Zwischen Vollgas und Granteln
Der viermalige Formel-1-Weltmeister will Lewis Hamilton das Heimrennen in Großbritannien verderben
SILVERSTONE (SID/dpa) - Alleine der Gedanke an Silverstone zaubert Sebastian Vettel schon ein breites Grinsen ins Gesicht. „Ich freue mich sehr auf das Rennen. Mit den Autos dieses Jahr sollte das sehr viel Spaß machen“, sagte der WM-Spitzenreiter vor dem Großen Preis von Großbritannien am Sonntag (14.00 Uhr/ RTL und Sky): „Silverstone ist eine der besten Strecken überhaupt.“
Warum der Ferrari-Star vor der Reise nach England so euphorisch ist? Die neuen Formel-1-Boliden ermöglichen es erstmals, die rasanten Kurvenkombinationen auf dem Hochgeschwindigkeitskurs nordwestlich von London mit Vollgas zu fahren. „Ich freue mich sehr auf diese schnellen Kurven, denn gerade da ist unser Auto in diesem Jahr wirklich sehr stark“, betonte der 30-Jährige aus Heppenheim.
Während Mercedes auf den Geraden zuletzt die Nase vorne hatte, ist es Ferrari gelungen, in den Kurven kaum Geschwindigkeit zu verlieren. Auf der Traditionsstrecke könnte dies ein Vorteil sein – das glaubt auch der viermalige Weltmeister Vettel. Die Frage, welche Kurven man mit Höchstgeschwindigkeit fahren kann, sei laut Vettel die falsche. „Man muss eher fragen, bei welchen man das nicht kann“, sagte er – und grinste erneut.
Der Hesse kommt nach seinem zweiten Platz in Österreich mit 20 Punkten Vorsprung auf MercedesPilot Lewis Hamilton, der in Spielberg nur Vierter wurde. Der Brite konnte bei seinem Heimspiel in den vergangenen drei Jahren allerdings jeweils gewinnen, zudem stand der Mercedes-Fahrer so oft wie kein anderer auf der Pole Position, nämlich viermal. Denn das Home of British Motor Racing ist Hamiltons Reich: 2008, 2014, 2015 und 2016 gewann der mittlerweile 32-Jährige vor seinen Fans. Die Ehrenrunde mit dem wehenden Union Jack will sich der dreimalige Champion und 56-malige Grand-Prix-Gewinner auch am Sonntag nicht nehmen lassen. „Ich kann es kaum erwarten, meine heimischen Fans zu sehen und mit einem frischen Blatt Papier zu beginnen“, sagt Hamilton. „Hoffentlich kann ich Silverstone als Sprungbrett für die zweite Saisonhälfte nutzen.“
Vettel hingegen feierte in Silverstone erst einen Sieg (2009). Die Scuderia bewies jedoch in den vergangenen Wochen, dass sie mit den Silberpfeilen auf Augenhöhe ist.
Der 45-malige Grand-Prix-Sieger musste sich Hamiltons Teamkollege Valtteri Bottas (Finnland) auf dem Red-Bull-Ring um nur 0,6 Sekunden geschlagen geben und konnte mit dem Resultat schwer leben. Vettel wollte einfach nicht einsehen, dass Bottas keinen Frühstart hinlegte und zeterte nach dem Rennen auf eine schwer nachvollziehbare Weise. Der viermalige Formel-1-Weltmeister meckerte, grantelte – und verspielte schon wieder viele Sympathien.
Wie ein trotziges Kind vertrat der Zweitplatzierte seinen Standpunkt und ließ sich selbst von der Datenanalyse des Weltverbandes FIA nicht überzeugen. „Ich sage, dass ich es nicht glaube, weil ich es eben nicht
glaube“, betonte Vettel. Die Medien reagierten. „Vettel wettert wieder“, titelte der Schweizer „Blick“.
Es dauerte lange, bis der Heppenheimer doch etwas Freude empfinden konnte. „Mit ein bisschen Abstand schaue ich zurück und sage, dass es ein sehr, sehr schönes Wochenende war.“Trotzdem ärgerte ihn sein zweiter Platz maßlos. Es wirkt, als fresse der Ehrgeiz Vettel förmlich auf.
Der zweifache Vater zeigte sich durch sein Verhalten nur zwei Wochen nach seinem viel diskutierten Rammstoß gegen Hamilton in Baku äußerst verbissen. Dabei muss er sich nun wohl endgültig damit abfinden, dass Hamilton nicht sein einziger Rivale im Kampf um die Weltmeisterschaft ist. Bottas rückt als Drittplatzierter mit nur noch 35 Punkten Rückstand immer näher heran.
Zumindest öffentlich interessiert ihn das aber nicht. „Ich gucke mir die Punkte nicht an. Für alle Zuschauer ist es aber sicher besser, wenn mehr da vorne rumfahren“, sagte Vettel, der weiteres Verbesserungspotenzial bei seinem Team sieht: „Wir müssen im Qualifying noch ein bisschen zulegen, da kann Mercedes mehr Leistung abrufen.“
Erst einmal stand Vettel in den bisherigen neun Rennen auf der Pole Position, kurz vor Halbzeit der Saison gehe es aber „in die richtige Richtung“, meinte er: „Silverstone war in der Vergangenheit eigentlich ein gutes Pflaster für Ferrari, hoffentlich auch dieses Jahr.“Denn eines will Vettel nicht schon wieder nach seinem viel diskutierten Wutrempler in Baku gegen Hamilton und der FehlstartDiskussion um Bottas: schlechte Laune.
„Ich freue mich sehr auf das Rennen. Mit den Autos dieses Jahr sollte das sehr viel Spaß machen.“ Sebastian Vettel