Raumwunder aus Korea
Kia hat den Kompakt-Van Carens überarbeitet – Mehr Fahrassistenten und Retuschen am Design
Drei Wochen Urlaub im – wohlgemerkt voll ausgestatteten – Ferienhaus sind eigentlich eine feine Sache. Wenn die Gemahlin nur nicht dazu neigen würde, mindestens den halben Hausstand mit auf Reisen zu schicken. Bergausrüstung („vielleicht gehen wir ja wandern ...“), Radlerklamotten („das Wetter wird schon halten ...“), Saunahandtücher und Bademantel („für die kühleren Tage ...“), Kuschelkissen („denk an meine Wirbelsäule ...“) sowie die überlebensnotwendigste Kleidung („sind doch nur zwei Köfferchen ...“) wollen also verstaut sein. Ein Problem? Normalerweise schon. Nur gut, dass gerade der Kia Carens vor der mit Gepäckstücken übersäten Einfahrt parkt. Der koreanische Kompakt-Van, dessen dritte Generation in diesem Modelljahr umfassend überarbeitet worden ist, verhindert eindrucksvoll, dass dem Lademeister graue Haare wachsen. Ein nahezu perfekter Praktiker für Familien, die sich ebenfalls mit Auswanderungsgedanken tragen. Über kleinere Schwächen beim Fahren und Design lässt sich deshalb großzügig hinwegsehen.
Nichts scheint unmöglich in diesem geräumigen Van, der sowohl für fünf als auch sieben Passagiere angeboten wird. Drei bequeme Einzelsitze in der zweiten Reihe – die äußeren sogar beheizbar – lassen sich separat vor- und zurückschieben, Platz gewinnend umklappen und warten zudem noch mit verstellbaren Rückenlehnen auf. Schlaf im Auto – wo sind deine Schrecken? Die beiden Einzelsitze
in der dritten Reihe (Serie in der getesteten, höchsten Ausstattungsvariante „Spirit“) sind dagegen zugegebenermaßen eher für den Nachwuchs geeignet, aber dennoch ohne extreme Verrenkungen zu erreichen. Sie verschwinden nach wenigen Handgriffen und lassen eine ebene Ladefläche zurück. Keine Frage natürlich auch, dass Fahrer und Co-Pilot von ähnlich opulenten Platzverhältnissen profitieren.
Und das Gepäck? Darf sich auf üppigen 1650 Litern Volumen nach Herzenslust ausbreiten, wenn nur die Vordersitze genutzt werden. Wird gar noch die Lehne des Beifahrergestühls nach vorn geklappt, passen Gegenstände bis zu einer Länge von 2,15 Metern in den Carens. Erwähnten wir übrigens schon die vielen anderen praktischen Details, die nicht auf den ersten Blick ins Auge fallen? Nein? Pardon! Als da etwa wären: die Sonnenschutzrollos in den Seitenfenstern sowie die Ladefächer
im Fußraum der zweiten Reihe, das gekühlte Handschuhfach, die unzähligen Ablagen, der kinderleichte Umbau vom Sieben- zum Zweisitzer. Das Bepacken eines Autos, so unsere Erfahrung, muss also nicht zwangsläufig zu Verdruss führen. Wahrscheinlich hätte selbst die Waschmaschine noch ein Plätzchen in diesem Van gefunden. Aber die Gemahlin muss ja nicht immer alles wissen.
Sie denken, der koreanische Familienfreund sei nun aber hinreichend gebauchpinselt worden? Sie suchen das Haar in der Suppe? Nun gut. Das aufgefrischte Design – selbstverständlich wie immer Geschmackssache – muss beileibe nicht jedem gefallen. Der neue Frontstoßfänger, die veränderten Nebelscheinwerfer, der breitere Kühlergrill oder die umgestaltete Lichtsignatur der Rückleuchten sollen, so Kia, „zum kraftvolleren Auftritt“beitragen. „Die optische Dynamik“, sagt Chefdesigner Peter Schreyer, „ist wichtig, weil dieses Auto reizvoll und attraktiv aussehen muss. Dennoch haben wir nie aus dem Blick verloren, dass Fahrzeuge dieser Art wegen ihrer Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit gekauft werden.“Insbesondere den zweiten Satz wollen wir unterstreichen: Wer ein dermaßen praktisches Vehikel erwirbt, darf nicht auch noch erwarten, dass die Passanten sich die Köpfe danach verdrehen. Was sie dann auch nicht getan haben.
Ähnlich unauffällig, aber keineswegs unkommod fährt sich der Carens denn auch: Er liegt solide auf der Straße, ist aber für derbe Späße in Kurven weniger zu haben. Er dürfte etwas weicher federn und ein bisschen weniger empfindlich auf Windstöße reagieren. Und er bewirbt sich mit dem getesteten VierzylinderDieselmotor mit 141 Pferden nicht unbedingt um den Titel als Sprintweltmeister, erweist sich aber doch mit der fein abgestimmten Automatik als angemessen durchzugsstark. Sein größtes Plus aber ist die hervorragende Übersichtlichkeit, begünstigt insbesondere durch die große, weit heruntergezogene Windschutzscheibe. Selbst nach hinten könnten wir perfekt sehen – wenn da nicht das viele Gepäck wäre. Prima, dass die Konstrukteure an die Rückfahrkamera gedacht haben.
Ebenso löblich und meist nützlich die umfangreichen Infotainmentund Sicherheitstechnologien, die zumindest in der Topversion „Spirit“serienmäßig an Bord sind. Drei neue Helferlein gesellen sich nach der Modellpflege zu Tempomat, Navi, Parkpiepser und Co.: der Totwinkelassistent im Außenspiegel, der Querverkehrwarner fürs Rückwärtsfahren sowie die – leider nicht immer zuverlässige – Verkehrszeichenerkennung, die Tempolimits und Überholverbote anzeigen soll. Wobei wir Letzteres gar nicht vermisst hätten: Denn wem ist bei so viel Gepäck schon nach Überholen zumute?