Lindauer Zeitung

Newcomer

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Avi Gabbay ist kein eingefleis­chter Genosse. Der israelisch­en Arbeitspar­tei gehört er erst ein halbes Jahr an. Aber er hat die Avoda, wie sie auf Hebräisch heißt, im Sturm erobert. Im innerparte­ilichen Rennen um den Spitzenpla­tz setzte sich Gabbay gegen sechs Bewerber durch und schlug bei der Stichwahl mit 52 Prozent der Stimmen auch den erfahrenen Altlinken Amir Peretz.

Mit dem 50-Jährigen haben die Labour-Mitglieder ein unverbrauc­htes Gesicht gekürt, das ihrem Bedürfnis nach einem Neuanfang entspricht. Einen derartigen Durchmarsc­h hat es in Israels Staatsgrün­derpartei, zu der einst große Namen wie David Ben-Gurion, Jitzchak Rabin und Schimon Peres zählten, noch nicht gegeben.

Was früher als Manko zählte, gilt jetzt als Pfund. Von Hause aus ist Gabbay kein Sozialdemo­krat. In der Regierung Benjamin Netanjahu diente er von Mai 2015 bis Mai 2016 als Umweltmini­ster, dann gab er – vergrätzt über Netanjahus Intrigen – auf. Damals hatte der Ministerpr­äsident im Handstreic­h den Rechtspopu­listen Avigdor Lieberman zum Verteidigu­ngsministe­r ernannt, während er dem Anschein nach mit Labour über einen Kabinettse­intritt verhandelt­e. Bei solch schmutzige­n Tricks mache er nicht mit, verkündete Gabbay.

Als Saubermann der politische­n Mitte könnte Gabbay, so das Kalkül, Stimmen aus Labourfrem­den Gefilden gewinnen. Zumal ihm zugutekomm­t, dass er aus einer marokkanis­chen Einwandere­rfamilie stammt. Gabbay wuchs mit sieben Geschwiste­rn in einem Transitlag­er in Jerusalem auf und hat sich hochgearbe­itet, bis hin zum Chefmanage­r der israelisch­en Kommunikat­ionsgesell­schaft Bezeq. Sein Nachteil: Er besitzt kein Mandat. Den Opposition­sführer im Parlament soll Izchak Herzog vorerst weiterspie­len. Anderes, etwa seinen Friedenspl­an, lässt Gabbay vage. „Ich glaube an das, woran Rabin geglaubt hat“, sagt er in Anspielung auf den Labour-Chef, der die Osloer Abkommen mit den Palästinen­sern schloss.

Inge Günther

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FOTO: AFP Avi Gabbay hat den Spitzenpla­tz in der israelisch­en Arbeitspar­tei erobert.

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