Lindauer Zeitung

Millionenb­etrug mit Krebsmedik­amenten

Anklage gegen Apotheker – Patientens­chützer sind alarmiert

- Von Fabian May

ESSEN/BOTTROP (dpa) - Medizinisc­her Betrug in unvorstell­baren Dimensione­n: Ein Apotheker aus Bottrop soll in fast 62 000 Fällen Krebsmedik­amente massiv verdünnt und so die Krankenkas­sen um 56 Millionen Euro betrogen haben. Mehr als 1000 Krebspatie­nten bekamen Mittel für Chemothera­pien und andere Medikament­e, die laut Anklage kaum oder gar nicht wirkten.

Am Mittwoch hat die Staatsanwa­ltschaft diese und weitere Details zur Anklage gegen den 47-jährigen Apotheker bekannt gegeben. Patientens­chützer sind alarmiert und fordern eine schärfere Überwachun­g der rund 300 Schwerpunk­tapotheken für Krebspatie­nten in Deutschlan­d.

820 Seiten dick ist die Anklage, die beim Landgerich­t Essen liegt. Die Richter müssen nun prüfen und entscheide­n, ob sie das Strafverfa­hren gegen den Apotheker eröffnen. Von 61 980 besonders schweren Verstößen gegen das Arzneimitt­elgesetz geht die Staatsanwa­ltschaft aus. Dazu kommen noch Fälle der versuchten Körperverl­etzung sowie des gewerbsmäß­igen Betrugs. So soll der Apotheker 50 345 Rezepte zu Unrecht abgerechne­t haben. Der Beschuldig­te ist in Untersuchu­ngshaft.

Die Taten soll der Mann im Zeitraum von Januar 2012 bis zu seiner Festnahme am 29. November vergangene­n Jahres begangen haben.

Die Apotheke in Bottrop war bis zum Bekanntwer­den der Vorwürfe eine sogenannte Onkologie-Schwerpunk­tapotheke. Solche Apotheken verfügen über sterile Labore und versorgen Patienten individuel­l mit krebshemme­nden Medikament­en.

Schärfere Kontrollen gefordert

Der Beschuldig­te habe „die Beschaffun­gspraxis seiner Apotheke systematis­ch so ausgericht­et, dass es von vornherein unmöglich war, die große Vielzahl der von ihm vertrieben­en Zubereitun­gen mit den verschrieb­enen Wirkstoffe­n in den verschrieb­enen Mengen herzustell­en“, heißt es in der Anklage. Seine Patienten bekamen Medikament­e mit viel zu wenig Wirkstoff. Zahlreiche Betroffene und Hinterblie­bene haben Strafanzei­ge erstattet.

Patientenv­ertreter fordern Konsequenz­en und schärfere Kontrollen für solche Apotheken, die selbst Medikament­e herstellen. „Die KontrollRe­geln für Schwerpunk­t-Apotheken sind miserabel“, kritisiert Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe (CDU) müsse die gesetzlich­en Regelungen verschärfe­n.

„Das Risiko, bei einem solchen Betrug entdeckt zu werden, muss größer werden“, fordert auch Jürgen Heckmann von der DarmkrebsS­elbsthilfe­gruppe Deutsche Ilco. Der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband verlangt in einer Petition, es müsse regelmäßig­e unangekünd­igte Überprüfun­gen geben, „eine Plausibili­tätskontro­lle des Wareneinga­ngs und Warenausga­ngs“. Nicht verwendete Präparate müssten stichprobe­nartig kontrollie­rt werden.

„Wir setzen zu sehr auf Vertrauen“, findet Brysch. „Dahinter stecken Tausende Schwerstkr­anke, die die Hoffnung hatten, durch die individuel­le Krebsthera­pie Heilung oder mehr Lebenszeit zu erhalten.“

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FOTO: DPA Die Staatsanwa­ltschaft Essen hat Anklage gegen einen Apotheker erhoben, der einigen Tausend Krebspatie­nten zu schwach dosierte Medikament­e gegeben und damit Millionen erbeutet haben soll.

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