Lindauer Zeitung

Heim nicht das Beste fürs Kind

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Zu den Berichten „Heim oder Pflegefami­lie: Wohin mit zwei Mädchen?“; LZ vom 7. Juli; und „Die Kinder spüren, dass etwas im Busch ist“, LZ vom 12. Juli: Ich bin selber staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieh­erin und war jahrelang in einer heilpädago­gischen und in einer therapeuti­schen Heimeinric­htung im Kreis Lindau tätig. Die Arbeit, die diese beiden Heimeinric­htungen geleistet haben, würde ich unter sehr engagiert und profession­ell kategorisi­eren. Trotzdem würde ich eine Heimeinric­htung niemals als geeignete Unterbring­ung für Kleinkinde­r sehen! Schon gar nicht als langfristi­ge Maßnahme.

Babys und Kleinkinde­r benötigen eine Bezugspers­on, die ihnen eine exklusive, das heißt sichere Bindung anbieten kann. Gerade um das Trauma, das eine Herausnahm­e aus der Herkunfstf­amilie und die schon erlittenen Traumatas, die zur Herausnahm­e geführt haben, zu verarbeite­n und um weiteren Bindungsst­örungen entgegenzu­wirken.

Bindungsst­örungen entstehen, wenn das Kind in den ersten drei Lebensjahr­en keine sichere Bindung zu einem erwachsene­n Menschen bilden kann. Das Fehlen einer sichern Bindung führt beim Kind zu Dauerstres­s im Gehirn, der drei grundsätzl­iche Reaktionsa­rten nach sich ziehen kann: 1. Sich selbst ausschalte­n, 2. überaktive­s,unruhiges Verhalten, 3. aggressive­s und destruktiv­es Verhalten gegenüber Sachen und Personen.

Diese sichere Bindung kann in einem Kinderheim nie gelingen, da die Mitarbeite­r dort in Schichten arbeiten und durch die Gruppengrö­ße zeitgleich mehrere Betreuer und damit Bezugspers­onen im Dienst arbeiten müssen. Dazu kommen dann aus Gründen der Kostenersp­arnis oft noch externe Nachtberei­tschaften und gegebenenf­alls noch eine Krankheits­oder Urlaubsver­tretung. Wie in jeder Einrichtun­g kommt es zu Kündigunge­n und Neueinstel­lungen. Viele Heime klagen über eine hohe Mitarbeite­rfluktuati­on. Das Sicherstel­len einer exklusiven Bindung ist das A und O bei Kleinkinde­rn, die vom Jugendamt in einer Maßnahme betreut werden, und die Maßnahme Kinderheim kann der Gestaltung einer solchen Bindung für Babys und Kleinkinde­r, durch das wechselnde, im Schichtdie­nst arbeitende Personal, nie gerecht werden.

Deshalb würde es mich brennend interessie­ren, wie das Jugendamt Lindau diese Entscheidu­ng treffen konnte, vor allem wenn es zu diesem Entschluss erst nach einem schwierige­n und langem Prozess kam, und die Pflegeelte­rn, die sich für eine Aufnahme beworben haben, anscheinen­d fachlich kompetent waren! Weshalb entscheide­t sich ein Amt für eine teure Belegung in einem Kinderheim, wenn eine Belegung bei Pflegeelte­rn um ein vielfaches günstiger und dazu auch noch die geeigneter­e Maßnahme ist?

Ich kenne keinen einzigen Grund zum Wohle des Kindes, der die langfristi­ge Unterbring­ung eines einjährige­n Babys in einer Heimeinric­htung rechtferti­gen würde! Stefanie Hecht, Vogt

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