Lindauer Zeitung

Historisch­er Drahtseila­kt in Kempten

Die St.-Mang-Kirche hat neue Glocken, die die Jahrhunder­te alten Exemplare entlasten sollen

- Von Simone Härtle

KEMPTEN - „Das ist ein historisch­es Ereignis“, sagt Pfarrer Hartmut Lauterbach und beobachtet die „Semper Reformanda“, wie sie gut 50 Meter über ihm in der Luft schwebt. Sie ist mit 506 Kilogramm die kleinste der drei Glocken, die am Dienstag mit einem Autokran in den Turm der evangelisc­hen St.-Mang-Kirche in Kempten gehievt wurden. Für die Gemeinde ist das ein großer Tag, schließlic­h sollen die neuen Glocken mehrere Jahrhunder­te halten. Um sie nach oben zu bringen, musste eigens das Schallfens­ter auf der Südseite des Turms erweitert werden.

Schon seit mehr als 600 Jahren tut die älteste Glocke im Geläut der gotischen Kirche ihren Dienst. Spurlos ging das nicht an ihr vorüber. Um sie und das übrige historisch­e Geläut der Kirche zu schonen und zu erhalten, ließ die Gemeinde drei neue Glocken aus Bronze gießen. Die größte wiegt 1134 Kilogramm und trägt den Namen „Concordia Mundi“– Eintracht der Welt. Auf ihr sind Kinderzeic­hnungen zu sehen, die Schüler der Grundschul­e an der Sutt zum Thema Frieden malten.

Nacheinand­er werden die Glocken an den Haken des Krans gehängt und nach oben gebracht. Dafür musste das Maßwerk auf der Südseite des Turms ausgebaut werden, andernfall­s hätten die Glocken nicht durch die Öffnung gepasst. Auch der historisch­e Glockenstu­hl wurde bei der Sanierung für fünf Glocken verstärkt, erklärt Architekt Matthias Weber.

Präzisions­arbeit ist das Einschwenk­en und Aufbauen dennoch: „Das ist eine knifflige Angelegenh­eit“, sagt Glockenbau­er Peter Lorenz aus Augsburg. Zwei Wochen Arbeit brauche es noch, bis die Glocken fest verankert sind. Lorenz ist es auch, der jede Glocke vor ihrem „Flug“nach oben dreimal mit dem Hammer anschlägt – das ist so Tradition. Richtig läuten werden die „Neuen“erstmals am Reformatio­nstag, dem 31. Oktober, um genau 15.17 Uhr – in Anlehnung ans Reformatio­nsjahr 1517. Bevor die drei neuen Glocken in den Turm gebracht werden können, muss eine alte ihren Platz Räumen: Die Friedensgl­ocke „Pax“aus dem Jahr 1948 hat ausgedient, ihr Klang passe nicht zu den Bronzegloc­ken. Sie wird fortan als Friedensde­nkmal auf dem St.-MangPlatz stehen.

Alles in allem fallen Kosten in Höhe von 235 000 Euro an. Geplant waren nur 170 000 Euro. Nach Rücksprach­e mit dem Glockensac­hverständi­gen fielen die Glocken schwerer aus als gedacht. So ist der Klang satter und passt besser zu den historisch­en Glocken. Finanziert wird das Projekt hauptsächl­ich durch Spenden. Lauterbach ist zuversicht­lich, dass das nötige Geld zusammenko­mmt.

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FOTOS (4): RALF LIENERT Viele Zuschauer haben sich am Dienstag auf dem St.-Mang-Platz in Kempten versammelt: Sie wollten sehen, wie die drei neuen Glocken angeschlag­en und in den Turm gehievt werden.
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