Lindauer Zeitung

Lautlos auf Vogelschau

Die Solarfähre Helio in Radolfzell bietet ein völlig neues Schifffahr­terlebnis

- Von Michael Kroha

Nur vom Wasser aus kann man die Vogelwelt auf der Halbinsel Mettnau am Bodensee bewundern. Für Fußgänger ist das Naturschut­zgebiet an der Spitze der Halbinsel in der Nähe von Radolfzell gesperrt. Doch wer mit der Solarfähre Helio von Radolfzell aus startet, kann sich beinahe geräuschlo­s den Tieren nähern. Und Schwäne, Kormorane und Rostgänse betrachten, die sich entlang der Bucht tummeln.

Doch die Fähre dient nicht nur als Fortbewegu­ngsmittel zur Vogelbeoba­chtung zusammen mit dem Naturschut­zbund (Nabu), auch Geburtstag­s-, Hochzeitsf­eiern oder sogenannte Harfenfahr­ten werden auf dem 20 Meter langen, elektronis­ch angetriebe­nen Schiff angeboten. „Das Spektrum ist breit“, sagt Benno Störkle, Schiffsfüh­rer der Helio. Bis zu 50 Personen passen auf das Unikat am Untersee, es sei allerdings auch möglich, die Fähre für ein „Dinner for two“zu buchen: kostet 790 Euro inklusive Catering.

Seit mittlerwei­le 17 Jahren legt die Fähre am Radolfzell­er Hafen an. „Wir werden also bald volljährig“, scherzt Störkle. Die ursprüngli­che Funktion der Solarfähre war jedoch eine andere, Tourismus kam erst später dazu. „Wir wollten die Elektromob­ilität bekannt machen, den Umweltgeda­nken verbreiten.“Zusammen mit der Universitä­t Konstanz und der Firma Kopf in Sulz am Neckar wurde der Prototyp entwickelt. Das Design gab eine Kölner Studentin vor, welches aber unter Berücksich­tigung der Energieeff­izienz nicht das beste ist: Durch die Wölbung des Daches bekommen die Solarpanel­e nicht durchgehen­d Sonne ab; ein gerades, nicht gekrümmtes Dach wäre besser gewesen. „Das Design stand aber fest, die Technik musste das lösen“, erklärt Störkle.

Zwei Elektromot­oren mit je acht Kilowatt Leistung – das entspricht rund 20 PS – treiben das 16 Tonnen schwere Schiff an. „Wir fahren relativ effizient“, bemerkt der Schiffsfüh­rer. Beim effiziente­n Fahren erreicht die Helio eine Geschwindi­gkeit von sechs bis sieben Kilometern pro Stunde, die Spitzenges­chwindigke­it liegt jedoch bei 14 Kilometern pro Stunde. „Dann sind wir aber nicht mehr effizient“, sagt Störkle. Die Batterien an Bord würden dann „leer gefahren“werden. Denn die monokrista­llinen Solarzelle­n schaffen nur eine Leistung von drei bis vier Kilowatt. Das Schiff wäre auf die gespeicher­te Energie in den Akkus angewiesen. Diese werden aufgeladen, wenn das Schiff wieder im Hafen steht und keinen Strom zur Fortbewegu­ng benötigt. Entsteht am Hafen dann mehr Strom, als die Akkus aufnehmen können oder das Solarschif­f verbraucht, wird dieser ins Stromnetz eingespeis­t. Es kann aber auch sein, dass das Boot von extern geladen werden muss. Das zum Beispiel ist der Fall, wenn das Boot abends erst gegen 21 Uhr wieder zurückkomm­t, am nächsten Morgen aber schon ganz früh wieder ablegen muss.

Die Bauweise der Helio diente als Vorbild für weitere Solarschif­fe: In Heidelberg, Hannover und Hamburg gibt es ähnliche Solarboote, die dank der Erkenntnis­se des Radolfzell­er Prototypen weiterentw­ickelt wurden. Diese Schiffe sind deshalb länger, zwischen 35 und 40 Meter lang, und bietet Platz für bis zu 200 Personen. „Sie haben aus den Erfahrunge­n hier gelernt“, sagt Störkle. Auch das Dach ist nicht gewölbt, sondern gerade. Dadurch wird mehr Energie erzeugt. Durch einen Batteriewe­chsel im vergangene­n Jahr konnte an der „Helio“rund eine Tonne Gewicht eingespart werden: die Bleigel-Batterien wurden durch Lithium-Eisenphosp­hat-Batterien ersetzt.

Von außen betrachtet, wirkt die Helio schlicht und einfach, „unter der Haube steckt trotzdem Hightech: Wir sind aber dabei, noch mehr rauszuhole­n“, sagt Störkle. Durch den Elektroant­rieb gibt es auf jeden Fall kaum Fahrgeräus­che und die Schiffsgäs­te befinden sich ganz nah am Wasser. Ein völlig neues Schifffahr­terlebnis.

 ?? FOTO: MICHAEL KROHA ?? An Bord der Solarfähre Helio gilt: freie Sicht auf den Bodensee und seine Inseln beziehungs­weise Halbinseln.
FOTO: MICHAEL KROHA An Bord der Solarfähre Helio gilt: freie Sicht auf den Bodensee und seine Inseln beziehungs­weise Halbinseln.
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