Drama mit hochkarätiger Besetzung
Diese Männer und eine Frau spielen derzeit die Hauptrollen im Dieselskandal
- Autofahrer in Deutschland warten gespannt auf den Diesel-Gipfel. Drohen in großen Städten Fahrverbote? Wer zahlt dafür, dass die Luft besser wird? Gastgeber des Treffens sind Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Ihre Rollen bei den unglaublichen Vorgängen in der Automobilindustrie stellen wir an dieser Stelle genauso vor wie jene weiterer Politiker, Manager und Umweltschützer, die in den Skandal auf die eine oder andere Weise verwickelt sind.
Der Aussitzer
Nach Untersuchungsausschuss und Prüfaufträgen an das Kraftfahrtbundesamt war Dieselgate für Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) so gut wie vom Tisch. In der „Thematik“– wie der 47-jährige Politiker sie nennt – soll ermittelt und aufgeklärt werden. Seinem Nachfolger blieben dann wohl die Aufräumarbeiten nach der Bundestagswahl überlassen. Auf den letzten Metern seiner Amtszeit werden die Kartellvorwürfe an die Autobauer nun zur Zerreißprobe für Dobrindt. Die Opposition fordert den Rücktritt des smarten Bayern mit den karierten Anzügen und Designerbrille. Verbraucherschützer sprechen von einem enormen Vertrauensverlust – in die Unternehmen, aber auch in die Politik. Setzte Dobrindt bisher vor allem auf freiwillige Rückrufaktionen, verschärfte er nun den Ton. Er appelliert an die „verdammte Verantwortung“der Autobauer und beklagt, dass sich die Industrie in „schweres Fahrwasser“gebracht hat. Der CSU-Mann muss die Glaubwürdigkeit einer ganzen Branche retten, die seines Ministeriums und vor allem seine eigene. Denn Fakt ist: Dobrindt gerät zunehmend selbst unter Druck. (tat)
Die Abräumerin
Während Verkehrsminister Alexander Dobrindt um Glaubwürdigkeit ringt und sich für die Nähe zwischen Autolobby und Politik rechtfertigen muss, könnte die Dieselaffäre ihr richtig Punkte bringen. Barbara
Hendricks, Umweltministerin und SPD-Politikerin, ist nicht nur gemeinsam mit Dobrindt Gastgeberin des nationalen Diesel-Gipfels. Sie hat bereits das Ende des Kuschelkurses mit den Autobauern angekündigt. Wie ernst die 65-Jährige ihre Ansage meint, zeigte sich unlängst bei einem Treffen mit VW-Konzernchef Matthias Müller in Wolfsburg. Vor laufenden Kameras hält sie ihm eine Standpauke, spricht von Missständen im Management, von Vertrauensverlust, von Täuschung der Bürger und der Regierung. Beim Diesel-Gipfel will die Umweltministerin Ergebnisse sehen, mit lockeren Vereinbarungen wird sie sich nicht abspeisen lassen. Zum Beispiel will sie eine Kontrollbehörde für Autos im Umweltministerium ansiedeln. Aber Hendricks ist Politprofi, seit 1994 sitzt sie im Bundestag. Ohne die Unterstützung des Kanzleramts wird sich im Zusammenspiel zwischen Politik und Autolobby wenig ändern. (tat)
Der grüne Freund
„Wissen Sie, welcher meiner Sätze mir in meiner Zeit als Ministerpräsident am meisten Schwierigkeiten gemacht hat? Weniger Autos sind besser als mehr.“Das sagte Winfried Kretschmann (69), der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg vor gar nicht langer Zeit. Er hat den entspannten Umgang mit den Automanagern mitgeprägt. Zwar ist er fern von Berlin, aber in Stuttgart nah am Problem. Das Ländle verdankt seinen Wohlstand der Autoindustrie und ihren Jobs, genauer: Daimler. Das Dilemma:
