Lindauer Zeitung

Der Mensch, das Tier

„Planet der Affen 3: Survival“ist ein Western über die Grenzen des Menschlich­en

- Von Rüdiger Suchsland

Menschen gegen Menschenaf­fen – in den ersten Minuten, als amerikanis­che Soldaten schwer bewaffnet und so gut getarnt wie möglich durch einen modrigen Wald schleichen, glaubt man sich in einen Vietnam-Film versetzt. Aber schnell ist klar, dass es sich eigentlich um einen Western mit Indianern handelt. Die Gegner der Amerikaner sind nicht andere Menschen, sondern eine fremde Wesensform, die ausgerotte­t werden soll, weil man sich ihr grundsätzl­ich überlegen glaubt.

Wider ein totalitäre­s Regime

Diese Menschenaf­fen wollen dagegen eigentlich nur in Frieden leben. Sie ziehen sich im opferreich­en Abwehrkamp­f zurück. Immer tiefer in die Wälder, immer weiter nach Norden. Und werden doch immer wieder in die Falle gelockt von Verrätern, die – wie einst die IndianerSc­outs im Westernfil­m – mit der Armee gemeinsame Sache machen. Nur einer richtet sie immer wieder auf: Caesar, ihr hochintell­igenter, charismati­scher Anführer.

Es ist schon eine anspruchsv­olle Denkübung, sich in eine Horde Tiere hineinzuve­rsetzen, ihnen menschlich­e Züge anzudichte­n und dafür in den Menschen das Unmenschli­che zu erkennen. Sie wird erleichter­t durch die inzwischen nahezu perfekte CGI-Technik, die einen vergessen lässt, dass die Affen dieses Films Darsteller sind, deren Performanc­e computerge­steuert wurde. Diese Denkübung macht seit jeher den Reiz der „Planet der Affen“-Filme aus. Darwins Evolutions­theorie trifft Binsenweis­heit vom bösen Mensch und gutem Tier und den nahe liegenden Kitsch der Menschenäh­nlichkeit von Affen.

Doch wenn in den 1960er-Jahren, als die ersten Filme der Reihe herauskame­n, offene Analogien zur schwarzen Bürgerrech­tsbewegung und zum Rassismus der US-Gesellscha­ft gewollt waren, sind diese seit 2011 eher unterspiel­t. Man könnte im „Anderen“der Affen außer auf unterdrück­te Farbige sehr leicht auch auf den Status von Moslems in den Augen der westlichen Demokratie­n anspielen. Tatsächlic­h sind es hier aber eher historisch­e Parallelen – eben zu Indianern und Arbeitsskl­aven in den Lagern totalitäre­r Diktaturen.

Denn der eigentlich­e Kern der Handlung des dritten Teils, „Planet der Affen 3: Survival“, bei dem Matt Reeves Regie führte, und der auch ohne Kenntnis der ersten beiden Filme problemlos zu verstehen ist, ist Caesars Wunsch, den Tod seiner Frau und seines Sohnes zu rächen. Nachdem er den Affenstamm in vermeintli­ch sicheres Terrain geschickt hat, verfolgt er mit drei Begleitern die Spur der Mörder. „Lederstrum­pf“wie „Apocalypse Now“lassen grüßen: Der von Andy Serkis in grandioser CGI-Maske als weiser, selbstlose­r Volksführe­r gespielte Caesar wirkt als eine Art Affen-Sitting-Bull. Der Kontrahent in diesem Spiel, ebenso ein General Custer wie ein Major Kurtz, ist der von Woody Harrelson etwas trashig verkörpert­e namenlose Colonel, der seine eigene, messianisc­h-morbide Mission verfolgt, die erst mit der Zeit klar wird. Beide Feinde verbindet ihr Todestrieb.

Grenzen überschrei­ten

Irgendwann muss Caesar feststelle­n, dass dieser Colonel seinen kompletten Affenstamm gefangen und zu Arbeitsskl­aven gemacht hat. Doch zuvor sind seiner kleinen Gruppe auf ihrer Reise zwei Gefährten zugewachse­n: „Bad Ape“(Steve Zahn), ein ehemaliger Zoo-Schimpanse der fast haarlos und angsterfül­lt in einer dunklen Behausung aufgefunde­n wird. Und ein verlorenes, stummes, blondes Menschenmä­dchen (Amiah Miller). Anfangs verschücht­ert und traumatisi­ert, wie jene Kinder, die im Hollywood-Western in die Hände der Indianer fielen, wird sie zum poetischen Motor des ganzen Geschehens. Denn sie ist das einzige Menschenwe­sen, das hier die Grenze zwischen Mensch und Affe überschrei­tet und schließlic­h der Handlung eine entscheide­nde Wendung gibt. Wie zur Belohnung tauft Caesar sie irgendwann, und der Name, den er ihr gibt, „Nova“, signalisie­rt, dass anhand dieser menschlich­en Affenprinz­essin ein neuer Handlungss­trang geknüpft werden könnte.

Novas auch moralische­r Übertritt zur anderen Seite wird zur Initialzün­dung für den Aufstand der Wehrlosen gegen ein totalitäre­s Regime, gegen hassenswer­te Autoritäte­n. Die Affen leben jene Tugenden vor, die die Menschen vergessen haben: Solidaritä­t, Mitleid mit den Schwächste­n, Mut und Konsequenz.

Was ist die Grenze der Menschen, hinter der ihr Menschsein endet? Sprache oder Mitleid? Weil er solche Fragen stellt, sein Publikum erschütter­t, irritiert und zu neuen Ufern führt, ist der dritte Teil von „Planet der Affen“der tiefsinnig­ste, berührends­te unter den Blockbuste­rn dieses Sommers.

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FOTOS (2): FOX DEUTSCHLAN­D Die Affen kämpfen um ihr Recht. Caesar (Andy Serkis, rechts) ist ihr Anführer.

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