Ein Zeichen der Schwäche
Wenn eine Regierung Journalisten vor Gericht stellen lässt, weil sie deren Kritik nicht verträgt, ist das ein Zeichen der Schwäche. Das ist der wichtigste Schluss aus dem ersten Tag des „Cumhuriyet“-Prozesses. Die absurde Terroranklage gegen die Mannschaft des Oppositionsblatts zeigt, dass die Behörden nur die unbequemen Stimmen zum Schweigen bringen wollen.
Erdogans Regierung argumentiert, in Verfahren wie diesem gehe es nicht um Pressefreiheit, sondern um terroristische Machenschaften. Der Hinweis wäre berechtigt, wenn die Journalisten Mordpläne geschmiedet hätten. Doch das behauptet nicht einmal die Staatsanwaltschaft. Was Ankara übersieht, ist die Tatsache, dass der Terrorbegriff auf gewaltlose Meinungsäußerungen ausgedehnt wird. Das erlaubt die Verfolgung jeder Kritik. Die Kontrollfunktion durch die Justiz ist außer Kraft gesetzt, weil die Regierung viele Justizbeamte entlassen hat, und weil nicht genehme Urteile häufig die Entfernung der zuständigen Richter zur Folge haben. Das Verfassungsgericht in Ankara ist zu schwach, um der Regierung etwas entgegenzusetzen.
Der Prozess findet in einer Zeit statt, in der das Ergebnis des umstrittenen Referendums und der kürzliche Protestmarsch der Opposition zeigen, dass eine wachsende Zahl von Menschen im Land nicht einverstanden ist mit dem Kurs des Präsidenten. Das Verfahren gegen die Journalisten ist der Versuch, diese Unzufriedenheit zu verbieten – das macht den Prozess erst recht zu einem Armutszeugnis.