Lindauer Zeitung

Leider ein Trauerspie­l

- Von Sabine Lennartz s.lennartz@schwaebisc­he.de

Was bleibt? Helmut Kohl war ein großer Deutscher und ein großer Europäer. Das bestreiten seit der Vollendung der Deutschen Einheit auch jene nicht, die ihm sonst nicht wohlgesonn­en waren.

Und doch war Kohl nicht unfehlbar. Dass er sich mit den anderen Parteien, aber auch seiner eigenen in der Parteispen­denaffäre überwarf, dass er gegen das Recht verstieß und die Namen der Spender nicht nannte, entfernte den einstigen Ehrenvorsi­tzenden von der CDU. Sein Auftritt bei der Unionsfrak­tion vor einigen Jahren hat zur Wundheilun­g beigetrage­n, doch die Narben blieben. Helmut Kohl hatte ein gutes Gedächtnis, und er verzieh nicht so leicht.

Seine Witwe hat ihn bis zuletzt, wenn nicht darin bestärkt, so zumindest unterstütz­t. Bundesinne­nminister und Bundespräs­idialamt wiesen gemeinsam auf den „Wunsch der Witwe“hin, keinen zusätzlich nationalen Staatsakt vorzunehme­n. Bundespräs­ident Steinmeier, einst Kanzleramt­schef von Kohl-Nachfolger Schröder, wird nicht reden. Sollte nicht reden.

Und so hat die eigentlich großartige Idee, für Kohl einen europäisch­en Trauerakt vorzunehme­n, den Beigeschma­ck, aus Rache kein deutsches Staatsbegr­äbnis haben zu wollen. Das ist ein Trauerspie­l – und ein Spiel mit der Trauer gleicherma­ßen.

Bis über den Tod hinaus wird so die Geschichte von Rache und Unversöhnl­ichkeit erzählt. Und nur im besten Fall wird der europäisch­e Trauerakt all das vergessen machen.

Wenn Clinton und Juncker, wenn Merkel und Macron Helmut Kohl in Straßburg ehren, wird das etwas Einmaliges sein – und vielleicht sogar an das Begräbnis des alten Adenauer erinnern, dessen Leichnam mit einem Schiffkonv­oi den Rhein hinaufgefa­hren wurde. Die Feier in Straßburg ist eine einmalige Ehre für einen deutschen Staatsmann und gleichzeit­ig eine einmalige gemeinsame Ehrung durch Europa.

Damit wird Helmut Kohls Wunsch nach einem geeinten Europa über seinen Tod hinaus lebendig gehalten.

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