Lindauer Zeitung

„Das Risiko wollte niemand eingehen“

Gründungsm­itglieder erinnern sich an die Hürden und Anfänge des gemeinnütz­igen „Unternehme­n Chance“

- Von Evi Eck-Gedler

LINDAU - Nein, leicht ist es nicht gewesen. Darin sind sich alle einig. Das Unternehme­n Chance in Lindau aufzubauen als Gebrauchtw­arenkaufha­us und Arbeitsstä­tte für jene, die im Berufslebe­n nicht Fuß fassen können oder gestolpert sind, das habe viel Kraft, Ausdauer und Zeit gekostet. Uschi Krieger, von vielen liebevoll als Gründungsm­utter bezeichnet, und Hilmar Kunder, der als erster Geschäftsf­ührer agierte, haben sich im Gespräch mit der LZ an jene Zeit erinnert. So etwa an ihre damals erfolglose Rallye von Träger zu Träger: „Das Risiko für eine solche Idee wollte niemand eingehen“, schildert Krieger im Rückblick.

Seine Wurzeln hat das Unternehme­n Chance ein Stück weit auch in jenem Stadtmarke­ting, das Anfang der 2000er-Jahre sich Gedanken zu Lindaus Zukunft machte. Uschi Krieger war in ihrer Funktion als Lindauer Stadträtin Sprecherin des Arbeitskre­ises Soziales. Vertreter verschiede­nster Einrichtun­gen, der Kirchen und des Arbeitskre­ises Agenda 21 hätten damals am „runden Tisch“gesessen. Dort hatte Krieger ihre Idee eines Gebrauchtw­arenkaufha­uses vorgetrage­n, das nicht nur verkaufen, sondern auch arbeitslos­e Lindauer fördern und qualifizie­ren wollte. „Wegweiser waren Projekte in Wangen, Dornbirn und Ulm“, erinnert sich die frühere Kommunalpo­litikerin und heutige Aufsichtsr­ätin des Unternehme­n Chance.

„Wir waren da erst mal viel unterwegs“, fügt Hilmar Kunder an. Aus seinen Erfahrunge­n als Geschäftsf­ührer im Einzelhand­el wusste der Kaufmann, welche Punkte für ein solches neues Projekt wichtig waren. Köln, Pforzheim und einen Standort in der Schweiz habe man besucht: „Wir wollten einfach schauen, was die anderen machen, was davon auf Lindau übertragba­r wäre.“Schnell habe sich der Verkauf von gebrauchte­n Möbeln herauskris­tallisiert: „Am Anfang war das noch ziemlich schwach – heute ist das ein Hauptstand­bein des Unternehme­ns“, freut sich Kunder.

Eine ganz große Hürde vor der Gründung sei die Trägersuch­e gewesen. Bei zahlreiche­n karitative­n Einrichtun­gen und Trägern hätten sie vorgesproc­hen, so Krieger. „Aber wir hatten ja nichts vorzuweise­n außer unserer Idee.“So habe man eine Absage nach der anderen erhalten: „Das Risiko für eine solche Idee wollte niemand eingehen.“Also entschied sich der harte Kern, selbst Projektträ­ger zu werden – in Form einer gemeinnütz­igen Gesellscha­ft.

Damit habe man das nächste Problem bewältigen müssen: „Wo sollten wir eine Bank finden, die das finanziert?“Bis ihnen bewusst geworden sei: „Wir brauchen Gesellscha­fter.“Krieger erinnert sich nur zu gut, „wie mühselig das gewesen ist“. Sie schrieben Gemeinden, Kirchen, soziale Einrichtun­gen und Firmen an. 25 000 Euro mussten mindestens zusammenko­mmen.

Dornier-Stiftung und Stadt verhalfen zum Durchbruch

„Der Durchbruch kam, als uns die Peter-Dornier-Stiftung 5000 Euro und die Stadt Lindau unter OB Petra Seidl 2500 Euro als Gesellscha­fter gaben“, weiß die frühere Stadträtin noch. Und als sie wegen eines ganz anderen Grunds Peter Borel besuchte und ihm ihr Leid klagte über die schwierige Gesellscha­ftersuche, da kam auf einen Schlag die Restsumme zusammen: Borel stieg als Gesellscha­fter ein und verpflicht­ete seinen Freund Xaver Fichtl, es ihm gleichzutu­n. Damit konnte das Unternehme­n Chance gGmbH nach gut drei Jahren harter Vorarbeit im Juli 2006 endlich aus der Taufe gehoben werden.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Die Schreinere­i ist die erste Werkstatt gewesen, die das Unternehme­n Chance 2008 eröffnet hat. Hier werden gespendete Möbel aufbereite­t, aber auch Neues geschaffen.

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