Kinder erleben Paul Klee im Cavazzen
Wie aus einem Schuhkarton ein Bauhaus á la Paul Klee wird
LINDAU - Paul Klee gilt als Meister der Formen und Farben. Obendrein lehrte der Künstler der klassischen Moderne am Bauhaus. Was sich aus einfachen Vierecken, Rechtecken, Kreisen, Dreiecken oder Zickzacklinien machen lässt, haben Kinder beim Kindersommerprogramm des Kulturamts Lindau erlebt. Bei einer Führung durch die Ausstellung im Cavazzen bekamen sie Einblicke in das Leben, Denken und Schaffen des Malerpoeten und setzten diese gleich beim Bauhaus-Workshop um.
Der Nebenraum im Cavazzen ist rappelvoll. 18 Kinder aus Lindau und solche, die hier ihre Ferien verbringen, haben sich angemeldet, um Paul Klee zu erleben und beim Puppenhausworkshop ein Haus im Bauhausstil zu bauen, das sie dann mit nach Hause nehmen dürfen. Es ist mucksmäuschenstill, als die Lindauer Museumspädagogin und Kunstvermittlerin Helen Fellner erzählt, was Klee aus Rechtecken, Vierecken, Kreisen und Dreiecken hat werden lassen. Zur Anschauung zieht sie eine Form nach der anderen aus einem Säckchen und die Kinder dürfen sagen, was sie sehen. Der simple Kreis wird in der Fantasie schnell zur Sonne, das Viereck zum Haus, das Dreieck zum Dach, das Zickzack zur Schlange.
Eifrig bei der Sache ist die neunjährige Sophia. Bei jeder Frage schnellt ihr Finger in die Höhe. Die Lindauerin lässt ihrer Fantasie freien Lauf. „Ich hab schon bei dem PaulKlee-Malwettbewerb mitgemacht und in der Schule haben wir einen Prospekt gekriegt, da standen ganz viele Aktionen drauf und da wollte ich hier auch mitmachen.“
Bauhaus-Werke im Mittelpunkt
Helen Fellner teilt inzwischen Kopfhörer an die Kinder für die Führung aus. Doch nicht nur Sophia, auch der dreizehnjährige Marco ist bekennender Paul Klee Fan. Der Junge aus Fürstenfeldbruck ist an diesem Tag dabei, weil er den Künstler bereits in der dritten Klasse vorgestellt bekam und nun die Gelegenheit nutzen will, ihn noch besser kennen zu lernen. Denn, so gibt Marco bereitwillig Auskunft, „ich fand ihn schon damals interessant“. Interessant ist für die Kinder der Gang durch die Ausstellungsräume. Weil das Thema des anschließenden Workshops „Bauhaus“lautet, lenkt die Museumspädagogin die Kinderaugen auf jene Werke Paul Klees, die er in jener Zeit geschaffen hat, in der er am Bauhaus in Weimar und Dessau als „Formenmeister“gelehrt hat. Auf die „arabische Stadt“oder das „Triadische Ballett“. Wegen des Federnschmucks der Tänzerinnen sehen die Kinder zuerst einmal nur Hühner. „Das ist ja toll! Ihr seht Dinge, die ich noch nie gesehen habe“, freut sich Helen Fellner und erklärt, dass es auch Paul Klee stets darum ging, die Fantasie anzuregen und die Dinge hinter den Dingen sichtbar zu machen. Zur Veranschaulichung zeigt sie Klees Bild hinter einem Bild. Es ist für die Augen des Betrachters normalerweise unsichtbar, denn der Künstler hat es auf die Rückseite gemalt, um die Geschichte der Vorderseite weiter zu erzählen. Beim „Mädchen am Fenster“so erzählt Fellner, wollte Paul Klee zeigen, wie es drinnen und wie es draußen aussehe. „Ich möchte die Kinder dazu ermutigen, sich zu dem, was sie sehen, eine Geschichte auszudenken. Denn das hätte Paul Klee gefallen“, so Helen Fellner.
Von der Welt des Abstrakten zum Reich des Gegenständlichen trennten die Kinder wenige Treppenstufen. Angekommen im Werkraum des Cavazzen öffnete sich ein Paradies aus Farben, Stiften, Materialien und Werkzeugen. Dort warteten die Memminger Kunsthistorikerin Regina Gropper und die Galeristin Kirsten Köllner, die das Projekt „Mein tragbares (Bau)Haus“entwickelt haben mit Schuhkartons. Das Rechteck sei eine bevorzugte Form der Bauhausarchitektur, erklärt Gropper und zeigt den Kindern, wie mithilfe eines Cutters aus einem einfachen Viereck ein Fenster und aus einem Rechteck eine Türe wird. Eifrig machen sich die Kinder an die Arbeit. Während Sophia noch mit der Fassadeneinteilung kämpft, hat Marco schon seinen „Bauhaus-Vorgarten“mit einem in grün Tönen gehaltenen FlamingoBild beklebt und ist dabei für die Inneneinrichtung im Bauhaus-Stil Möbel aus einemKatalog auszuschneiden. Raum für Interpretationen lassend resümiert er: “Mich fasziniert, dass man bei Paul Klee zwei Mal hinsehen muss, um was zu erkennen.“