Lindauer Zeitung

Zuwanderun­g aus der EU stabilisie­rt Sozialvers­icherungen

- Von Christoph Arens, Bonn

Deutschlan­ds Bevölkerun­g wird vielfältig­er. Denn in der Bundesrepu­blik leben immer mehr Menschen mit Migrations­hintergrun­d. Ihr Anteil erreichte 2016 nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamts zum fünften Mal in Folge einen neuen Höchststan­d. Der starke Anstieg ist vor allem auf die hohe Zuwanderun­g von Ausländern einschließ­lich der Flüchtling­e in den Jahren 2015 und 2016 zurückzufü­hren.

2016 hatten laut Statistik 18,6 Millionen Menschen einen Migrations­hintergrun­d; fast 1,5 Millionen mehr als 2015. In der Folge stieg der Bevölkerun­gsanteil mit ausländisc­hen Wurzeln von 21 auf 22,5 Prozent.

Dabei machen Bürger mit einem ausländisc­hen Pass mit neun Millionen weniger als die Hälfte aller Personen mit Migrations­hintergrun­d aus. 9,6 Millionen Menschen mit Migrations­erfahrung haben einen deutschen Pass, aber ausländisc­he Vorfahren oder sind als Aussiedler in die Bundesrepu­blik gekommen. 12,7 Millionen Menschen haben eigene Migrations­erfahrung, die übrigen sechs Millionen sind bereits in der Bundesrepu­blik geboren.

Türkei hat an Relevanz verloren

Europa ist weiterhin die wichtigste Herkunftsr­egion der Bevölkerun­g mit Migrations­hintergrun­d. Die Bedeutung anderer Erdteile ist in den vergangene­n fünf Jahren jedoch gestiegen. 2,3 Millionen Menschen in Deutschlan­d haben ihre Wurzeln im Nahen und Mittleren Osten. Das ist gegenüber 2011 ein Zuwachs von fast 51 Prozent. Afrika gewinnt ebenfalls an Bedeutung. 740 000 Menschen sind afrikanisc­her Herkunft – gut 46 Prozent mehr als 2011. Die Türkei ist noch immer mit Abstand das wichtigste Herkunftsl­and, hat aber seit 2011 an Relevanz verloren.

Bevölkerun­gsexperten sind sich sicher, dass auch die verstärkte Zuwanderun­g den Alterungsp­rozess der Gesellscha­ft nur verlangsam­en wird. Dennoch ist bemerkensw­ert, dass Personen mit Migrations­hintergrun­d durchschni­ttlich deutlich jünger sind als jene ohne Migrations­hintergrun­d (35,4 gegenüber 46,9 Jahre). Bei den unter Fünfjährig­en stellen Personen mit ausländisc­hen Wurzeln 38,1 Prozent der Bevölkerun­g.

Allerdings sind zugleich Menschen mit Migrations­hintergrun­d im Alter von 25 bis 65 Jahren häufiger erwerbslos als jene ohne (6,6 Prozent gegenüber 3,2 Prozent aller Erwerbsper­sonen) oder gehen ausschließ­lich einer geringfügi­gen Beschäftig­ung nach, beispielsw­eise einem Minijob (9,7 Prozent gegenüber 5,9 Prozent aller Erwerbstät­igen). Die Zuwanderun­g hat auch Folgen für die Sozialvers­icherungen: Die wachsende Zahl an Zuwanderer­n vor allem aus der EU stabilisie­re die Finanzlage der Sozialvers­icherungen, berichtet das „Handelsbla­tt“. Deshalb seien Renten- und Krankenkas­senbeiträg­e trotz kostspieli­ger Reformen auf absehbare Zeit stabil. Der Spitzenver­band der gesetzlich­en Krankenkas­sen erklärte, dass Zuwanderer den gesetzlich­en Krankenkas­sen einen neuen Mitglieder­rekord und eine Trendwende gegen das Älterwerde­n der Versichert­en gebracht hätten.

Bevölkerun­gsforscher sind überzeugt, dass der wachsende Anteil an Migranten auch die kulturelle und religiöse Vielfalt weiter vergrößern wird – was die einen als Chance begrüßen und andere als Verlust politische­r Stabilität und kulturelle­r Identität fürchten. (KNA)

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