Exilio sammelt weiter Spenden
Umstrittene Lindauer Einrichtung bittet um Geld, um Therapien für Flüchtlinge zu finanzieren
LINDAU - Es wird einsam um den Lindauer Flüchtlingshilfsverein Exilio. Dachverbände rücken von ihm ab, im Integrationsbeirat des Landkreises ist er nicht mehr vertreten, Hilfsorganisationen haben ihn von Empfängerlisten gestrichen, die Mitgliederzahl ist auf 16 geschrumpft.
Von staatlichen Stellen in Deutschland erhält der vom Therapeutenpaar Axel und Gisela von Maltitz dominierte Verein kein Geld mehr, seit die „Allgäuer Zeitung“– teils gemeinsam mit der „Süddeutschen Zeitung“– Missstände aufgedeckt hat. Aus Brüssel dagegen ist in den vergangenen Monaten Fördergeld an Exilio geflossen (siehe Kasten). Aktuell wirbt der Verein um Spenden für Therapien von Folteropfern. Eine solche erhielt in Lindau auch der Mann, der sich vor einem Jahr in Ansbach in die Luft gesprengt hatte.
Das Selbstmordattentat brachte nicht nur Exilio deutschlandweit ins Gespräch, sondern warf auch Fragen zur Qualifikation des Heilpraktikers Axel von Maltitz auf, der damals auch in staatlichem Auftrag schwer traumatisierte Menschen behandelt hatte. Infolge dieser Kritik legte das Sozialministerium Mindeststandards für staatlich finanzierte Therapien fest – diesen entspricht der ExilioTherapeut aber nicht.
„Primärtherapie“
Von Maltitz hat den „kleinen Heilpraktikerschein“, der in Kursen innerhalb von wenigen Wochen erlangt werden kann. Als Zusatzqualifikation gibt er die wissenschaftlich nicht anerkannte Methode „Primärtherapie“an. Laut Elise Bittenbinder von der Dachorganisation „Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer“(BafF) benötigen jedoch Therapeuten, die mit Folteropfern arbeiten, eine Qualifikation in einem wissenschaftlich anerkannten Verfahren, etwa der Psychoanalyse.
Ungeachtet dessen warb Exilio jüngst per Rundmail um Geld für die Behandlung von Folteropfern. Dem Spendenaufruf sind ein Überweisungsformular und ein Infoblatt angehängt, das auch Fotos von verstümmelten Menschen zeigt. Über die Kampagne empören sich Flüchtlingshelfer aus der Region. Wie kann eine Einrichtung, der neben Behörden und ehemaligen Mitstreitern auch Flüchtlinge unseriöse Geschäftspraktiken bescheinigen, erneut an das Mitgefühl von Menschen appellieren und um Geld bitten, fragen sie. Zudem wandte sich der Verein an Rundfunkjournalisten – aus Anlass des sich jährenden Attentats von Ansbach, obwohl die daraus resultierende Bekanntheit für Exilio negative Folgen hatte.
Der naheliegende Grund: Dem Verein sind Einnahmequellen versiegt. Neben staatlichen Stellen hat sich auch die frühere Schirmherrin und Spenderin Cornelia Funke als Geldgeberin zurückgezogen. Ebenso die Aktion Mensch. Sie überwies früher sechsstellige Summen und forderte von Exilio nach Bekanntwerden der Vorwürfe vergeblich die strikte Trennung zwischen gemeinnützigen und privatwirtschaftlichen Aktivitäten. Hintergrund: Die Familie von Maltitz besetzt im Exilio-Geflecht mehrere Rollen.
Das Ehepaar vermietet als Hauseigentümer Räume an den Verein. Gisela von Maltitz vergibt als Geschäftsführerin Therapieaufträge an ihren Mann und überweist ihm vom Exilio-Konto die Honorare: meist 5000 bis 6000 Euro pro Therapie.
Was zu Spannungen zwischen Exilio und der Dachorganisation BafF geführt hat, ist von deren Vorsitzender Elise Bittenbinder nicht zu erfahren. Fakt ist, dass die Mitgliedschaft Exilios im Dachverband ruht. Laut BafF-Satzung kann der Vorstand das Ruhen der Mitgliedschaft aussprechen, wenn ein Mitglied dem Verband schadet oder Beiträge schuldig bleibt. Zahlungsversäumnisse hat es angeblich bei einem anderen Dachverband, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, gegeben. Seit Januar gehört ihm Exilio nicht mehr an.
Auftrag entzogen
Als dessen Mitglied konnte Exilio die vom Freistaat finanzierte Asylsozialberatung in Gemeinschafts-Flüchtlingsunterkünften leisten. Diesen Auftrag hat das Sozialministerium dem Verein 2015 entzogen – nach Zeitungsartikeln über Klagen von Helfern, Behörden und Landrat Elmar Stegmann über fragwürdigen Umgang mit Flüchtlingen sowie unkooperatives Verhalten. Gegen den Entzug der Asylsozialberatung klagte Exilio beim Verwaltungsgericht. Nach dem Ausscheiden aus dem Paritätischen Wohlfahrtsverband ist die Klage aber wohl aussichtslos.
Erfolglos verlief eine weitere Aktion: Auf mehrsprachigen, in Unterkünften des Landkreises Lindau verteilten Flugblättern versprach Exilio den Flüchtlingen Unterstützung. Helfer machten das Landratsamt darauf aufmerksam, die Behörde unterband daraufhin die Werbung.
Menschen, die mit Spenden Therapien für traumatisierte Flüchtlinge unterstützen möchten, erkennen laut Dachverband BafF seriöse Stellen an verschiedenen Kriterien – etwa daran, ob sie transparent darstellen, „wer dort nach welchen wissenschaftlichen Methoden arbeitet“, und ob sie ihre Tätigkeiten mit Jahresberichten belegen.