Juweliere überfallen: Neuneinhalb Jahre
23-Jähriger schlug mit Komplizen in Oberstaufen und Heidenheim zu
KEMPTEN/OBERSTAUFEN - Einen vorläufigen Schlussstrich hat die Große Strafkammer des Kemptener Landgerichts gestern unter die Serie von Überfällen auf Juweliere im süddeutschen Raum gezogen. Ein 23 Jahre alter Mann aus Litauen wurde zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er am 12. Mai 2016 in Heidenheim an der Brenz bei einem Überfall auf ein Juweliergeschäft mit Komplizen 14 Uhren erbeutet hatte. Diese hatten einen Gesamtwert von 106 000 Euro.
In das jetzige Urteil wurde eine Strafe einbezogen, die der 23-Jährige derzeit im nordschwäbischen Kaisheim verbüßt. Denn im Juli 2016 hatte er mit zwei Komplizen in Oberstaufen einen Juwelier überfallen. Rolex-Uhren im Wert von 45 000 Euro nahmen die Täter mit, nachdem sie die Glasvitrinen mit schweren Hämmern eingeschlagen hatten. Dafür verurteilte das Kemptener Landgericht den Litauer erst im März dieses Jahres zu sechs Jahren Gefängnis. Auch die anderen beiden Täter erhielten langjährige Haftstrafen.
„Ich hatte Schulden“
Er habe an dem Überfall in Heidenheim teilgenommen und in dem Juweliergeschäft Reizgas versprüht, gestand der junge Angeklagte, der in grün-blauer Häftlingskleidung auf der Anklagebank saß. Mit gesenktem Kopf und teilnahmslos wirkend verfolgte er das Geschehen im Verhandlungssaal. Eine Dolmetscherin übersetzte. Der Mann berichtete, er habe Schulden in Höhe von 1000 Euro gehabt und man habe ihm gesagt, er solle sich an dem Überfall beteiligen, sagte der Angeklagte. „Wer hat Ihnen das gesagt?“, wollte der Vorsitzende Richter wissen. „Menschen“antwortete der Angeklagte lapidar, woraufhin der Richter fragte: „Wer sind diese Menschen?“Die Antwort war wenig überraschend: „Das kann ich nicht sagen.“
Straff organisierte Banden
Nach Erkenntnissen der deutschen Ermittlungsbehörden sind hierarchisch organisierte Banden – vor allem aus Litauen – auf Juwelierüberfälle spezialisiert. In der Vergangenheit hatte es mehrere derartige Coups im süddeutschen, im südwestdeutschen Raum und auch in der Schweiz gegeben. Der Juwelier in Oberstaufen war sogar zweimal überfallen worden – im Juli 2016 und im Oktober 2015. Die Masche der litauischen Banden ist stets die gleiche: Unten in der Hierarchie stehende Männer werden gegen ein geringes Honorar damit beauftragt, nach Deutschland einzureisen und dort in einem bestimmten Geschäft Beute zu machen. Es gibt eine klare Rollenteilung: Einer beobachtet und kundschaftet das Geschäft vorher aus. Gemeinsam betreten die Räuber dann wie Kunden den Laden. Während ein Bandenmitglied das Personal bedroht, zerschlagen die anderen die Vitrinen und entnehmen hochwertige Uhren oder Schmuck.
Der jetzt angeklagte Mann hatte mit Komplizen dasselbe Geschäft in Heidenheim erst acht Tage zuvor, am 4. Mai 2016, überfallen, dabei aber lediglich zehn Ringe erbeutet. Er und seine Familie seien bedroht worden, sagte der Angeklagte über die Dolmetscherin vor Gericht.
Der 23-Jährige hatte vor seinen Aktivitäten in Deutschland bereits eine Haftstrafe in Litauen verbüßt. Der Vorsitzende Richter sprach von einer „extremen Rückfallgeschwindigkeit“. Zulasten des Angeklagten müssten die „ ganz erheblichen Vorverurteilungen wegen Gewaltdelikten“berücksichtigt werden. Das Geständnis des Mannes sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
Sieben plus zweieinhalb Jahre
Für den Überfall in Heidenheim hielt die Kammer eine siebenjährige Haftstrafe für angemessen. Da der Mann die andere Strafe derzeit noch absitzt, wurde eine insgesamt neuneinhalb Jahre dauernde Haftzeit angeordnet.
Der Staatsanwalt hatte zehn Jahre gefordert, der Verteidiger des Mannes hielt neun Jahre für ausreichend. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Noch unbekannt ist die Identität der drei Mittäter von Heidenheim. Einer war mit einer täuschend echt aussehenden Spielzeugpistole bewaffnet.