Zugleich muss sich Kretschmann mit Fahrverboten rumschlagen, Stuttgart reißt alle Grenzwerte für Feinstaub. Er versuchte es zunächst auf seine Art, lud im Mai die Autochefs freundlich zum „strategischen Gespräch“. Doch seit das Autokartell im Raum steht, die Deutsche Umwelthilfe mehr Maßnahmen gegen die schlechte Luft der Landeshauptstadt eingeklagt hat und damit Fahrverbote gegen Diesel denkbar werden, steht er selbst unter Druck. Das zeigt die jüngste Volte. „Minister Dobrindt hat uns hängen lassen in der ganzen Geschichte“, sagte der Grüne, der sich privat vor Kurzem einen Diesel gekauft hat. Denn er brauche „ein gescheit’s Auto“. ( hg)
Der Strippenzieher Matthias Wissmann
(68) ist als Präsident des Verbandes der Autobranche, des VDA, Deutschlands wichtigster Autolobbyist und trommelt unbeirrt für den Diesel. Erst vor wenigen Tagen kritisierte er wieder „Stimmungsmache gegen Dieselfahrzeuge“. Seine Stimme hat Gewicht. Der Jurist kennt die Politik gut, der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer sagt: „Zu gut.“Wissmann war von 1993 bis 1998, es war die Zeit der Regierung Kohl, Bundesverkehrsminister. Seine Kollegin im Umweltministerium hieß Angela Merkel. Dudenhöffer: „Merkel hat Wissmann in sein jetziges Amt gehievt. Und ihm dann vertraut. Gesetze wurden löchrig. Warnungen und Abmahnungen aus Brüssel wegen zu hoher Belastungen mit Stickoxiden einfach weggelegt.“Doch die Zeiten werden schwieriger für Wissmann, der privat einen VW Tiguan TDI, dienstlich einen S-Klasse-Plug-in Hybrid fährt. Er rügte das mögliche Kartell in der Autoindustrie ungewöhnlich scharf, das „Surfen in rechtlichen Grauzonen“sei „inakzeptabel“. Es war ein Bruch. Daimler-Chef Zetsche erklärte kühl, er sei über die Stellungnahme „überrascht“. (hg)
Der Volkswagen-Politiker
Er muss sich seit dem Abgasskandal die Frage gefallen lassen, ob er mehr dem Volk oder Volkswagen dient: Stephan Weil (58) ist in Niedersachsen SPD-Ministerpräsident
– und VW-Aufsichtsrat. Früher machte das Mandat, das dem Regierungschef zufällt, weil Niedersachsen 20 Prozent der VWAktien hält, für den Politiker oft was her: Die Nähe zum Weltkonzern, das große Publikum bei Betriebsversammlungen in Wolfsburg. Die Abgasaffäre katapultiert Weil jedoch in einen Interessenkonflikt, der einmalig ist. Als Politiker ist Weil dem Wohl der Bürger verpflichtet, die unter Autoabgasen leiden. Als Aufsichtsrat muss er die Interessen des Konzerns und seiner Aktionäre wahren, zu denen das Land selbst gehört. Weil, ohnehin eher Typ ruhiger Jurist, macht öffentlich auf VW keinen Druck. Stattdessen sagte er dem ZDF erst vor wenigen Tagen: „Die Autoindustrie befindet sich in einem Lernprozess.“Aufgefallen ist Weil eher, als er im Aufsichtsrat Millionenabfindungen für gescheiterte Manager durchwinkte. (hg)
Der Abwiegler
Als der Chef von Deutschlands größtem Autobauer ausgerechnet auf dem Parteitag der Grünen auftauchte, war die Aufregung groß. Dieter Zetsche,
Daimler-Vorstandsvorsitzender, wurde mit Buhrufen empfangen, der Partei Kuschelkurs mit der Autolobby vorgeworfen. Daimler müsse Teil einer ökologischen Verkehrswende sein, hieß es. Zetsche bekräftigte sein Ja zu Elektroautos, zum Klimaschutz. Jetzt steckt der 64-Jährige mitten drin im Dieselskandal. Bisher hält sich der promovierte Ingenieur Zetsche bedeckt, spricht von Spekulationen und lieber von der Innovationskraft seines Konzerns. Der Chef einer der größten Arbeitgeber Deutschlands setzt auf Zurückhaltung und die Taktik des Abwartens. Statt sich bekümmert zu geben, wünscht er seinen Kunden online erst mal einen schönen Urlaub. Und auch in der Geschäftsbilanz schlagen sich Kartellvorwürfe und Abgasmanipulationen bisher kaum nieder. Daimler ist nach wie vor der größte Premiumhersteller weltweit – weit vor Konkurrent BMW. Um den Diesel will er kämpfen, das hat Zetsche bereits angekündigt. (tat)
