„Das, was Sie hier machen, ist Heimatpflege“
Claudia Roth verbringt einen schönen Nachmittag auf dem Weingut Deufel
LINDAU-SCHACHEN (isa)- Es ist ein großes Hallo, mit dem Claudia Roth von Christian Schabronat, Georg Schwarz, Werner Lettmeier und einigen Mitgliedern vom GrünenKreisverband Lindau begrüßt wird. Kein Wunder, ist die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages doch eine langjährige Freundin des Kreisverbands und jedes Jahr im Landkreis zu Besuch. Das ist auch der Grund, warum das Vorstandsteam ihr einfach einen schönen Nachmittag bereiten will. Und dafür hat es das Weingut Deufel in Schachen ausgesucht, wo die junge Winzerin Teresa Deufel ihre Weinberge biologisch-organisch bewirtschaftet. Um es gleich vorweg zu nehmen: Es ist ein schöner Nachmittag geworden. Einer, bei dem die Grünen-Politikerin feine Weine zu kosten bekommen und dabei noch jede Menge über Bio-Weinbau in Zeiten des Klimawandels erfahren hat.
Es regnet in Strömen. Eigentlich war geplant mit Claudia Roth durch die Weinberge am Ringoldsberg zu spazieren, um dann inmitten der Reben zu sitzen und bei einer zünftigen Brotzeit die Weine von Teresa Deufel zu probieren. Doch daraus wird nichts, trotzdem bleibt die Stimmung bestens. Und als die GrünenPolitikerin dann auf dem Weingut Deufel eintrifft, wird sie noch besser.
Beim „Schampus“erzählt Roth munter, dass sie als Kind mit ihren Eltern auf dem Campingplatz an der Iriswiese gecampt hat, dass sie am Bodensee schwimmen gelernt und die Seegfrörne miterlebt hat. Und dass die Familie oft nach Wangen, zum Leberkäs essen gefahren sei. Noch heute fasziniere sie jenes Fresko dort, auf dem Jonas ohne Schuhe in den Wal und mit Schuhen wieder heraus komme. „Deswegen ist das wirklich richtig Heimat“, sagt sie und erzählt, dass es aber auch hier am Bodensee war, wo ihr bewusst geworden wäre, wie wichtig Umweltschutz sei. Nämlich als der See in den 1970er-Jahren zu kippen drohte und sie damit ihre „erste Erfahrung mit einer ökologischen Katastrophe“gemacht habe. Und als sie am Vortag in Bregenz, bei Carmen auf der Seebühne, „so lange wie noch nie in meinem ganzen Leben“im strömenden Regen saß, wurde ihr bewusst: „Wir sind hier mitten in Europa.“
Derweil hat es aufgehört zu regnen und Teresa Deufel nimmt die Grünen mit zu ihrem nur ein paar Schritte entfernten Weinberg. Zwischen den letzten Reben der pflegeintensiven, weil schädlingsanfälligen Müller-Thurgaus stehend, erzählt sie die Geschichte ihres Vaters und ihres Onkels, die 1975 ihre Vision, den Lindauer Wein wieder zum Leben zu erwecken, Wirklichkeit werden ließen. Und von ihrem eigenen Entschluss, dafür zu sorgen, dass der Lindauer Wein erhalten bleibt.
Doch der Weg ist mühsam. Mag es ihr und den anderen elf Winzern vom bayerischen Bodensee zwar gelungen sein, den Ruf vom sauren Bodenseewein zu revidieren, so kämpfen sie bisher vergeblich darum als eigenes Anbaugebiet anstelle als Württembergisches zu gelten und damit andere Vermarktungsmöglichkeiten zu haben. Zwischen einem weißen Solaris und einem wöchentlich von Hand aufgerührten Johanniter wird Claudia Roth drinnen, im Rädle, ihr Unverständnis für eine solche „Kleinstaaterei“zum Ausdruck bringen. Denn, so sagt sie, „wir leben doch in einer globalisierten Welt, in einem vereinten Europa“und der Bodensee sei doch „gemeinsame Heimat“für alle.
Draußen, am Weinberg, erzählt die Winzerin, dass sie dem Klimawandel zu trotzen versucht, indem sie die alten Reben durch widerstandsfähigere Sorten ersetzt. Und trotzdem macht Claudia Roth ihr der Klimawandel immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Mit neuen Schädlingen etwa, oder dem Hagel, vor ein paar Jahren, der sie, um zu überleben, dazu zwinge, die Landschaft mit teuren Netzen zu überdecken. Oder der Frost in diesem Jahr, der die Hälfe ihres Ertrages zunichte machte, ohne dass klar sei, ob auch die Weinbauern Hilfe vonseiten der Politik bekommen. „Die Politik muss die Art, wie Sie produzieren viel mehr unterstützen und nicht den industriellen Wahnsinn betreiben“, wird Claudia Roth sagen und ist sich am Ende des „unglaublich schönen“Nachmittages sicher: „Das, was Sie hier machen, ist Heimatpflege.“
„Die Politik muss die Art, wie Sie produzieren viel mehr unterstützen und nicht den industriellen Wahnsinn betreiben.“