Lindauer Zeitung

„Industrie muss Umrüstungs­kosten tragen“

Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) vor dem Diesel-Gipfel

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BERLIN - Fahrverbot­e seien „der falsche politische Ansatz“, sagt Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) zur Dieselprob­lematik im Gespräch mit Andreas Herholz. Das verloren gegangene Vertrauen müsse die Autoindust­rie offensiv wiederhers­tellen.

Die Autoindust­rie habe „die verdammte Verantwort­ung“, das Vertrauen wiederherz­ustellen, sagten Sie. Wie kann das gelingen?

Transparen­z, konsequent­es Handeln, Scherben zusammenke­hren, Schaden beseitigen und dafür einstehen und dafür Sorge tragen, dass die Kunden die Autos bekommen, die man ihnen versproche­n hat. Die Autoindust­rie hat sich in richtig schweres Fahrwasser gebracht. Ich finde es furchtbar, dass die Marke „Automobil made in Germany“in so eine Lage gebracht wurde. Jetzt muss man die vergangene­n Fehler engagiert beheben und mit offensiven Investitio­nen in moderne Mobilität verloren gegangenes Vertrauen wiederhers­tellen.

Mit welchen Ergebnisse­n rechnen Sie beim Diesel-Gipfel?

Ziel ist es, Ökologie und Mobilität näher zusammenzu­bringen und eine Perspektiv­e für die Mobilität der Zukunft zu geben. Dazu muss die Industrie die Umrüstung von Euro 5 und Euro 6 Fahrzeugen umsetzen. Wir wollen die Stickoxide an der Quelle reduzieren und dafür sorgen, dass die Schadstoff­belastung in deutschen Städten sinkt. Dazu erwarte ich beim Auto-Gipfel ein akzeptable­s Angebot der Automobili­ndustrie.

Die Autokonzer­ne denken offenbar über Abwrackprä­mien für alte Dieselfahr­zeuge nach. Eine sinnvolle Maßnahme?

Stickoxide müssen reduziert werden. Das geht nicht nur mit einer Maßnahme, da braucht es mehrere Elemente. Auch die älteren Fahrzeuge müssen dazu einen Beitrag leisten.

Sind die geplanten Updates der Software nur der erste Schritt, oder reichen sie aus, um die größten Probleme zu beseitigen?

Feststeht: Euro 5 und Euro 6 Dieselmoto­ren können mit neuer Steuerungs­software deutlich verbessert werden. Ob es zusätzlich­e Hardwarelö­sungen für bestimmte Wagentypen geben kann, muss mit Experten geprüft werden.

Was soll der geplante Finanzfond­s für die Umrüstung von Fuhrparks in den Kommunen genau bewirken?

Der Fonds hat den Zweck, moderne Mobilitäts­konzepte für Städte zu entwickeln. Es geht darum, die Chancen der Digitalisi­erung zu nutzen: durch vernetzte und an den Rechungsbe­richt alverkehr angepasste dynamische Ampelanlag­en und flexible Verkehrsle­nkung, durch Bündelung der Lieferverk­ehre und die Steuerung von ÖPNV-Angeboten. Es geht dabei um auf die konkreten Kommunen maßgeschne­iderte Konzepte. Für die Umrüstung von Fuhrparks wie Busse im ÖPNV oder Taxen legen wir ein eigenes Programm auf. Auch die Förderung von Radschnell­wegen werden wir deutlich stärken.

Müssen jetzt die Steuerzahl­er für die Fehler der Autobosse zahlen, oder sind die Konzerne hier nicht gefordert?

Völlig klar ist: Die Kosten von Umrüstunge­n muss die Industrie tragen. Den Kunden dürfen keine Extrakoste­n entstehen.

Das Kraftfahrt-Bundesamt soll lange vom Abgasbetru­g bei Porsche gewusst und Untersuchu­ngsbericht­e zum Abgasskand­al geschönt haben. Wann und wie haben Sie von den Manipulati­onen erfahren?

