Bildersturm über Lindau?
Vor 500 Jahren hält in Lindau die Reformation Einzug: Dabei ändern sich die Bilder in den Kirchen
LINDAU (lz) - Eine Welt ohne Bilder können wir uns nicht vorstellen, Bilder sind allgegenwärtig. Auch in Glaubensangelegenheiten sind es kraftvolle Bilder, die berühren und zum Innehalten bringen. Christophorus-Medaillen im Auto-Cockpit, Kruzifixe in Krankenzimmern oder eine Fotografie des Papstes am Kirchentag erfüllen religiöse Bedürfnisse und sind Ausdruck des Glaubens für Christen heute. Gleichzeitig geben prunkvolle Kirchenaltäre und detailreiche Heiligenbilder auch Einblick in das geistige Leben der Menschen vergangener Epochen. Doch dass diese Zeugnisse bis heute erhalten geblieben sind, ist keine Selbstverständlichkeit.
Als vor 500 Jahren die Reformation ihren Anfang nahm, wirkte sie sich sowohl politisch, als auch auf den religiösen Alltag der Menschen aus. Ein damals wichtiger Streitpunkt zwischen Katholiken und Protestanten war die Abkehr von bildlichen Darstellungen in den Kirchen.
Für Reformatoren zählt das Wort
Bereits Jahrhunderte zuvor wurde über das alttestamentarische Gebot „Du sollst dir kein Bildnis von Gott machen“immer wieder diskutiert. Für viele Theologen waren bildliche Darstellungen unnötige Ablenkung vom Wesentlichen. Im Volksglauben jedoch hatten sie eine hilfreiche Funktion, ermöglichten sie es doch, den Glauben bildlich auch in den Alltag zu integrieren und zentrale theologische Inhalte leicht verständlich zu vermitteln.
Mit der Reformation wurden Bilder als religiöser Ausdruck wieder in Frage gestellt. Martin Luther sah in Bildern zunächst ein Werkzeug. Richtig angewendet könnten sie das Verständnis der Gläubigen fördern, falsch angewendet würde aus der bildlichen Heiligenverehrung ein Götzendienst. Der richtige Umgang sei entscheidend. Der Schweizer Reformator Ulrich (Huldrych) Zwingli hatte hier eine strengere Auffassung: Das Stiften von Bildern an Kirchen wecke ein falsches Heilsvertrauen, weil man als Stifter davon ausgehe, durch dergleichen oberflächlich gute Taten könne man sein Heil erlangen. Ebenso könne die an Verehrung grenzende Betrachtung der Bilder schwache Gläubige dazu verführen, das Heil im Bild, statt direkt bei Gott zu suchen. Gleichzeitig stellt Zwingli die soziale Forderung auf, die Geistlichen sollten ihr Geld der Armenfürsorge statt dem Erwerb von Kunstwerken widmen. Auch empfand er die sinnliche Darstellung der Heiligenfiguren als unangemessen aufreizend. Wahre Gottesverehrung sei so nur ohne Bilder möglich, folglich müssten alle Bilder und Skulpturen aus den Kirchen entfernt werden.
Bildersturm im Juni 1530
Die Lindauer und ihr Pfarrer Thomas Gassner standen zu jener Zeit eher der zwinglianischen Auffassung als derjenigen Luthers nahe. Und so wundert es nicht, dass es im Juni 1530 zum „Bildersturm“in der St. Stephanskirche kam. Wobei von einem Sturm – im Sinne einer spontanen, gewaltsamen Vernichtung – nicht die Rede sein kann. Im Gegenteil wurden die Bilder und Altäre wohl planvoll und geordnet entfernt. Seither sind die wertvollen Kunstwerke verschollen; wahrscheinlich wurde das meiste zerstört. Auch von den sechs oder sieben Altären ist keiner erhalten geblieben. Nur die erst zwei Jahre zuvor erbaute Kirchenorgel wurde auf Betreiben des Bürgermeister Calixt Hünlin nicht vernichtet. Erst ab dem 17. Jahrhundert hielten wieder Bilder Einzug in die Kirche. Im Gegensatz dazu wurden die Bilder in der heutigen Peterskirche und dem Barfüßerkloster (heute das Stadttheater) nicht zerstört. Sie wurden schlicht ignoriert. Die Peterskirche wurde zwei Jahre vor dem Bildersturm nicht mehr für religiöse Zwecke genutzt. Die Fresken an der Wand, die um 1500 durch die Hand des Lindauer Malers Matheis Miller entstanden sind, gerieten in Vergessenheit. Erst 1849 wurden sie wiederentdeckt und im Laufe der Zeit immer wieder restauriert, zuletzt 1965. Dass wir sie heute noch bewundern können, verdanken wir also glücklichen Umständen. Schaut man sich die Fresken in der Peterskirche heute an, lässt sich das Ausmaß des Verlusts an sakraler Kunst für die Nachwelt erahnen. Aber wer weiß, was in Lindauer Kellern und Dachböden noch so alles schlummert.