Leben auf Pump
Der Erdüberlastungstag ist im Kalender wieder einige Tage nach vorn gerückt
BERLIN (KNA) - Wer jeden Monat sein Konto überzieht, ist schnell pleite. Von heute an leben auch wir 7,5 Milliarden Erdbewohner quasi auf Pump. Nach Berechnungen von Wissenschaftlern des Global Footprint Network, einer Forschungsgruppe mit Sitz im kalifornischen Oakland, sind heute die gesamten nachhaltig nutzbaren Ressourcen der Erde für dieses Jahr verbraucht. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Erdüberlastungstag oder Welterschöpfungstag erneut um sechs Tage nach vorn gerückt.
Die Menschheit lebt von der Substanz. Sie verbraucht mehr Holz, Pflanzen, Futtermittel, Fisch und Nahrungsmittel, als in Fischgründen, Wald-, Weide- und Ackerflächen jährlich generiert werden können. Mit einer Aktion am Brandenburger Tor in Berlin wollten Aktivisten mehrerer Organisationen heute auf die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen hinweisen und die nächste Bundesregierung auffordern, sich für konkrete Maßnahmen zur Senkung des Ressourcenverbrauchs einzusetzen. „Die Erde ist kein Onlineshop mit scheinbar unbegrenztem Angebot. Jetzt ist der Laden leer“, erklärt Christoph Röttgers von der Naturschutzjugend. „Alles, was wir ab heute verbrauchen, ist Diebstahl an künftigen Generationen. Es ist Aufgabe der Politik, das zu verhindern.“
Schon seit Mitte der 1980er-Jahre ist der jährliche Verbrauch der Menschheit an natürlichen Ressourcen größer als die Regeneration in der Natur. Noch 1987 war das Ökokonto nur leicht überzogen: Damals war der 19. Dezember der Erdüberlastungstag. Seither rutscht er im Kalender immer weiter nach vorne. 2011 war schon am 27. September alles aufgebraucht. 2012 kam ein ganzer Schuldenmonat dazu: Tag der Erderschöpfung war der 22. August. 2016 war es am 8. August so weit.
Die Weltbevölkerung wächst, der Verbrauch an Brennstoffen und Nahrungsmitteln steigt. Um den weltweiten Bedarf an natürlichen Ressourcen wie Wäldern, Ackerland und Fischgründen zu decken, bräuchte die Weltbevölkerung 1,7 Erden, haben Wissenschaftler errechnet. „Weitermachen wie bisher würde heißen, dass wir im Jahre 2030 schon zwei Erden bräuchten und vielleicht 2050 dann drei Erden“, sagt Jürgen Knirsch, Experte bei Greenpeace. Den Berechnungen zufolge leben mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern mit einem ökologischen Defizit. Deutschland ist alles andere als ein Vorbild: Würden alle Länder der Welt so wirtschaften wie die Bundesrepublik, wären nach Angaben von Germanwatch sogar 3,2 Planeten nötig. Für Deutschland allein wurde der Erdüberlastungstag deshalb heuer schon am 24. April ausgerufen. Vor allem der enorme Flächenbedarf, insbesondere für den Anbau von Futtermitteln für die Fleischproduktion, sowie die hohen CO2-Emissionen in den Bereichen Energie, Verkehr und industrieller Landwirtschaft tragen hierzulande zur Überlastung der Erde bei.
Deutschland auf Rang 31
Damit liegt der ökologische Fußabdruck Deutschlands im oberen Viertel aller Länder; die Bundesrepublik liegt auf Platz 31 im weltweiten Ranking. Zum Vergleich: Bei einem weltweiten Konsum- und Lebensstil wie in den USA wären fünf Erden notwendig, bei einem Lebensstil wie in China 2,1 Erden, in Frankreich und Großbritannien drei.
Das Global Footprint Network verweist darauf, dass sich der ökologische Fußabdruck der USA und der Bundesrepublik in den vergangenen fünf Jahren deutlich verkleinert habe – wegen der Wirtschaftskrise, aber auch Dank der Klimaschutzmaßnahmen und der Energiewende. Derzeit, so Wackernagel, mache derCO2-Ausstoß fast 60 Prozent des ökologischen Fußabdrucks weltweit aus. „Wenn wir ihn auf die Hälfte begrenzen könnten, würde sich der Welterschöpfungstag um fast drei Monate nach hinten verschieben.“