Schrittmacher der Energiewende
Mit energieeffizienten Prozessen lässt sich in vielen Handwerksbetrieben Geld sparen
BAD SAULGAU/RAVENSBURG - Klimaschutz, Energieeffizienz und Energiemanagement – spätestens seitdem sich die Bundesregierung auf die Energiewende festgelegt hat, sind diese Themen auch in Bevölkerung und Wirtschaft angekommen. Nach Angaben des Umweltbundesamtes entfielen 2015 knapp 45 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs auf die Sektoren Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Das zeigt die zentrale Rolle, die der deutschen Wirtschaft bei der Energiefrage zukommt. Innerhalb der Wirtschaft besitzen wiederum die kleinen und mittleren Unternehmen bis 250 Beschäftigte und 50 Millionen Euro Jahresumsatz eine wesentliche Bedeutung. Nur ein Prozent aller Firmen in Deutschland fällt nicht in diese Gruppe.
Gerade im Handwerk richtet sich der Blick der Unternehmen mehr und mehr auf den effizienten Verbrauch des Rohstoffs Energie. Denn Effizienz bedeutet Kosteneinsparungen. Studien der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) dokumentieren einen mittleren Anteil der Energiekosten von rund fünf Prozent an den Gesamtkosten kleiner und mittelgroßer Unternehmen. Die erwarteten Kosteneinsparpotenziale von Maßnahmen des Energiemanagements liegen im zweistelligen Prozentbereich.
Ökologie und Ökonomie
Energieeffizienz als Beitrag zu mehr Kosteneffizienz und größerer Wettbewerbsfähigkeit, das ist die Formel, mit der sich immer mehr Handwerksbetriebe dem Thema nähern. Doch ihr Engagement geht weit über reine ökonomische Interessen hinaus. Jede Maßnahme für eine bessere Energieeffizienz ist gleichzeitig eine Investition in das Wohlergehen unseres Planeten. Jedes Engagement bedeutet auch, soziale Verantwortung wahrzunehmen und einen Beitrag zum nachhaltigen Schutz der Umwelt zu leisten.
Ein Beispiel, wie Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen, ist die Theo Beutinger GmbH aus Bad Saulgau (Landkreis Sigmaringen). Theo Beutinger, Chef des Fachbetriebs für Lackierungen und Beschriftungen, hat sich mit dem Thema Energieeffizienz bereits auseinandergesetzt, als an die Energiewende noch längst nicht zu denken war, als noch nicht einmal Energiesparen sonderlich viele Anhänger hatte. Schon Mitte der 1980er-Jahre rüstete der umtriebige Handwerker seine Lackieranlagen für die Wärmerückgewinnung um, blieb über die Jahre mit diversen Energie- und Umweltprojekten am Ball und setzte 2013 eine umfassende energetische Modernisierung um.
„Seitdem erzeugen wir Strom und Wärme mit einem Blockheizkraftwerk in Kombination mit einer Photovoltaikanlage“, erklärt Beutinger. Die gewonnene Energie wird sowohl in den Trocken- und Lackierkabinen als auch in den restlichen Betriebsund Büroräumen genutzt. Die im BHKW anfallende Wärme ist der eigentliche Gewinn für den Handwerker, denn Lackierbetriebe haben ganzjährig einen hohen Wärmebedarf. Bei 70 Grad Celsius müssen die Farbschichten auf den lackierten Karosserien und Teilen über mehrere Stunden trocknen – ein energiefressendes Prozedere.
Mit der Umrüstung gelang es Beutinger, nicht nur die Energiekosten fast zu halbieren. Auch die Ökobilanz des Betriebes spricht für sich: Allein 42 Tonnen des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid spart das BHKW im Vergleich zur alten
Unser Handwerk
Energieerzeugung. „Mit der Modernisierung sind wir heute energieneutral. Der Betrieb produziert in etwa so viel Energie, wie er verbraucht“, sagt der Firmeninhaber, der sich trotz seines Umweltengagements „konservativ“verortet.