Der Undurchschaubare
Der Aufstieg zum Chef des Volkswagen-Konzerns kam für den damaligen Porsche-Vorstandsvorsitzenden
Matthias Müller (64) unerwartet. Aufklären wollte er die Dieselaffäre
2015. Schonungslos, rücksichtslos. Doch aus dem großen Kehraus, der öffentlichen Wahrheitsfindung, ist nicht viel geworden. Die Ergebnisse der internen Ermittlungen durch eine Anwaltskanzlei aus den USA blieben unter Verschluss. Immer neue pikante Details aus der VW-Markenfamilie weisen auf ein verbreitetes Hintergehen von Behörden und Kunden bei der Abgastechnik hin. Vergnügungsteuerpflichtig ist sein Job derzeit nicht. Der Manager muss auch gegen ein wachsendes Glaubwürdigkeitsproblem ankämpfen, nachdem nun auch bei Porsche, seiner alten Wirkungsstätte, eine illegale Abschaltvorrichtung nachgewiesen wurde. (wom)
Der gestürzte Automanager Martin Winterkorn
(70) galt vielen als unantastbar. Doch im September 2015 musste er, nur wenige Tage nachdem die Abgasmanipulationen an Millionen Dieselautos bekannt wurden, seinen Platz als Chef von Volkswagen räumen. So stürzte überraschend ein Technik-Freak über technische Betrügereien. Winterkorn, der kurz zuvor noch einen beispiellosen Machtkampf mit dem einstigen Chefaufseher Ferdinand Piëch überstanden hatte, wird nachgesagt, er habe jedes Auto des VW-Konzerns bis zur einzelnen Schraube gekannt. Sein Nachfolger, Matthias Müller, warf ihm vor, sich zu wenig damit beschäftigt zu haben, „wie die Welt in zehn oder 20 Jahren aussehen könnte“. Die entscheidende Frage: Was wusste Winterkorn über die Machenschaften im einstigen Vorzeigekonzern – und wann? Seine Rolle ist bis heute nicht geklärt, die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt. Derzeit bekommt Winterkorn, einst der bestbezahlte Vorstand eines DAX-Unternehmens, rund 3100 Euro Ruhegeld – am Tag. (hg)
Der gefürchtete Autopatriarch
Sein Lebenswerk steht jetzt infrage.
Ferdinand Piëch (80) zählt zu den bedeutendsten Figuren der deutschen Autoindustrie und Wirtschaftsgeschichte. Der Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche war früher Audi-Chef, VWChef, dann VW-Aufsichtsratschef, bis er sich im Streit mit VW-Chef Winterkorn, seinem Zögling, zurückzog. Piech galt als Techniker, Stratege und Visionär, allerdings auch als getrieben und gefürchtet. Der „Zeit“sagte er mal: „Ich erschrecke manchmal, wie groß die Ehrfurcht ist.“Welche Rolle er im Abgasskandal spielt, ist ungeklärt. Dem Spiegel zufolge hat er VW-Aufsichtsräte wie den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil und Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn bezichtigt, schon frühzeitig von Abgasmanipulationen in den USA erfahren zu haben. Die Angeschuldigten bestreiten das. Vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Abgasskandal wollte Piëch nicht aussagen. Als Österreicher hat er dazu das Recht. (hg)
Der Ahnungslose Rupert Stadler
(54) gibt gerne den Ahnungslosen. Dabei wurde die Technik zur Abgasreinigung der Volkswagenmodelle unter seinen Augen entwickelt, auch die verbotenen Teile davon. Der AudiChef steht auf der Kippe, spätestens seit sich die tiefe Verstrickung der Ingolstädter in den Dieselskandal belegen lässt. So wurde nun ein Dokument bekannt, in dem seine Ingenieure detailliert die Probleme der gesetzeswidrigen Technik darlegten, bevor die amerikanischen Behörden deren Einsatz nachweisen konnten. Von all dem will Stadler, der Audi seit 2007 vorsteht, nichts mitbekommen haben. Trifft dies zu, hatte Stadler seinen Laden offenkundig nicht im Griff. Sagt er die Unwahrheit, ist der Skandal endgültig in der ersten Reihe des Managements angekommen. (wom)
