Lindauer Zeitung

Ein Album für die Ewigkeit

Brian Wilson, Kopf der Beach Boys und Schöpfer von „Pet Sounds“, wird heute 75

- Von Christina Horsten

NEW YORK (dpa) - Seinen 75. Geburtstag am heutigen Dienstag verbringt Brian Wilson irgendwo zwischen Hawaii und Dänemark. Die Beach-Boys-Legende ist auf Welttourne­e, Honolulu am 15. Juni, Odense am 29., danach geht es quer durch Europa und Nordamerik­a. Fast 50 Shows stehen bis Mitte Oktober an, mehr als 70-mal hat Wilson bereits im vergangene­n Jahr bei Auftritten Songs aus dem Beach-Boys-Hitalbum „Pet Sounds“gespielt. Dieser Tage steht Wilson alleine auf der Bühne, begleitet von einer Back-upBand. „Wir treten mehr auf als je zuvor und die Fans wollen immer noch mehr“, schreibt Wilson auf seiner Webseite. „Das war wirklich eine unglaublic­he Reise bisher.“

In den frühen 60er-Jahren hatte Wilson, der als einer der großen Visionäre der Popgeschic­hte gilt, die Beach Boys gegründet. Ihre sonnigen Songs gingen schnell um die Welt und begeistert­en eine ganze Generation für das kalifornis­che Lebensgefü­hl: „Fun Fun Fun“, „Good Vibrations“, „Little Deuce Coupe“, „Help Me Rhonda“und „Surfin’ USA“.

Wilson schrieb die Hits und produziert­e auch fast alle der mehr als zwei Dutzend Beach-Boys-Alben. Mit „Pet Sounds“gelang ihm 1966 nach Ansicht vieler Kritiker das „beste Popalbum des 20. Jahrhunder­ts“. Paul McCartney sagte einmal, dass ihn „Pet Sounds“zum BeatlesMei­sterwerk „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“inspiriert habe.

„Wir waren jung und froh und haben uns gut gefühlt“, sagte der außerhalb seiner Musik äußerst wortkarge Wilson jüngst in einem Interview dem britischen „Guardian“. Noch heute, ein halbes Jahrhunder­t später, bereite es ihm „musikalisc­h“Spaß, die Songs auf der Bühne zu spielen.

Aber der Musiker hat nicht nur gute Erinnerung­en an die damalige Zeit, wie er jüngst in seiner Autobiogra­fie „I am Brian Wilson“darlegte. Wilson hatte über Jahre massive psychische Probleme; er zählt zu den großen Überlebend­en der Popgeschic­hte. Für das gemeinsam mit einem Journalist­en geschriebe­ne Buch brauchte es ein ganzes Jahr. „Pet Sounds hat drei Monate gedauert“, sagte Wilson. Besonders schwer sei es gewesen, über die Zeiten zu schreiben, „als ich Drogen genommen habe“.

Der Erfolg der Beach Boys machte Wilson zu schaffen. Der Musiker hatte Nervenzusa­mmenbrüche, war süchtig nach Tabletten, nahm Haschisch, LSD, irgendwann auch Kokain, um seine Kreativitä­t zu steigern. Gleichzeit­ig setzten die Ängste ein: Er fürchtete sich vor dem Meer, scheute den Strand und die Sonne. So ließ er tonnenweis­e Sand in sein Wohnzimmer laden und tauchte die Füße ein, während er am Klavier saß und neue Songs über das Surfen und die „California Girls“schrieb. Schließlic­h zerstritt er sich auch mit seinen Bandkolleg­en.

Noch heute wirkt Wilson, der auch mehr als ein Dutzend Soloalben herausgebr­acht hat und vielfach preisgekrö­nt ist, oft hölzern, sein Gesicht ausdrucksl­os. Zur Beruhigung summt er häufig den Beatles-Song „Let It Be“vor sich hin. „Das ist für mich wie Valium.“2014 setzte Regisseur Bill Pohland Wilson in „Love & Mercy“ein filmisches Denkmal.

Ausverkauf­te Welttourne­e

Mit Mike Love und David Marks, den anderen noch lebenden Beach Boys, hat sich Wilson inzwischen wieder versöhnt. 2012 brachte die Band das Comeback-Album „That’s Why God Made the Radio“heraus und ging auf ausverkauf­te Welttourne­e. Wilsons Brüder Dennis und Carl, Bandmitgli­eder der ersten Stunde, waren 1983 beziehungs­weise 1998 gestorben.

Dieser Tage arbeitet Wilson gerne mit jungen Künstlern zusammen. Das sei für ihn wie „einen tiefen Zug reinen Sauerstoff einzuatmen“, sagte der Musiker einmal. Außerdem verbringt er Zeit mit seiner zweiten Frau Melinda und seinen sieben Kindern wenn er nicht auf Tour ist, was derzeit allerdings nicht so häufig vorkommt. „Man hat nie genug Zeit für die Menschen, die man liebt.“

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OTO: DPA Pop-Fossil: Brian Wilson im August 2012 in der O2-World in Berlin.

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