Lautlos auf Vogelschau
Die Solarfähre Helio in Radolfzell bietet ein völlig neues Schifffahrterlebnis
Nur vom Wasser aus kann man die Vogelwelt auf der Halbinsel Mettnau am Bodensee bewundern. Für Fußgänger ist das Naturschutzgebiet an der Spitze der Halbinsel in der Nähe von Radolfzell gesperrt. Doch wer mit der Solarfähre Helio von Radolfzell aus startet, kann sich beinahe geräuschlos den Tieren nähern. Und Schwäne, Kormorane und Rostgänse betrachten, die sich entlang der Bucht tummeln.
Doch die Fähre dient nicht nur als Fortbewegungsmittel zur Vogelbeobachtung zusammen mit dem Naturschutzbund (Nabu), auch Geburtstags-, Hochzeitsfeiern oder sogenannte Harfenfahrten werden auf dem 20 Meter langen, elektronisch angetriebenen Schiff angeboten. „Das Spektrum ist breit“, sagt Benno Störkle, Schiffsführer der Helio. Bis zu 50 Personen passen auf das Unikat am Untersee, es sei allerdings auch möglich, die Fähre für ein „Dinner for two“zu buchen: kostet 790 Euro inklusive Catering.
Seit mittlerweile 17 Jahren legt die Fähre am Radolfzeller Hafen an. „Wir werden also bald volljährig“, scherzt Störkle. Die ursprüngliche Funktion der Solarfähre war jedoch eine andere, Tourismus kam erst später dazu. „Wir wollten die Elektromobilität bekannt machen, den Umweltgedanken verbreiten.“Zusammen mit der Universität Konstanz und der Firma Kopf in Sulz am Neckar wurde der Prototyp entwickelt. Das Design gab eine Kölner Studentin vor, welches aber unter Berücksichtigung der Energieeffizienz nicht das beste ist: Durch die Wölbung des Daches bekommen die Solarpanele nicht durchgehend Sonne ab; ein gerades, nicht gekrümmtes Dach wäre besser gewesen. „Das Design stand aber fest, die Technik musste das lösen“, erklärt Störkle.
Zwei Elektromotoren mit je acht Kilowatt Leistung – das entspricht rund 20 PS – treiben das 16 Tonnen schwere Schiff an. „Wir fahren relativ effizient“, bemerkt der Schiffsführer. Beim effizienten Fahren erreicht die Helio eine Geschwindigkeit von sechs bis sieben Kilometern pro Stunde, die Spitzengeschwindigkeit liegt jedoch bei 14 Kilometern pro Stunde. „Dann sind wir aber nicht mehr effizient“, sagt Störkle. Die Batterien an Bord würden dann „leer gefahren“werden. Denn die monokristallinen Solarzellen schaffen nur eine Leistung von drei bis vier Kilowatt. Das Schiff wäre auf die gespeicherte Energie in den Akkus angewiesen. Diese werden aufgeladen, wenn das Schiff wieder im Hafen steht und keinen Strom zur Fortbewegung benötigt. Entsteht am Hafen dann mehr Strom, als die Akkus aufnehmen können oder das Solarschiff verbraucht, wird dieser ins Stromnetz eingespeist. Es kann aber auch sein, dass das Boot von extern geladen werden muss. Das zum Beispiel ist der Fall, wenn das Boot abends erst gegen 21 Uhr wieder zurückkommt, am nächsten Morgen aber schon ganz früh wieder ablegen muss.
Die Bauweise der Helio diente als Vorbild für weitere Solarschiffe: In Heidelberg, Hannover und Hamburg gibt es ähnliche Solarboote, die dank der Erkenntnisse des Radolfzeller Prototypen weiterentwickelt wurden. Diese Schiffe sind deshalb länger, zwischen 35 und 40 Meter lang, und bietet Platz für bis zu 200 Personen. „Sie haben aus den Erfahrungen hier gelernt“, sagt Störkle. Auch das Dach ist nicht gewölbt, sondern gerade. Dadurch wird mehr Energie erzeugt. Durch einen Batteriewechsel im vergangenen Jahr konnte an der „Helio“rund eine Tonne Gewicht eingespart werden: die Bleigel-Batterien wurden durch Lithium-Eisenphosphat-Batterien ersetzt.
Von außen betrachtet, wirkt die Helio schlicht und einfach, „unter der Haube steckt trotzdem Hightech: Wir sind aber dabei, noch mehr rauszuholen“, sagt Störkle. Durch den Elektroantrieb gibt es auf jeden Fall kaum Fahrgeräusche und die Schiffsgäste befinden sich ganz nah am Wasser. Ein völlig neues Schifffahrterlebnis.