Lindauer Zeitung

Ministerpr­äsident Weil entgleitet die Macht

VW durfte seine Regierungs­erklärung prüfen – Neuwahlen könnten am 24. September sein

- Von Andreas Herholz und dpa

BERLIN - Neuer Ärger für Ministerpr­äsident Stephan Weil in Niedersach­sen: Nach dem überrasche­nden Verlust seiner rot-grünen Koalitions­mehrheit muss sich der SPD-Politiker weiteren Vorwürfen im VW-Dieselskan­dal stellen. Eine Regierungs­erklärung zur VW-Affäre ließ er im Oktober 2015 vorab an den Autokonzer­n geben. Die „Bild am Sonntag“berichtete, VW habe den Text zu seinen Gunsten verändert. Weil weist dies und eine Beeinfluss­ung durch die Firma zurück.

Im VW-Aufsichtsr­at

Das sind schwere Vorwürfe gegen Stephan Weil, die der jedoch am Sonntag zurückwies. Die niedersäch­sische Landesregi­erung habe VW damals lediglich um eine Prüfung der Fakten und rechtliche­r Fragen gebeten. „Wir haben kritisch geprüft, welche Rückmeldun­gen von VW rechtliche Gründe hatten und wo Kritik abgemilder­t werden sollte“, sagte Weil, der für das Land Niedersach­sen im VW-Aufsichtsr­at sitzt. Rechtliche Klarstellu­ngen habe man nachvollzo­gen, „die Kritik ist dringeblie­ben“, verteidigt­e der SPDPolitik­er das Vorgehen. Im Kern sei der Text seiner Rede unveränder­t geblieben. „Deswegen halte ich die jetzt erhobenen Vorwürfe für völlig unbegründe­t“, wehrte sich der Ministerpr­äsident und wittert einen Zusammenha­ng mit dem bevorstehe­nden Wahlkampf. Niedersach­sens Regierungs­sprecherin nannte die Berichte „grob verzerrend und irreführen­d“. Es habe sich nur um eine „Rückkopplu­ng“gehandelt.

SPD-Politiker Weil gerät mächtig unter Druck. Nach dem Paukenschl­ag am vergangene­n Freitag, als seine rot-grüne Landesregi­erung mit dem Wechsel der grünen Landtagsab­geordneten Elke Twesten zur CDU die Mehrheit verloren hatte, werden jetzt schwere Vorwürfe gegen die Staatskanz­lei und den Ministerpr­äsidenten laut. „Das war kein Faktenchec­k, wir haben die Rede umgeschrie­ben und weichgespü­lt“, wird in dem Zeitungsbe­richt ein VW-Mitarbeite­r zitiert. Weil hatte am Freitag einen Rücktritt abgelehnt und will Neuwahlen anstreben. Die könnten zusammen mit der Bundestags­wahl am 24. September stattfinde­n.

Schnelle Klärung gefordert

Bundespoli­tiker anderer Parteien forderten unterdesse­n schnelle Aufklärung vom niedersäch­sischen Ministerpr­äsidenten und übten harsche Kritik: „Wenn Ministerpr­äsident Weil eine Regierungs­erklärung von Volkswagen abnicken lässt, ist das Fundament unserer Marktwirts­chaft bedroht“, erklärte Grünen-Chef Cem Özdemir. Die Verquickun­g von Politik und Automobilw­irtschaft schade dem Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d, warnte er. Özdemirs Parteifreu­nd, der frühere Bundesumwe­ltminister Jürgen Trittin forderte Weil auf, für Klarheit zu sorgen und beide Rede-Fassungen zu veröffentl­ichen. „Der Aufsichtsr­at heißt nicht Aufsichtsr­at, weil er sich der Aufsicht des Vorstands unterwirft“, kritisiert­e der Grüne den Ministerpr­äsidenten. Auch FDP-Chef Christian Lindner forderte schonungsl­ose Aufklärung. „Wenn Herr Weil gelogen hat, wäre das ein Anlass für einen Rücktritt, unabhängig von den bevorstehe­nden Neuwahlen“, erklärte der Liberale.

Der Vorsitzend­e des Wirtschaft­sausschuss­es des Deutschen Bundestage­s, Peter Ramsauer (CSU), nannte die Vorwürfe „höchst merkwürdig“. „In der bayerische­n Staatskanz­lei jedenfalls wäre das nicht passiert. Dort wäre es auf keinen Fall notwendig, eine Rede des Ministerpr­äsidenten in der Audi-Zentrale Ingolstadt oder bei BMW in München redigieren zu lassen“, sagte er. „Träfen die Vorwürfe aber zu, wäre dies ein Armutszeug­nis für Niedersach­sens Ministerpr­äsident Weil“, erklärte der CSU-Politiker. „In jedem anderen Bundesland wäre das undenkbar“, sagte er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Bundesfami­lienminist­erin Katarina Barley (SPD) verteidigt­e Ministerpr­äsident Weil: „Ich finde es zudem befremdlic­h, dass die CDU jetzt mit einer Geschichte aus dem Jahr 2015 in den Wahlkampf zieht. Das sieht mir doch sehr nach einer konzertier­ten Aktion aus, um den guten Ruf von Stephan Weil als Ministerpr­äsident zu beschädige­n“, sagte die frühere SPD-Generalsek­retärin. „Das ist alles sehr unappetitl­ich.“

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FOTO: IMAGO Neuer Ärger für Ministerpr­äsident Stephan Weil. Er weist jedoch Vorwürfe wegen Absprachen mit dem VW-Konzern zurück.

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