Der Schweiger
Lange sagte BMW-Chef Harald Krüger (51) gar nichts zur Dieselaffäre. Die Münchner beharren nach wie vor darauf, dass sie alle gesetzlichen Regelungen eingehalten haben. In den vergangenen Tagen hat das Saubermann-Image von BMW allerdings erste tiefe Kratzer erhalten. So soll das Unternehmen eine Argumentationslinie erstellt haben, mit der die deutschen Hersteller gegenüber den US-Behörden den Einbau zu kleiner Harnstofftanks für die Abgasreinigung bei Dieselfahrzeugen rechtfertigen wollten. Auf einmal ist BMW aktiver Teil der Dreierrunde deutscher Hersteller. Ungesetzliches konnte Krügers Ingenieuren bisher aber nicht nachgewiesen werden. (wom)
Die Randfigur
Wer Porsche fährt, will ein flottes, dynamisches Auto mit röhrendem Motor. Ein Selbstzündermotor passt in diese Philosophie nicht recht herein. So verabschiedet sich Porsche-Chef Oliver Blum
(49) auch ohne große Wehmut vom Diesel. „Porsche steht für Fahrdynamik, Antrieb und Design“, stellt Blum fest. 2019 will er mit den ersten vollelektrischen Sportwagen des Hauses den Kampf mit Tesla aufnehmen. Doch der Rückruf und das Zulassungsverbot für den Porsche Cayenne wegen illegaler Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung durch das Verkehrsministerium in der vergangenen Woche rückt auch die Zuffenhausener ins Zwielicht. Wirtschaftlich betrifft es Porsche wenig. Es geht nur um geringe Stückzahlen und die Motoren stammen von Audi. Zu befürchten hat der Manager auch wenig. Die Entscheidung für den Betrugsmotor fiel in die Amtszeit seines Vorgängers Matthias Müller, der heute den Gesamtkonzern VW leitet. (wom)
Der Streiter für die Mitarbeiter
Wenn es um Rabatz geht, kommt er ins Spiel: Uwe Hück (55), Betriebsratschef bei Porsche. Wie kaum ein anderer hat er in der Dieselaffäre die Vorstände von Audi und VW kritisiert. Er fühle sich betrogen und ertrage die ganzen Lügen nicht mehr, so wird der ehemalige Thai-Boxer zitiert. Hück spricht aus, was wohl so mancher Mitarbeiter und auch viele Autofahrer denken: Den Chefs der Branche kann man nicht mehr glauben. Hück findet markige Worte. Für ihn gleicht die manipulative AbgasSoftware einem „Krebsgeschwür“, das „nicht mit Puder, sondern mit Chemotherapie“behandelt werden muss. Als Streiter für Porsche hat er natürlich sein Unternehmen und die Belegschaft im Blick. Hücks Vorwurf Audi hätte „kranke Motoren“an den Sportwagen-Produzenten geliefert, wiegelte die Chefetage prompt ab und verbat sich Belehrungen. Hück ist ein Kämpfer. Für wohltätige Zwecke steigt er schon mal in den Ring. Für seine Firma ohnehin. (tat)
Der Gegenspieler
Er ist der Mann, der sich mit der Autoindustrie seit Jahren anlegt: Jürgen
Resch, Chef der Deutschen Umwelthilfe. Der 57Jährige hat schon das Dosenpfand mit durchgeboxt, mehrere Schlachten gegen Unternehmen vor Gericht geführt. Doch dieser Fall, die unfeinen Abgasmanipulationen der Autobauer, machte ihn deutschlandweit berühmt. Zwar hat er Dieselgate nicht ausgelöst, das war die US-Umweltbehörde EPA mit ihren Kontrollen. Doch Resch und Kollegen gaben wichtige Hinweise. Immerhin hatte er schon seit Jahren darauf hingewiesen, dass die offiziell genannten Abgaswerte mit der Realität nichts zu tun haben. In Deutschland interessierte das damals nur noch kaum jemanden. Heute treibt Resch, der selbst einen spritsparenden BenzinHybrid fährt, die Autokonzerne wie nie zuvor vor sich her. Der DaimlerAnwalt drohte schon mal mit Schadenersatzforderungen. Vor Gericht gewann dann allerdings: Resch. (hg)