Pflegekräftemangel erschwert „ambulant vor stationär“
Der Lindauer Arbeitsmarkt ist leer: Pflegedienste können kaum noch neue Patienten aufnehmen
LINDAU - Eigentlich ist es dem Gesetzgeber wichtig, in der Pflege „ambulant vor stationär“zu arbeiten. Sprich, pflegebedürftige Menschen sollen so lange wie möglich zu Hause versorgt werden. Doch das stößt inzwischen im Landkreis Lindau an seine Grenzen – weil immer häufiger Pflegefachkräfte fehlen. „Neues, gutes Personal zu bekommen, ist sehr, sehr schwer.“Da seufzt nicht nur Pflegeteam-Chef Clemens Obermaier. Auch die Kollegen anderer ambulanter Dienste haben Probleme, ausreichend Pflegefachkräfte zu finden.
„Der Markt ist leergefegt“, stellt BRK-Pflegedienstleiterin Monika Hostenkamp fest. Sie hat ein ähnliches Problem wie die Caritas-Sozialstation Westallgäu: Neue Patienten kann das Rote Kreuz momentan nicht mehr aufnehmen. „Wir schleppen uns über die Runden.“Hostenkamp atmet tief durch. 18 Pflegefachkräfte sind beim ambulanten Pflegedienst des Lindauer BRK derzeit angestellt. „Wir bräuchten dringend mehr Mitarbeiter“, gibt die Pflegedienstleiterin unumwunden zu. „Doch der Arbeitsmarkt hier gibt nichts her.“Und das gelte übrigens auch für hauswirtschaftliche Kräfte.
„Es ist schon schwierig, gutes examiniertes Personal zu bekommen“, bestätigt auch Clemens Obermaier. Er hat immerhin Glück, dass sein Pflegeteam am See derzeit noch gut besetzt ist: Auch bei ihm kümmern sich 18 Fachkräfte um die pflegebedürftigen Kunden. In Obermaiers Augen ist die Fachkraftsuche nicht nur, aber auch eine Frage des Geldes: „Ich zahle meinen Mitarbeitern dreizehneinhalb Monatsgehälter im Jahr.“Und er holt sich Auszubildende ins Team: Im September startet ein junger Mann im Pflegeteam am See seine dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft.
Auch Sabine Schönherr von der Pflege-Insel setzt auf eigenen Nachwuchs. Für sie ist klar: Wenn ihre jetzige Auszubildende in gut einem Jahr ihre Lehrzeit beendet, darf sie gerne als feste Mitarbeiterin in ihrem Pflegeteam bleiben. Fünfzehn Köpfe zählt derzeit dieses Team: „Es wäre schön, wenn wir mehr Personal hätten – dann könnten wir auch mehr Pflegebedürftige betreuen.“Doch der Markt gebe eben leider nicht mehr her.
Vollzeit-Pflegekräfte gehen nicht zu ambulanten Diensten
Wobei Hostenkamp ein Problem sieht: Die ambulante Pflege sei für jemanden, der eine Vollzeitstelle wolle, kaum zu stemmen. „Pflege passiert eben morgens und vormittags sowie am Abend“– eine Ganztagsstelle würde dann Arbeit von morgens sieben bis abends acht bedeuten. Deswegen werde die Arbeit in ambulanten Diensten in erster Linie von Frauen geleistet, die ihre eigene Familie und ihren Beruf unter einen Hut bekommen wollen. Die halbtags am Vormittag arbeiten, wenn die Kinder in Kita und Schule sind. Oder sich abends auf den Weg zu den Patienten machen, wenn der Partner sich um den Nachwuchs kümmere. Wer als Pflegefachkraft ganztags arbeiten wolle, der oder die gehe normalerweise nicht in die ambulante Pflege, hat die BRK-Pflegedienstleiterin beobachtet.
Auch für die Lindauer Sozialstation ist und bleibt das Thema Personal äußerst wichtig. Zwar sei man mit Pflegefachkräften derzeit „noch ausreichend“besetzt, so Geschäftsführer Gerhard Fehrer im Gespräch mit der LZ. Auch um Nachwuchs kümmert sich die Sozialstation, wobei sie nur Pflegehelferinnen ausbildet. „Wir haben aber zunehmenden Bedarf an Mitarbeitern für die Bereiche Hauswirtschaft und Betreuung“, stellt Fehrer fest. Und da setze die Sozialstation verstärkt auf Frauen und Männer, die beruflich schon in Rente, aber noch so fit sind, dass sie als Minijobber ein paar Stunden pro Woche arbeiten wollen. „Diese Rentner sind zunehmend unsere Zielgruppe als Mitarbeiter.“