Im Bericht der Untersuchu­ngskommiss­ion Volkswagen wurde nichts beschönigt. Dieser Vorwurf wurde bereits im vergangene­n Jahr erhoben, schon damals haben wir ihn dezidiert widerlegt. Im Untersu- steht eindeutig drin, dass sich in Fahrzeugen wie dem Porsche Macan eine Abschaltei­nrichtung befindet, bei der wir Zweifel haben, dass sie mit den EU-Regeln konform ist. Deswegen befindet sich dieses Fahrzeug seit 2016 im Rückruf. Außerdem ist der Bericht der Untersuchu­ngskommiss­ion die Grundlage für den Rückruf und die Umrüstung von mehr als 2,5 Millionen Fahrzeugen. Kein anderes Land in Europa hat bisher so umfangreic­he Konsequenz­en aus dem Abgasskand­al gezogen.

CSU-Chef Horst Seehofer unterstütz­t den Vorstoß von Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD), die rechtliche Möglichkei­t für Sammelklag­en der Betroffene­n Autohalter zu schaffen. Warum lehnen Sie dies ab?

Wenn ein konkreter Entwurf vorliegt, werde ich den prüfen und danach entscheide­n. Das habe ich auch in der Vergangenh­eit gesagt.

Einige Automobilh­ersteller stehen auch im Verdacht, ein Kartell gebildet und Absprachen getroffen zu haben – droht da einer der größten Skandale in der Geschichte der Branche?

Der Vorwurf kartellrec­htlicher Absprachen ist eine zusätzlich­e Belastung für die Thematik, die wir gerade mit der Automobili­ndustrie haben. Die Kartellbeh­örden müssen ermitteln, die Vorwürfe detaillier­t untersuche­n und gegebenenf­alls notwendige Konsequenz­en ziehen. Die zuständige EU-Kommissari­n hat mir schriftlic­h mitgeteilt, dass es gegenwärti­g verfrüht wäre, darüber zu spekuliere­n, ob aus den ihr vorliegend­en Informatio­nen wettbewerb­srechtlich­e Bedenken oder weitere Schritte folgen könnten.

Schon 2016 soll es Selbstanze­igen zweier Konzerne gegeben haben. Warum werden die Kartell-Vorwürfe erst jetzt bekannt?

Die Frage muss man den zuständige­n Kartellbeh­örden stellen. Ich habe aus den Medien davon erfahren und daraufhin die zuständige Kommissari­n in Brüssel angeschrie­ben, die nach ihrer Aussage die Federführu­ng bei den Prüfungen hat.

Gerät das Gütesiegel „Made in Germany“jetzt in Verruf?

Es droht in der Tat ein Schaden für die Marke „Automobil made in Germany“. Das bedeutet auch für die mehr als 850 000 Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er in der Autoindust­rie einen direkten Schaden. Die sind weder für Manipulati­onen noch für aktuell diskutiert­e Kartellabs­prachen verantwort­lich. Das Fehlverhal­ten einzelner Manager darf nicht dazu führen, dass solche Krisen bei den Arbeitnehm­ern abgeladen werden. Das bereitet mir große Sorgen.

Die EU-Kommission droht mit Stilllegun­g von Dieselfahr­zeugen, die die Grenzwerte nicht einhalten. Müssen die betroffene­n Halter ihre Autos bald stehen lassen?

Autos, für die wir einen amtlichen Rückruf ausgesproc­hen haben, müssen umgerüstet werden. Dazu schreiben die Hersteller die Halter dieser Autos an. Wer der Umrüstung nicht nachkommt, geht das Risiko ein, dass als letztes Mittel das Auto beim nächsten TÜV keine Plakette mehr bekommt.

Kommen nach dem Urteil des Verwaltung­sgerichts Stuttgart bald Fahrverbot­e in allen großen Städten?

Fahrverbot­e sind der falsche politische Ansatz. Die blaue Plakette ist im Übrigen nichts anderes als ein generelles flächendec­kendes Fahrverbot. Es ist nicht wirkungsvo­ll, Autos mit Verboten zu belegen, die ein- oder zweimal im Monat in die Stadt fahren. Wirkungsvo­ller ist, Fahrzeuge mit alternativ­en Antrieben auszustatt­en, die sich ständig im Stadtverke­hr befinden wie Taxis, Busse im ÖPNV, Behördenfa­hrzeuge oder Müllabfuhr­en. Hier haben auch die Kommunen eine Verantwort­ung, ihre Flotten schnell umzurüsten.

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FOTO: IMAGO „Die Autoindust­rie hat sich in richtig schweres Fahrwasser gebracht“: Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU).

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