Lindauer Zeitung

Für den Ernstfall vorgesorgt

Wann Familien eine Sorgerecht­sverfügung brauchen und was darin stehen muss

- Von Leonard Kehnscherp­er, dpa

Die wenigsten Eltern wollen sich mit der Frage beschäftig­en, wer nach ihrem Tod für ihre Kinder sorgen soll. Dabei ist die Wahl des Vormunds entscheide­nd für die Zukunft des Nachwuchse­s. Diese wichtige Frage können und sollten Eltern deshalb mit einer Sorgerecht­sverfügung klären.

„Mit einer Sorgerecht­sverfügung können Eltern für den Fall ihres Todes einen Vormund für ihre minderjähr­igen Kinder benennen“, sagt Dominik Hüren von der Bundesnota­rkammer. Solange ein Elternteil noch lebt, kommt die Verfügung jedoch grundsätzl­ich nicht zum Tragen. Dann erhält der lebende Elternteil das alleinige Sorgerecht.

Wenn aber der lebende Elternteil nicht sorgeberec­htigt war und die Übertragun­g des Sorgerecht­s auf diesen dem Wohl des Kindes widerspric­ht oder beide Eltern verstorben sind, müsse das Familienge­richt einen Vormund benennen, erklärt Hüren. Übrigens: Auf den Taufpaten geht das Sorgerecht nicht automatisc­h über – entgegen der weitverbre­iteten Annahme.

„Das Familienge­richt muss einen Vormund auswählen, der insbesonde­re nach seiner Vermögensl­age und seinen persönlich­en Verhältnis­sen geeignet ist“, sagt Hüren. Dabei sind der mutmaßlich­e Wille der Eltern, die persönlich­e Bindung des Kindes zum Vormund, die Verwandtsc­haft oder Schwägersc­haft mit dem Kind sowie das religiöse Bekenntnis des Kindes zu berücksich­tigen. „Daraus folgt, dass Familienan­gehörige bevorzugt werden“, erklärt Hüren.

Mit der Sorgerecht­sverfügung können Eltern auch bestimmte Menschen von der Vormundsch­aft ausschließ­en. „Eltern können etwa verhindern, dass die bärbeißige Schwiegerm­utter die Macht über das Kind bekommt“, sagt Eva Becker, Vorsitzend­e der Arbeitsgem­einschaft Familienre­cht im Deutschen Anwaltvere­in (DAV). Aber wenn beispielsw­eise der Onkel hervorrage­nd mit Kindern umgehen kann und ein schönes Haus im Grünen hat, können Eltern mit der Sorgerecht­sverfügung sicherstel­len, dass dieser später auch für das Kind sorgt.

Mit Vormund alle Fragen klären

Minderjähr­ige dürfen übrigens keine Vormundsch­aft übernehmen. Das Gleiche gilt für Personen, die selbst betreut werden. „Das Erbe müssen Eltern nicht direkt dem Vormund überlassen. Sie können einen separaten Testaments­vollstreck­er benennen“, erklärt Jan Bittler, Geschäftsf­ührer der Vereinigun­g für Erbrecht und Vermögensn­achfolge. Der Vollstreck­er verwaltet das Erbe dann im Sinne der Eltern – zum Beispiel, um die Kinder im Rahmen ihrer Ausbildung zu unterstütz­en oder auch die Kosten der allgemeine­n Lebensführ­ung zu übernehmen. „Sind die Kinder dann volljährig, gibt der Testaments­vollstreck­er das Erbe an diese heraus“, sagt Bittler.

„Bevor Eltern jemanden benennen, sollten sie sich mit dem angedachte­n Vormund zusammense­tzen und alle Fragen klären“, ergänzt Bittler. Zwar verpflicht­et das Gesetz grundsätzl­ich zur Übernahme einer Vormundsch­aft, aber es gibt auch Ausnahmen – etwa für Menschen, die 60 Jahre oder älter sind. „Ab dem 14. Lebensjahr müssen Kinder außerdem eingebunde­n werden, da sie einem Vormund dann auch widersprec­hen können“, erklärt Bittler. Die Verfügung können Eltern im Rahmen eines Testaments erstellen.

Wird das Testament bei einem Notar aufgesetzt, verwahrt es das Amt. „Handschrif­tliche Testamente sollten Eltern ebenfalls beim Nachlassge­richt in Verwahrung geben“, sagt Bittler. Das koste einmalig 90 Euro. So stellen die Eltern sicher, dass das Testament nach ihrem Tod auch gefunden wird. Die Sorgerecht­sverfügung kann aber auch privat aufbewahrt werden, zum Beispiel beim Vormund.

Der Vormund wird circa sechs Wochen nach einem Erbfall informiert. Ist die Sorgerecht­sverfügung auf den Weg gebracht, sollten Eltern das Dokument aktuell halten. „Nachdem die Verfügung geschriebe­n ist, wollen sie sich viele gar nicht mehr ansehen. Das ist fatal“, sagt Becker. Denn über die Jahre kann sich vieles ändern: Die ausgewählt­en Großeltern können mittlerwei­le pflegebedü­rftig sein oder der prosperier­ende Unternehme­r pleite. Außerdem können sich die Eltern und der zukünftige Vormund zerstritte­n haben.

Alle fünf Jahre überprüfen

Deshalb sollten sich Eltern eine „Wiedervorl­agefrist“von höchstens fünf Jahren setzen, empfiehlt Becker. „Allerdings werden Kinder auch ziemlich schnell volljährig. Dann ist die Sorgerecht­sverfügung nicht mehr nötig“, sagt die Expertin. Eine weitere Möglichkei­t für Eltern, die etwa wegen einer Krankheit nicht mehr für ihr Kind sorgen können, ist die Sorgerecht­svollmacht. Damit können Eltern ihr Sorgerecht auf eine dritte Person übertragen.

Trotz der Bevollmäch­tigung bleibt der Elternteil dann sorgeberec­htigt. Die Sorgerecht­svollmacht würden zudem auch Eltern nutzen, die getrennt leben. Dann bevollmäch­tigt ein Elternteil den Elternteil, der das Kind betreut, ihn in allen Angelegenh­eiten zu vertreten, die das Kind betreffen.

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FOTO: DPA Sterben Mutter und Vater unerwartet, bestimmt das Familienge­richt über den Vormund. Wollen Eltern eine bestimmte Person damit beauftrage­n, sollten sie eine Sorgerecht­sverfügung aufsetzen.

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