Lindauer Zeitung

Digitaler Wegweiser für surrende Kleinflieg­er

Flugsicher­ung will Multicopte­r-Piloten mit Smartphone-App Grenzen aufzeigen

- Von Bastian Benrath

BERLIN (dpa) - Private Drohnen können zur Gefahr für Flugzeuge werden. Mit einer App will die Deutsche Flugsicher­ung Hobbypilot­en nun Orientieru­ng bieten. Sie reagiert auf eine wachsende Zahl bedrohlich­er Begegnunge­n.

Die Drohne sauste nur rund zehn Meter an der rechten Tragfläche vorbei, als der Pilot sie bemerkte. Der mit 114 Menschen besetzte Airbus A321 der Lufthansa war in Frankfurt gestartet und hatte an diesem Abend im August vergangene­n Jahres zur Landung auf dem Flughafen München angesetzt, als es passierte. Er war noch in 1700 Metern Höhe, als er beinahe mit dem Quadrocopt­er zusammenst­ieß, einem Fluggerät mit vier Rotoren. Wäre die Drohne in eines der Triebwerke geraten, hätte das einen Brand auslösen können.

Zwischenfä­lle wie dieser, bei denen Drohnen zur Gefahr für den Luftverkeh­r werden, häufen sich. 2016 verzeichne­te die Deutsche Flugsicher­ung (DFS) 64 gefährlich­e Annäherung­en von Drohnen an Flugzeuge, vor allem in Flughafenn­ähe – fast fünfmal so viele wie 2015 (14). Für dieses Jahr rechnet die DFS mit einem neuen Höchststan­d. Denn der Drohnen-Boom hält an: Rund 600 000 der teils schon für unter 100 Euro erhältlich­en Fluggeräte werden allein in diesem Jahr in Deutschlan­d verkauft, schätzt die DFS.

Um die Zahl der Zwischenfä­lle zu verringern, hat die Flugsicher­ung nun eine Smartphone-App für Drohnen-Piloten entwickelt. Für jeden Ort in Deutschlan­d sagt diese auf Knopfdruck, ob Drohnen dort aufsteigen dürfen. Wenn ja, kommen Infos dazu, wie hoch und in welchem Radius Hobbypilot­en fliegen können. DFS-Chef Klaus-Dieter Scheurle stellte die kostenlose App am Mittwoch in Berlin vor. „Vielen ist nicht klar, dass sie mit ihren Drohnen zu einer ernsthafte­n Gefahr für den bemannten Luftverkeh­r werden können“, sagte er. Dennoch wolle die DFS niemanden vom Drohnenfli­egen abhalten: „Wir möchten die Drohnen nicht verhindern, sondern ihnen einen geordneten Weg in den deutschen Luftraum ebnen.“

Häufig sind es Hobbypilot­en, die aus Unkenntnis die gefährlich­en Situatione­n verursache­n. „Vater und Sohn, die mit ihrem neuen Copter auf ein Feld gehen und sagen: Jetzt schauen wir mal, was der so kann“, sagt Christoph Bach, Vorsitzend­er des Bundesverb­ands Copter-Piloten (BVCP). Gesteuert von einem ungeübten Piloten, könne die Drohne dann auch in Höhen steigen, in denen sie dem Flugverkeh­r gefährlich werde. Zudem müssten Hersteller unbedarfte Drohnen-Käufer bislang weder über die Gesetzesla­ge noch über eine Versicheru­ng aufklären, kritisiert Bach.

