Lindauer Zeitung

Weg aus London, aber wohin?

EU startet Vergabever­fahren für Agenturen – Harte Konkurrenz für Bonn und Frankfurt

- Von Ansgar Haase

BRÜSSEL (dpa) - Deutschlan­d abgeschlag­en auf einem der hinteren Plätze und scheinbare Außenseite­r als strahlende Sieger: Was beim Eurovision Song Contest Jahr für Jahr ertragen werden muss, könnte schon bald auch in der europäisch­en Politik bittere Realität werden. In Brüssel startete am Dienstag die heiße Phase des Verfahrens, das klären soll, welche zwei EU-Länder zumindest etwas vom Brexit profitiere­n werden. Die Teilnehmer müssen dabei vor allem um die Gunst der anderen Länder buhlen.

Konkret geht es um die EU-Arzneimitt­elagentur EMA und die Bankenaufs­ichtsbehör­de EBA. Beide EU-Organisati­onen sind derzeit in der britischen Hauptstadt London ansässig. Wegen des geplanten Brexits sollen sie aber so schnell wie möglich innerhalb der EU umgesiedel­t werden. Die Bundesregi­erung hat Bonn als Bewerberin für die Arzneimitt­elagentur und Frankfurt am Main als Standort für die Bankenaufs­icht ins Rennen geschickt. Beide Städte seien hervorrage­nd geeignet, heißt es aus Berlin.

Doch spätestens seit diesem Dienstag ist endgültig klar, dass die deutschen Kandidatur­en alles andere als Selbstläuf­er sein werden. Nach Angaben des zuständige­n Rates sind für die zwei Agentursit­ze 27 Bewerbunge­n eingegange­n. Neben Frankfurt sehen sich demnach auch Städte wie Luxemburg, Dublin, Paris, Wien und Warschau als perfekten Standort für die EBA. Bonn muss in dem Auswahlver­fahren unter anderem mit Amsterdam, Lille, Mailand und Bratislava konkurrier­en.

Hinzu kommt, dass ein Land höchstens einen der beiden Agentursit­ze bekommen wird. Nach den Regeln für das Auswahlver­fahren hat Frankfurt demnach nur dann eine Chance, wenn Bonn nicht den Zuschlag für die EMA bekommt. Beide Entscheidu­ngen sollen im November per geheimer Abstimmung im EU-Ministerra­t erfolgen.

Die beiden Siegerstäd­te können auf immense Zusatzeinn­ahmen hoffen. EMA und EBA richten jährlich Hunderte Konferenze­n und Veranstalt­ungen mit Experten aus aller Welt aus. Zuletzt sorgten beide Agenturen in London für 39 000 zusätzlich­e Hotelübern­achtungen jährlich. Hinzu kommt, dass mit den Agenturen auch die meisten hoch qualifizie­rten Mitarbeite­r umziehen dürften. Die Arzneimitt­elagentur EMA beschäftig­te zuletzt 900 Menschen, die Bankenaufs­icht EBA kam auf knapp 200.

Der Ausgang der Abstimmung im November gilt als völlig offen. Für Aufregung sorgte bereits schon vor Ablauf der Bewerbungs­frist das Gerücht, dass Deutschlan­d und Frankreich Absprachen getroffen haben könnten, um ihre Chancen zu erhöhen. „Das ist Unsinn“, kommentier­ten Diplomaten.

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FOTO: DPA Das ehemalige Regierungs­viertel von Bonn mit Post-Tower (links), UNCampus und Congressce­nter.

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