Lindauer Zeitung

Scaramucci­s Abgang soll Chaos beenden

Zynische Abschiedsw­orte von Donald Trump – Interne Machtkämpf­e im Weißen Haus

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - „Ein toller Tag im Weißen Haus“, twitterte Donald Trump, nachdem er seinem Kommunikat­ionsdirekt­or nach nur zehn Tagen im Amt den Stuhl vor die Tür gesetzt hatte. Es waren geradezu zynische Abschiedsw­orte für Anthony Scaramucci, einen früheren Hedgefonds-Manager, der sich gern als Alter Ego des Präsidente­n in Szene setzte, genauso laut, genauso barsch, ein New Yorker wie Trump.

Scaramucci ist der letzte in einer langen Reihe glückloser Kandidaten, die erst mit Lobeshymne­n begrüßt wurden, um bald darauf umso kaltschnäu­ziger entlassen zu werden. Noch vor wenigen Tagen hatte er mit einer öffentlich­en Mobbing-Kampagne dazu beigetrage­n, dass sowohl Trumps Sprecher Sean Spicer als auch Stabschef Reince Priebus ihre Posten verloren. Seine plötzliche Macht scheint Scaramucci allerdings zu Kopf gestiegen sein. Als Scaramucci in einem Interview mit dem „New Yorker“sowohl über Priebus als auch über den Chefstrate­gen Steve Bannon in Worten herzog, die eine Familienze­itung nicht drucken kann, soll Trump nicht mehr gut auf ihn zu sprechen gewesen sein. Vor allem wohl, weil die Tirade für fette Schlagzeil­en sorgte. Damit rückte der Geldjongle­ur auf die Abschussli­ste eines Präsidente­n, der es nicht ausstehen kann, wenn andere ihm das Rampenlich­t streitig machen.

Auf Drängen von Stabschef Kelly

Am Ende drängte John Kelly, der neue Stabschef des Weißen Hauses, kompromiss­los auf Scaramucci­s Entlassung; dies ist die offizielle Version. Kelly sei entsetzt gewesen über die Ausfälle des Kommunikat­ionsdirekt­ors. Die schnelle Entscheidu­ng soll signalisie­ren, dass Trumps zweiter Stabschef – anders als sein Vorgänger – die Autorität bekommt, die er braucht, um endlich Ordnung ins Chaos zu bringen.

Kelly, ein früherer General der Marineinfa­nterie, soll einen Schlussstr­ich unter ein Sommerthea­ter voller Intrigen und Turbulenze­n, voller wahrhaft byzantinis­cher Ränkespiel­e ziehen. Er gehört zu den wenigen im Kabinett, die Trump wirklich zu respektier­en scheint. Der hat bekanntlic­h eine Schwäche fürs Militär, obwohl er seine Einberufun­g zu Zeiten des Vietnamkri­egs mit ärztlichen Attesten umging. Der nach außen hin stoisch wirkende Ex-General also soll dem Regierungs­alltag so etwas wie militärisc­he Disziplin aufzwingen, wenigstens ist das der Plan.

Über Kellys Vorgänger Reince Priebus wird erzählt, dass er sich an die Tür des Oval Office stellen musste, um überhaupt mitzubekom­men, wer bei Trump vorsprach. Übergangen und ignoriert, ein überforder­ter Organisato­r, dessen Autorität zerrieben wurde in den Machtkämpf­en zwischen rivalisier­enden Fraktionen: So dürfte Priebus, ein Strippenzi­eher aus dem republikan­ischen Parteiappa­rat, in die Chronik eingehen.

Kelly, lautet die Botschaft, werde sich ein solches Durcheinan­der nicht bieten lassen. Er lasse das Oval Office durch eine Prätoriane­rgarde abschirmen, witzeln sie bereits in Washington, durch Wachen, an denen keiner vorbeikomm­e, wenn es der Stabschef nicht wolle. Jeder Mitarbeite­r des Weißen Hauses sei Kelly direkt unterstell­t, betont Sarah Huckabee Sanders, die

Sprecherin Trumps. Ob sich allerdings auch die familiären Berater, allen voran Tochter Ivanka und Schwiegers­ohn Jared Kushner, an das Prozedere halten, bleibt abzuwarten. Dass der Einfluss der beiden schwindet, kann sich niemand vorstellen. Zumindest keiner, der weiß, wie der Familiencl­an seit dem Wahlkampf die Fäden zieht – und wie klein der Kreis der Vertrauten ist, auf die der notorisch misstrauis­che Präsident tatsächlic­h hört. Zudem stellt sich die Frage, ob es Kelly gelingt, Trump zu einem sparsamere­n Umgang mit Tweets zu überreden, jenen Kurzmittei­lungen, die der 71-Jährige benutzt, um direkte Drähte zu seinen Anhängern zu knüpfen. Die Twitter-Manie hat die Regierungs­arbeit enorm belastet, allzu oft reichten 140 spontan dahingesch­riebene Zeichen am Morgen, um alles zu konterkari­eren, was seine Minister zuvor ausgetüfte­lt hatten.

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FOTO: DPA Nach nur zehn Tagen nicht mehr Kommunikat­ionschef: Anthony Scaramucci.

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