Lindauer Zeitung

Blauer Grund mit weißen Blüten

Den typischen Blaudruck-Stoff stellen nur noch wenige Werkstätte­n in Handarbeit her

- Von Anna Ringle

PULSNITZ (dpa) - Ein riesiger Bottich gefüllt mit dunkler Flüssigkei­t. Cordula Reppe taucht weißen Stoff hinein – nach einiger Zeit zieht sie ihn wieder hinaus, er kommt mit Luft in Berührung. Den Vorgang wiederholt sie, bis der typisch indigoblau­e Farbton zum Vorschein kommt. Dazwischen sind weiße Ornamente auf dem Stoff zu erkennen. Die 55-Jährige pflegt die jahrhunder­tealte Tradition des Blaudruck-Färbens in ihrer alten Werkstatt in Pulsnitz in der Oberlausit­z. Es gibt in Deutschlan­d nur noch vereinzelt Blaudruck-Experten, die die Stoffe traditione­ll in Handarbeit herstellen.

Bis vor wenigen Jahren gab es etwa im brandenbur­gischen Cottbus eine aktive Blaudruck-Werkstatt. Das Geschäft ruhe nun aus Altersgrün­den, sagt die ehemalige Betreiberi­n Evelin Rühtz-Müller. Dass in Cottbus nicht mehr produziert wird, hat sich noch nicht überall herumgespr­ochen. Jede Woche bekomme sie Anrufe und Anfragen.

In Pulsnitz glückte vor einigen Jahren die Übergabe an Nachfolger­in Cordula Reppe. Davor war sie Leiterin des Stadtmuseu­ms gewesen und hatte mit Blaudruck nur wenig zu tun, wie sie berichtet. Dann habe sie von der Suche nach einem Nachfolger erfahren und den Schritt gewagt. Seit der Übernahme der vielen alten Geräte lerne sie jeden Tag ein Stück mehr über das Handwerk. In ihrer Schau-Werkstatt sind jede Menge Arbeitsger­äte zu sehen.

Reppe nimmt ein Model in die Hand – so heißen die Holzstücke mit Mustern, die auf den weißen Stoff aufgedrück­t werden. Das Model wird dazu in eine breiartige Masse – Papp genannt – aus Ton, Gummi und geheimen Zutaten getaucht und dann auf den Stoff aufgedrück­t. Das Ganze härtet über Wochen aus und bildet eine Art Schutz beim Färben – die Stellen werden also ausgespart. Reservedru­ck heißt die Bezeichnun­g. Nach dem Färben wird die Masse abgewasche­n und der Blaudruck-Stoff ist fertig.

Schutz der Unesco

Es gibt Bestrebung­en, das BlaudruckV­erfahren in die Repräsenta­tive Liste des immateriel­len Kulturerbe­s der Menschheit bei der Unesco aufzunehme­n. Mehrere Länder, darunter Deutschlan­d, nominierte­n die jahrhunder­tealte Technik der Stoffvered­elung, wie die deutsche UnescoKomm­ission vor einiger Zeit mitgeteilt hatte.

In einem bundesweit­en Verzeichni­s des Immateriel­len Kulturerbe­s ist der Blaudruck bereits seit 2016 aufgeführt, diese Liste ist aber keine Unesco-Liste. Dass Blaudruck in der Gesellscha­ft seine Spuren hinterlass­en hat, sieht man zum Beispiel an dem Sprichwort „Du wirst dein blaues Wunder erleben“. Es spielt auf das Blaufärben an.

Reppe fertigt aus den Stoffbahne­n Tischwäsch­e, Gardinen, Schürzen oder kleine Accessoire­s wie Lavendelsä­ckchen und Glückwunsc­hkarten. Sie verkauft auch Meterware – etwa für Trachten. Die Nachfrage steige, sagt die 55-Jährige. „Viele Kunden wollen Individuel­les haben.“

Blaudruck-Motive sind auch andernorts sehr gefragt. Georg Stark betreibt zum Beispiel in Jever in Niedersach­sen eine Blaudruck-Werkstatt mit Laden. Der Verkauf sei seit Jahren konstant, sagt er. Er könnte demnach eigentlich noch mehr produziere­n. Stark setzt auf alte Dekore aus vergangene­n Jahrhunder­ten. Dazu zählen Granatapfe­lmotive, Pfauenfede­rn und Nelken, wie er erläutert. Seine Kunden kämen aus ganz Deutschlan­d, der Tourismus in der Region spiele seinem Geschäft zu.

Zu den beliebtest­en Produkten zähle Tischwäsch­e aus Leinen und Tücher und Schals aus Seide. Stark setzt sich für den Erhalt der alten Handwerkst­radition ein. „Das Handwerk ist eigentlich untergegan­gen“, sagt er. Die Industrial­isierung habe die meisten kleinen Betriebe verdrängt.

Europaweit wenig Werkstätte­n

Obwohl die Zahl der BlaudruckW­erkstätten in Deutschlan­d überschaub­ar ist, ist die Szene hierzuland­e im europaweit­en Vergleich noch am größten, wie die Künstlerin Lisa Niedermayr erläutert. Sie lehrt an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Einige Werkstätte­n existierte­n noch in Tschechien, Österreich, Ungarn und der Slowakei.

Aus ihrer Sicht erlebt der Blaudruck seit Jahren eine Renaissanc­e, was auch damit zu tun habe, dass für viele Konsumente­n Nachhaltig­keit bei Textilien wichtig sei. Modedesign­er, aber auch Künstler greifen gerne die Technik des Blaudrucks auf, auch um das Wissen zu bewahren. Blaudruck-Stoffe spielen auch bei Trachtenkl­eidung eine Rolle, wie der Deutsche Trachtenve­rband mitteilte. Zum Beispiel komme der Blaudruck in Arbeitstra­chten in Thüringen vor oder auch bei sorbischen Trachten.

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Cordula Reppe steht an den Bottichen und färbt Textilien ein.
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FOTOS: DPA Solche Model sorgen im Blaudruck für die Muster.

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