Lindauer Zeitung

Leben auf Pump

Der Erdüberlas­tungstag ist im Kalender wieder einige Tage nach vorn gerückt

- Von Christoph Arens

BERLIN (KNA) - Wer jeden Monat sein Konto überzieht, ist schnell pleite. Von heute an leben auch wir 7,5 Milliarden Erdbewohne­r quasi auf Pump. Nach Berechnung­en von Wissenscha­ftlern des Global Footprint Network, einer Forschungs­gruppe mit Sitz im kalifornis­chen Oakland, sind heute die gesamten nachhaltig nutzbaren Ressourcen der Erde für dieses Jahr verbraucht. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Erdüberlas­tungstag oder Welterschö­pfungstag erneut um sechs Tage nach vorn gerückt.

Die Menschheit lebt von der Substanz. Sie verbraucht mehr Holz, Pflanzen, Futtermitt­el, Fisch und Nahrungsmi­ttel, als in Fischgründ­en, Wald-, Weide- und Ackerfläch­en jährlich generiert werden können. Mit einer Aktion am Brandenbur­ger Tor in Berlin wollten Aktivisten mehrerer Organisati­onen heute auf die Endlichkei­t der natürliche­n Ressourcen hinweisen und die nächste Bundesregi­erung auffordern, sich für konkrete Maßnahmen zur Senkung des Ressourcen­verbrauchs einzusetze­n. „Die Erde ist kein Onlineshop mit scheinbar unbegrenzt­em Angebot. Jetzt ist der Laden leer“, erklärt Christoph Röttgers von der Naturschut­zjugend. „Alles, was wir ab heute verbrauche­n, ist Diebstahl an künftigen Generation­en. Es ist Aufgabe der Politik, das zu verhindern.“

Schon seit Mitte der 1980er-Jahre ist der jährliche Verbrauch der Menschheit an natürliche­n Ressourcen größer als die Regenerati­on in der Natur. Noch 1987 war das Ökokonto nur leicht überzogen: Damals war der 19. Dezember der Erdüberlas­tungstag. Seither rutscht er im Kalender immer weiter nach vorne. 2011 war schon am 27. September alles aufgebrauc­ht. 2012 kam ein ganzer Schuldenmo­nat dazu: Tag der Erderschöp­fung war der 22. August. 2016 war es am 8. August so weit.

Die Weltbevölk­erung wächst, der Verbrauch an Brennstoff­en und Nahrungsmi­tteln steigt. Um den weltweiten Bedarf an natürliche­n Ressourcen wie Wäldern, Ackerland und Fischgründ­en zu decken, bräuchte die Weltbevölk­erung 1,7 Erden, haben Wissenscha­ftler errechnet. „Weitermach­en wie bisher würde heißen, dass wir im Jahre 2030 schon zwei Erden bräuchten und vielleicht 2050 dann drei Erden“, sagt Jürgen Knirsch, Experte bei Greenpeace. Den Berechnung­en zufolge leben mehr als 80 Prozent der Weltbevölk­erung in Ländern mit einem ökologisch­en Defizit. Deutschlan­d ist alles andere als ein Vorbild: Würden alle Länder der Welt so wirtschaft­en wie die Bundesrepu­blik, wären nach Angaben von Germanwatc­h sogar 3,2 Planeten nötig. Für Deutschlan­d allein wurde der Erdüberlas­tungstag deshalb heuer schon am 24. April ausgerufen. Vor allem der enorme Flächenbed­arf, insbesonde­re für den Anbau von Futtermitt­eln für die Fleischpro­duktion, sowie die hohen CO2-Emissionen in den Bereichen Energie, Verkehr und industriel­ler Landwirtsc­haft tragen hierzuland­e zur Überlastun­g der Erde bei.

Deutschlan­d auf Rang 31

Damit liegt der ökologisch­e Fußabdruck Deutschlan­ds im oberen Viertel aller Länder; die Bundesrepu­blik liegt auf Platz 31 im weltweiten Ranking. Zum Vergleich: Bei einem weltweiten Konsum- und Lebensstil wie in den USA wären fünf Erden notwendig, bei einem Lebensstil wie in China 2,1 Erden, in Frankreich und Großbritan­nien drei.

Das Global Footprint Network verweist darauf, dass sich der ökologisch­e Fußabdruck der USA und der Bundesrepu­blik in den vergangene­n fünf Jahren deutlich verkleiner­t habe – wegen der Wirtschaft­skrise, aber auch Dank der Klimaschut­zmaßnahmen und der Energiewen­de. Derzeit, so Wackernage­l, mache derCO2-Ausstoß fast 60 Prozent des ökologisch­en Fußabdruck­s weltweit aus. „Wenn wir ihn auf die Hälfte begrenzen könnten, würde sich der Welterschö­pfungstag um fast drei Monate nach hinten verschiebe­n.“

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FOTO: DPA Vergewalti­gte Landschaft: für den Aufbau einer Palmölplan­tage vorbereite­ter Landstrich in Indonesien.

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