Traumjob am Bodensee
Bei den Proben der Oper „Carmen“für die Bregenzer Festspiele läuft es bisher optimal
BREGENZ - Sein Gesicht habe „50 Shades of Red“durchgemacht, sagt Kasper Holten und lächelt. Seit Wochen probt der Regisseur Georges Bizets Oper Carmen auf der Bregenzer Seebühne. Das Arbeiten unter freiem Himmel hat ihm viele RotSchattierungen auf der Haut beschert. Die Sonne knallt unerbittlich auf die Spielfläche am Wasser. „Es ist sehr heiß“, sagt der blonde Däne, schiebt aber gleich hinterher, dass ihm die Hitze nichts ausmacht. Schließlich habe er jede Menge Spaß mit den Darstellern. Und überhaupt sei das Inszenieren auf der Bregenzer Seebühne „eine Traumaufgabe für jeden Regisseur“.
Noch eine Woche hat der 44-Jährige Zeit zum Proben, dann muss das Stück aufführungsreif sein. Am Mittwoch, 19. Juli, hebt sich der imaginäre Vorhang am Bodensee. 28 Mal wird Bizets Oper auf der Seebühne zu sehen sein. Wie immer spielen die Wiener Symphoniker – diesmal unter der Leitung von Paolo Carignani.
90 Prozent der Tickets verkauft
Die Bregenzer haben an der Geschichte rund um die verführerische Schmugglerin Carmen und den eifersüchtigen Don José offenbar einen Narren gefressen. Zum dritten Mal in der 71-jährigen Festspiel-Geschichte inszenieren sie Carmen. „Ein ideales Stück für die Seebühne“, meint Intendantin Elisabeth Sobotka. Ideal ist es auf jeden Fall fürs Bregenzer Budget. Die Karten gehen weg wie warme Semmeln. Schon jetzt sind 90 Prozent der fast 200 000 Tickets verkauft – soviel wie noch nie zu diesem Zeitpunkt. Die Juli-Aufführungen sind ausverkauft, Karten gibt es erst wieder für die August-Vorstellungen.
Carmen scheint eine sichere Bank zu sein. Die Oper, die bei der Uraufführung 1875 in Paris dem Publikum wegen der neuen Art des Geschichtenerzählens noch Rätsel aufgab, entwickelte sich zu einem der beliebtesten Musiktheater-Werke überhaupt. Woran das liegt? Vielleicht weil es um viele Facetten rund um die Liebe geht: um Begehren, Erfüllung, Abweisung, Eifersucht – und am Ende um Mord. Und da ist die eingängige Musik. Carmens rebellische Arie im Habanera-Rhythmus „L’amour est un oiseau rebelle“(Die Liebe ist ein wilder Vogel) oder der Torrero-Marsch sind Opernhits, bei denen alle mitsummen können.
In Szene gesetzt wird die unheilvolle Beziehung zwischen Carmen und dem Soldaten Don José auf einer raffinierten Bühne. Die Bregenzer haben dafür die Britin Es Devlin gewonnen, die nicht nur für große Opernhäuser gearbeitet hat, sondern auch für Popstars wie Beyoncé oder Adele. „Es ist ein Traum, hier zu arbeiten“, sagt Devlin. Zusammen mit Regisseur Holten hat sie überlegt, was für die Seebühne passen würde. Kurios, wie sie eine Lösung fanden. Bei einem Treffen am Flughafen Sevilla hantierten sie mit verschiedenen Accessoires mit Bezug zur Oper. Als der zündende Gedanke ausblieb, warf Es Devlin entnervt einen Stapel Karten in die Luft. Das war’s! Das Bühnenbild bezieht sich damit auf eine Szene im dritten Akt, bei der Carmen und ihre Freundinnen die Karten nach ihrer Zukunft befragen.
Nun ragen zwei riesige Frauenhände aus dem Bodensee. Das Kartenspiel, das sie halten sollen, fliegt durch die Luft. Die 59 Karten am Boden und in der Luft bieten den Sängern nicht nur jede Menge Spielflächen. Sie können sich zudem bewegen und dienen als Projektionsflächen für Videos. Als Soundwände fungieren die Flying Cards obendrein: Überall sind Lautsprecher versteckt.