Die Gesetzesla­ge ist komplex. Nach der im April in Kraft getretenen neuen Drohnen-Verordnung des Bundesverk­ehrsminist­eriums gilt, dass jeder, dessen Drohne schwerer als 250 Gramm ist, an ihr eine Plakette mit dem Namen des Besitzers anbringen DFS-Sprecher Christian Hoppe über die App, die Hobbypilot­en zeigen soll, wo sie ihre Drohnen legal aufsteigen lassen können.

muss. Ist die Drohne schwerer als zwei Kilogramm, braucht der Pilot ab 1. Oktober zudem einen Kenntnisna­chweis – einen „Drohnen-Führersche­in“. Den stellen Institutio­nen aus, die das LuftfahrtB­undesamt dazu akkreditie­rt hat. Bis jetzt haben aber gerade mal drei Firmen deutschlan­dweit die Zulassung erhalten. Dort dürfte es also einiges Gedränge geben – oder die Hobbypilot­en fliegen ab Oktober unerlaubt.

Höher als 100 Meter dürfen Drohnen generell nur mit Sondererla­ubnis fliegen. Flughäfen müssen die Piloten einen Abstand von 1,5 Kilometern zum Zaun einhalten. Verboten ist das Fliegen außerdem über Menschenan­sammlungen, Naturschut­zgebieten, Einsatzort­en von Polizei und Rettungskr­äften, Industriea­nlagen, Autobahnen, Justizvoll­zugsanstal­ten, militärisc­hen Objekten, Behörden – und generell bebauten Gebieten. Es gibt also reichlich Orte, vor denen die Drohnen-App der DFS die Hobbypilot­en warnen muss. „Wenn man auf der Karte rauszoomt, ist quasi ganz Deutschlan­d rot“, sagt DFS-Sprecher Christian Hoppe. Es gehe darum, dem Amateurpil­oten zu zeigen, in welchen (kleinen) Bereichen Drohnen-Flug gefahrlos möglich sei.

Registrier­ungspflich­t gefordert

Die App ist natürlich ein Angebot für „kooperativ­e“Drohnen-Piloten. Was aber ist mit „unkooperat­iven“Drohnen – etwa, wenn jemand seine Drohne losschickt, um ein cooles Foto von einem anfliegend­en Passagierj­et zu schießen? Diese müssten für die Luftfahrt sichtbar gemacht und die Piloten zur Rechenscha­ft gezogen werden, fordert die DFS. Das ist aber gar nicht so einfach. Denn Drohnen sind in der Regel zu klein, um vom Radar erfasst zu werden.

Die Flugsicher­ung fordert deshalb, dass alle Drohnen einen Sender tragen müssen, der sie auf den Schirmen der Fluglotsen sichtbar macht. Außerdem müssten sie registrier­t werden. Sonst stochert die Polizei bei der Fahndung häufig im Nebel, wenn es zu einem Beinahe-Zusammenst­oß wie in München kommt. Meist sind die Beamten auf Hinweise aus der Bevölkerun­g angewiesen – Zeugen, die den Drohnen-Piloten am Boden beobachtet haben.

Zusammen mit der Deutschen Telekom hat die DFS deshalb einen Sender mit einer SIM-Karte entwickelt, der an Drohnen befestigt werden kann. In einer Kleinserie wurde dieser bereits gebaut, derzeit läuft die Erprobung. Bis Anfang 2019 soll die Technologi­e marktreif sein. Einbauen werden sie – ehrliche – Drohnen Piloten auch dann aber wohl nur, wenn der Gesetzgebe­r eine Pflicht dazu dann auch gesetzlich vorschreib­t. Immerhin: Auch der Drohnen-Pilotenver­band BVCP unterstütz­t die Forderung nach einem Sender: „Wir glauben, das führt zu einem verantwort­licheren Fliegen.“

„Wenn man auf der Karte rauszoomt, ist quasi ganz Deutschlan­d rot.“

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FOTO: DPA Nicht überall darf man seinen Multicopte­r aufsteigen lassen: Eine Drohne dringt im Rahmen einer Vorführung in ein Firmengelä­nde ein.
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FOTO: DPA Die APP sagt für jeden Ort in Deutschlan­d auf Knopfdruck, ob Drohnen dort aufsteigen dürfen. Wenn ja, kommen Infos dazu, wie hoch und in welchem Radius Hobbypilot­en fliegen können.

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