Im Autoland drohen Fahrverbote
Stuttgarter Richter halten Diesel-Nachrüstung für wenig wirksam
STUTTGART - Die Niederlage kam nicht überraschend, aber sie ist schmerzhaft für das Autoland BadenWürttemberg und seine Landesregierung. Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hat am Freitag der Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen das Land recht gegeben. Sie verpflichten die Verantwortlichen, schnellstmöglich für saubere Luft in Stuttgart zu sorgen. Nach Ansicht des Gerichts sind dafür Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge am besten geeignet. Ob diese kommen, ist aber noch offen. Denn das Land kann gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen.
Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Sie verlangte von der Landesregierung geeignete Maßnahmen, damit Stuttgart die Grenzwerte für das gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid einhält. Diese werden in der Landeshauptstadt seit Jahren deutlich überschritten. Daran änderten auch zahlreiche Maßnahmen nichts, die Stadt und Verkehrsministerium in einem Luftreinhalteplan festschrieben.
Nach mehreren Niederlagen vor Gericht legte man einen Maßnahmenkatalog vor, der unter anderem temporäre Fahrverbote vorsah. Schon das hatte einen solchen Proteststurm bei Industrie, Handwerk und Pendlern ausgelöst, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zurückruderte. Er forderte die Autobranche auf, ihre Diesel nachzurüsten. Landesvater Kretschmann fühlt sich längst als Hüter des Automobil-Standortes – an dem rund 225 000 Menschen für Hersteller und Zulieferer arbeiten.
Nachrüsten reicht nicht
Doch die Richter sehen in Nachrüstungen zumindest kurzfristig keine Lösung für die Schadstoff-Probleme. Auch alle anderen Vorschläge des Luftreinhalteplans seien weder wirksam genug noch rasch genug umsetzbar. Damit bleibt aus Sicht des Vorsitzenden Richters Wolfgang Kern nur noch eines: Ins Stadtgebiet dürfen nur noch Fahrzeug, die die grüne Plakette haben oder die Dieselabgasnorm EU6 erfüllen. Eine solche Regelung fordern die Grünen seit Langem vom Bund – die sogenannte Blaue Plakette würde dann Fahrzeuge kennzeichnen, die diese Norm erfüllen. Doch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte diese stets abgelehnt.
Doch das sei kein Grund, nichts zu tun, so der Vorsitzende Richter am Freitag: „Wenn der Bund nicht hilft, geltendes Recht zu vollziehen, muss das Land selbst aktiv werden“, so Kern. Es sei die Pflicht der Regierung, ihre Bürger vor Gesundheitsschäden zu schützen. Alle vom Land vorgesehenen Maßnahmen würden dazu nicht ausreichen.
Das Land wartet nun auf die schriftliche Urteilsbegründung. Diese soll bis Ende August vorliegen. Dann hat die Landesregierung vier Wochen Zeit zu entscheiden, ob sie den Richterspruch umsetzt oder Rechtsmittel einlegt. Sie könnte vor das Oberverwaltungsgericht oder direkt vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen. Dieser Weg würde schneller zu einer grundsätzlichen Klärung führen. Ein Sprecher von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte, sein Haus werde das Urteil zunächst gründlich prüfen. Das Urteil aus Stuttgart ist nach Düsseldorf und München das dritte, das Fahrverbote als zulässiges Mittel gegen dreckige Luft sieht. Weil in der Sache auch ein Verfahren bei der EU-Kommission läuft, geraten Landes- und Bundespolitiker weiter unter Druck.
Dennoch setzen viele Politiker weiter auf Nachrüstungen, um Fahrverbote zu umgehen. Allen voran der Bundesverkehrsminister. Er bekräftigte sein Nein zu generellen Fahrverboten, die etwa über eine blaue Plakette umgesetzt werden könnten. Bisherige Erfahrungen hätten gezeigt, dass mit Software-Updates erhebliche Schadstoff-Einsparungen erreichbar seien. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sieht ebenfalls die Autoindustrie in der Verantwortung. Nur sie könne durch effektive Nachrüstungen Fahrverbote vermeiden.
Um dieses Thema geht es am kommenden Mittwoch beim Autogipfel zwischen Politik und Industrie. Unabhängig von den Ergebnissen dort dürfte aber erst das Bundesverwaltungsgericht darüber entscheiden, ob es in deutschen Städten zu Fahrverboten kommen wird.