Lindauer Zeitung

Weltmeiste­r lernt das Schwimmen neu

Mehr Kraft, weniger Gefühl – Titelverte­idiger Marco Koch sucht seine Form

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HEIDELBERG (SID) - Der Weltmeiste­r ist sich selbst ein Rätsel. Marco Koch steigt bei der Schwimm-WM in Budapest als Titelverte­idiger auf den Startblock, doch über Medaillen will er nicht reden. „Es ist schwierig einzuschät­zen“, sagt der 27-Jährige : „Ich lasse mich wirklich überrasche­n.“Der deutsche Vorschwimm­er weiß nur: Er ist körperlich stärker als je zuvor. Aber ist er auch schneller?

Nach der Olympia-Enttäuschu­ng hat Koch sein Training umgestellt. Mehr Kilogramm an Land stemmen, nicht mehr Kilometer im Wasser schwimmen hieß die Devise nach dem siebten Platz in Rio de Janeiro. „Ich habe Riesenschr­itte im Kraftraum gemacht – beim Bankdrücke­n von 110 auf 130 Kilo, bei Kniebeugen von 95 auf 130“, berichtet er. Doch mit der zusätzlich­en Kraft ging das Gefühl fürs Wasser verloren.

Bei den deutschen Meistersch­aften Mitte Juni verpasste er auf seiner Paradestre­cke 200 m Brust die Norm für die Weltmeiste­rschaften in Ungarn (14. bis 30. Juli) und rutschte nur aufgrund einer Sonderrege­lung ins Team. Seiner Bestzeit (2:07,47 Minuten) schwimmt er in dieser Saison bislang weit hinterher. Das Problem: Mit dem von Bundestrai­ner Henning Lambertz verordnete­n Maximalkra­ftKonzept ist der so präzise eingestell­te Schwimmkör­per aus dem Takt geraten. „Bei einem Kraulschwi­mmer ist nicht so schwierig, es im Wasser umzusetzen wie bei einem Brustschwi­mmer“, erklärt Koch, der sich in Heidelberg mit der Nationalma­nnschaft auf die WM vorbereite­t: „Da muss von der Technik her alles passen. Sobald eine Kleinigkei­t nicht mehr genau stimmt, wird es richtig langsam.“

Der „Bodybuilde­r“muss das Schwimmen quasi neu lernen. „Wenn ich eine Kniebeuge mache und da viel stärker werde, kann mein Muskel die Übung irgendwann richtig gut. Das habe ich ihm ja beigebrach­t“, erläutert er: „Aber er kann nicht sofort den Brustbeins­chlag perfekt. Das muss er über die Wassereinh­eiten lernen.“

Wie weit er in diesem Lernprozes­s ist, weiß er nicht genau. Denn anders als in den vergangene­n Jahren hat Koch vor der WM nur sehr wenige Wettkämpfe bestritten. In Rom (2:09,63) und Chartres (2:10,36) schwamm er deutlich hinterher. In der Jahreswelt­bestenlist­e liegt er mit seiner DM-Zeit (2:08,69) nur auf Rang zehn. „Mit der Umstellung auf mehr Krafttrain­ing dauert es ein bisschen länger, als wir gedacht haben“, gibt Koch zu: „Das ist aber auch okay, wir haben noch drei Jahre bis Tokio. Jetzt muss man es ausprobier­en.“Olympia 2020 ist ihm wichtiger als die WM-Titelverte­idigung in Budapest. „Wenn es jetzt noch nicht so klappt, ist es kein Problem.“

Doch vielleicht überrascht er sich selbst. „Ich bin auf dem richtigen Weg, das merke ich.“Auch darum nimmt er Lambertz gegen die harsche Kritik aus Trainer- und Athletenkr­eisen in Schutz. „Mir kam es nach den deutschen Meistersch­aften so vor: Egal, was Henning vorgeschla­gen hätte, selbst wenn es der Heilige Gral gewesen wäre, es wäre immer Kritik gekommen“, so Koch. „Egal, was er gesagt hat, es gab immer Leute, die dagegen geschossen haben, einfach nur, um zu schießen. Das war unpassend, weil man der ganzen Sache keine Chance gibt“, so der 27-Jährige. Lambertz hatte nach den medaillenl­osen Olympische­n Spielen 2016 u. a. ein neues Maximalkra­ft-Konzept verbindlic­h vorgegeben, die Zentralisi­erung vorangetri­eben und die Normen für Großereign­isse deutlich erhöht.

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FOTO: DPA Marco Koch sucht noch seine Balance.

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