bedeutet, bleibt vorerst noch offen. Gesamtbetriebsratschef Edgar Kühn war auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“am Freitag nicht zu erreichen. Das Unternehmen, das auf eine mehr als 650-jährige Tradition zurückblicken kann, versucht derzeit mit großem Kraftaufwand und Millioneninvestitionen wieder auf den Wachstumspfad zurückzufinden. Ziel ist es, sich globaler aufzustellen und größere Aufträge aus der Autoindustrie kostengünstiger bewältigen zu können.
Andauernde Rückschläge
Mit dieser Transformation wollte SHW-Chef Boshoff eigentlich schon deutlich weiter sein. Doch etliche Rückschläge haben das Unternehmen immer wieder aus der Bahn geworfen. So leidet SHW besonders stark unter der Dieselaffäre, da VW, einer der größten Kunden, wegen Veränderungen in der Technik einen Großauftrag auslaufen ließ und auch andere Auftraggeber weniger Produkte abnehmen.
Anfang des Jahres musste SHW auch noch die Order eines Elektroautoherstellers im Volumen von 100 Millionen Euro abschreiben, hinter dem sich nach Informationen aus unternehmensnahen Kreisen der US-Konzern Tesla verbirgt. Dieser hatte die Aalener aufgefordert, die Serienproduktion von Achsgetriebepumpen wegen angeblicher Qualitätsmängel sofort zu stoppen. Auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“wies SHW diese Anschuldigungen zurück und überlegt, dagegen zu klagen.
2016 sank der Umsatz von SHW um zwölf Prozent auf nur noch 406 Millionen Euro. Zwar blieb der operative Gewinn in Höhe von 43,6 Millionen Euro in etwa auf Vorjahresniveau, der Nettogewinn ging jedoch aufgrund von hohen Abschreibungen zurück: 2015 hatte SHW noch 14,4 Millionen Euro verdient, 2016 waren es nur noch 12,8 Millionen Euro. Erst 2018, so der SHW-Chef, sei wieder mit deutlich steigenden Umsätzen und Gewinnen zu rechnen. Im Jahr 2020 soll SHW zwischen 620 und 650 Millionen Euro erlösen – bei einer deutlich höheren Gewinnmarge.
Die Investoren scheinen daran zu glauben. Das Interesse an SHW zeigt, dass Boshoffs Pläne so unrealistisch nicht sind.