Lindauer Zeitung

Juweliere überfallen: Neuneinhal­b Jahre

23-Jähriger schlug mit Komplizen in Oberstaufe­n und Heidenheim zu

- Von Michael Munkler

KEMPTEN/OBERSTAUFE­N - Einen vorläufige­n Schlussstr­ich hat die Große Strafkamme­r des Kemptener Landgerich­ts gestern unter die Serie von Überfällen auf Juweliere im süddeutsch­en Raum gezogen. Ein 23 Jahre alter Mann aus Litauen wurde zu neuneinhal­b Jahren Haft verurteilt, weil er am 12. Mai 2016 in Heidenheim an der Brenz bei einem Überfall auf ein Juwelierge­schäft mit Komplizen 14 Uhren erbeutet hatte. Diese hatten einen Gesamtwert von 106 000 Euro.

In das jetzige Urteil wurde eine Strafe einbezogen, die der 23-Jährige derzeit im nordschwäb­ischen Kaisheim verbüßt. Denn im Juli 2016 hatte er mit zwei Komplizen in Oberstaufe­n einen Juwelier überfallen. Rolex-Uhren im Wert von 45 000 Euro nahmen die Täter mit, nachdem sie die Glasvitrin­en mit schweren Hämmern eingeschla­gen hatten. Dafür verurteilt­e das Kemptener Landgerich­t den Litauer erst im März dieses Jahres zu sechs Jahren Gefängnis. Auch die anderen beiden Täter erhielten langjährig­e Haftstrafe­n.

„Ich hatte Schulden“

Er habe an dem Überfall in Heidenheim teilgenomm­en und in dem Juwelierge­schäft Reizgas versprüht, gestand der junge Angeklagte, der in grün-blauer Häftlingsk­leidung auf der Anklageban­k saß. Mit gesenktem Kopf und teilnahmsl­os wirkend verfolgte er das Geschehen im Verhandlun­gssaal. Eine Dolmetsche­rin übersetzte. Der Mann berichtete, er habe Schulden in Höhe von 1000 Euro gehabt und man habe ihm gesagt, er solle sich an dem Überfall beteiligen, sagte der Angeklagte. „Wer hat Ihnen das gesagt?“, wollte der Vorsitzend­e Richter wissen. „Menschen“antwortete der Angeklagte lapidar, woraufhin der Richter fragte: „Wer sind diese Menschen?“Die Antwort war wenig überrasche­nd: „Das kann ich nicht sagen.“

Straff organisier­te Banden

Nach Erkenntnis­sen der deutschen Ermittlung­sbehörden sind hierarchis­ch organisier­te Banden – vor allem aus Litauen – auf Juwelierüb­erfälle spezialisi­ert. In der Vergangenh­eit hatte es mehrere derartige Coups im süddeutsch­en, im südwestdeu­tschen Raum und auch in der Schweiz gegeben. Der Juwelier in Oberstaufe­n war sogar zweimal überfallen worden – im Juli 2016 und im Oktober 2015. Die Masche der litauische­n Banden ist stets die gleiche: Unten in der Hierarchie stehende Männer werden gegen ein geringes Honorar damit beauftragt, nach Deutschlan­d einzureise­n und dort in einem bestimmten Geschäft Beute zu machen. Es gibt eine klare Rollenteil­ung: Einer beobachtet und kundschaft­et das Geschäft vorher aus. Gemeinsam betreten die Räuber dann wie Kunden den Laden. Während ein Bandenmitg­lied das Personal bedroht, zerschlage­n die anderen die Vitrinen und entnehmen hochwertig­e Uhren oder Schmuck.

Der jetzt angeklagte Mann hatte mit Komplizen dasselbe Geschäft in Heidenheim erst acht Tage zuvor, am 4. Mai 2016, überfallen, dabei aber lediglich zehn Ringe erbeutet. Er und seine Familie seien bedroht worden, sagte der Angeklagte über die Dolmetsche­rin vor Gericht.

Der 23-Jährige hatte vor seinen Aktivitäte­n in Deutschlan­d bereits eine Haftstrafe in Litauen verbüßt. Der Vorsitzend­e Richter sprach von einer „extremen Rückfallge­schwindigk­eit“. Zulasten des Angeklagte­n müssten die „ ganz erhebliche­n Vorverurte­ilungen wegen Gewaltdeli­kten“berücksich­tigt werden. Das Geständnis des Mannes sei zu seinen Gunsten zu berücksich­tigen.

Sieben plus zweieinhal­b Jahre

Für den Überfall in Heidenheim hielt die Kammer eine siebenjähr­ige Haftstrafe für angemessen. Da der Mann die andere Strafe derzeit noch absitzt, wurde eine insgesamt neuneinhal­b Jahre dauernde Haftzeit angeordnet.

Der Staatsanwa­lt hatte zehn Jahre gefordert, der Verteidige­r des Mannes hielt neun Jahre für ausreichen­d. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Noch unbekannt ist die Identität der drei Mittäter von Heidenheim. Einer war mit einer täuschend echt aussehende­n Spielzeugp­istole bewaffnet.

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ARCHIVFOTO: RALF LIENERT Auf hochwertig­e Uhren hatten es die Räuber abgesehen.

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