Beutingers Ziel, möglichst wenig Energie zu verbrauchen, möglichst viel Energie selbst zu erzeugen und Ressourcen mehrfach zu verwerten, brachte dem Unternehmen den renommierten Umweltpreis BadenWürttembergs in der Kategorie Handwerk ein.
Gleichwohl: Das Potenzial energieeffizienter Prozesse wird nach wie vor von vielen Firmen unterschätzt. „Die mit Abstand höchsten Einsparpotenziale gibt es regelmäßig bei thermischen Prozessen, etwa bei der Vermeidung oder Nutzung von Abwärme. Ein erhebliches Potenzial schlummert auch in den Druckluftsystemen vieler Unternehmen, und im Dienstleistungssektor sind es oftmals die Beleuchtungssysteme“, weiß Roman Zurhold, Projektleiter der Initiative Energieeffizienz der Deutschen Energie-Agentur.
Die Höhe der Einsparpotenziale ist natürlich von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Einige generelle Aussagen können aber dennoch getroffen werden: „Wegen der in den vergangenen Jahren erzielten Technologiesprünge lassen sich bei Beleuchtungssystemen bis zu 70 Prozent des Energieverbrauchs einsparen, bis zu 50 Prozent sind bei Druckluftsystemen möglich und rund 30 Prozent bei Pumpen-, Kälteoder Lüftungssystemen“, so Zurhold.
Energieeffizienz lohnt sich
Die Praxis zeigt, dass sich viele Projekte bei realistischen Annahmen, insbesondere was die Energiekosten angeht, schon nach kurzer Zeit amortisieren. Ein Klassiker ist der Austausch konventioneller Leuchtmittel durch LEDs. Abhängig vom betriebenen technologischen Aufwand rechnen sich die Investitionen in LEDLeuchtmittel im Idealfall bereits nach rund zwei Jahren. Theo Beutinger, der ein deutlich umfangreicheres Projekt realisiert hat, kalkuliert, dass sich seine Investitionen in vier bis sechs Jahren bezahlt machen.
Die im Preis deutlich gesunkenen Primärenergieträger wie Öl oder Kohle ändern daran nichts fundamental. Denn die durchschnittlichen Preise für Industriestrom in Deutschland haben in den vergangenen Jahren bestenfalls stagniert – rückläufige Kosten für die Beschaffung, für Netzentgelte und für den Vertrieb wurden durch die staatlich verursachten Preisbestandteile – insbesondere die EEG-Umlage – aufgefressen.
Ein Umstand, der dem Handwerk im Wettbewerb zu schaffen macht, und der Joachim Krimmer, Präsident der Handwerkskammer Ulm, auf die Palme bringt. Denn während sich industrielle Strom-Großverbraucher von der EEG-Umlage befreien lassen können, schaffen Handwerksbetriebe die dafür notwendigen Ausnahmeregelungen in aller Regel nicht. Während der industrielle Bäckereibetrieb also mit erheblich günstigeren Stromkosten kalkulieren kann, muss der Bäcker von nebenan deutlich mehr für die verbrauchte Kilowattstunde zahlen.
Seit diesem Jahr liegt der Ökostromzuschlag bei 6,88 Euro-Cent je Kilowattstunde, im Jahr 2003 waren es lediglich 0,41 Euro-Cent. Das geht energieintensiven Branchen im Handwerk wie Lackierern oder Bäckern an die Substanz. Aus Sicht des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks ist inzwischen ein Niveau erreicht, der die Schmerzgrenze der Betriebe endgültig überschreitet. Infrage stellen will der Bäckerverband die Energiewende an sich zwar nicht. Er fordert allerdings eine gerechte und bezahlbare Energiewende. „Es ist dringend notwendig, dass dieses Ungleichgewicht schleunigst beseitigt wird“, sagt auch Krimmer. Doch sonderlich optimistisch klingt er dabei nicht.