Wenn die Tigerdame Magenprobleme hat
In der rheinland-pfälzischen Großkatzenstation Maßweiler werden Raubtiere behandelt
MANNHEIM (dpa) - Als ehemalige Zirkustigerin kennt Varvara die Menschen. Und sie kennt die Betriebsamkeit, die Zweibeiner vor großen Ereignissen an den Tag legen. Also blickt die 14 Jahre alte Raubkatze aufmerksam in die Runde von Medizinern und Tierpflegern, die am Freitagmorgen mit einem langen schwarzen Stab gekommen sind. Aber alle Aufmerksamkeit nutzt nichts. Tierärztin Johanna Painer führt den schwarzen Stab – ein Blasrohr – an die Lippen und jagt zielsicher zwei Narkosepfeile in den kräftigen Körper. Kurz darauf liegt die Raubkatze auf dem Operationstisch.
Varvara ist nicht die einzige Patientin, die in der rheinland-pfälzischen Großkatzenstation Maßweiler unter Vollnarkose durchgecheckt wird. Auch die etwa vier Jahre alte Cara kommt an die Reihe. Das Tigerweibchen lebt seit fast zwei Jahren auf dem ehemaligen US-Militärgelände in der Nähe von Pirmasens und muss geröntgt werden. Die Tigerdame wurde 2013 in einem italienischen Bauernhaus aufgefunden und lahmt. Die Untersuchung ergibt eine Arthrose im Schultergelenk.
Varvara und Cara leben mit zwei weiteren Tigern auf einem insgesamt 14 Hektar großen Gelände. Die Tiere werden einmal im Jahr auf Herz und Nieren untersucht. Ansonsten werden die Raubkatzen von Pflegern des Tierschutzvereins Tierart hinter meterhohen Zäunen betreut. Der Verein wiederum wird von der Stiftung Vier Pfoten unterstützt. „Großkatzen, die in Gefangenschaft leben, können nicht mehr in die freie Wildbahn entlassen werden“, sagt Anna-Lena Krebs von der Stiftung Vier Pfoten.
Die ehemalige Zirkustigerin Varvara liegt auf dem OP-Tisch, ein EKG piept und Tierärztin Painer von der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersucht das etwa 140 Kilogramm schwere und 2,45 Meter große Tier mit dem Ultraschallgerät. „Mit dem Herz ist alles bestens, auch die Niere und die Leber sehen gut aus“, sagt sie. Ihre Assistenten achten darauf, dass die gefährliche Raubkatze nicht plötzlich erwacht und um sich schlägt. „Ein Schlag mit der Pfote kann schon tödlich sein“, sagt Florian Eiserlo, Leiter der Großkatzenstation.
Während die Ärztin die Innereien untersucht, prüft er die Krallen und die Polster. Er ist zufrieden. „Nichts abgerissen, sieht gut aus“, sagt Eiserlo, während der Koloss von Tier mit offenem Maul und Tubus immer noch Furcht einflößend wirkt. Allerdings leidet das Tier unter Magenproblemen. Daher steht auch eine Magen-Darm-Spiegelung auf dem Programm, bei der eine Darmentzündung diagnostiziert wurde. Doch Varvara hat schon Schlimmeres erlebt. Die 14 Jahre alte Tigerin stammt aus einem bulgarischen Zirkus. Noch vor etwa drei Jahren vegetierte sie in einem zehn Quadratmeter großen Käfig vor sich hin.