Lindauer Zeitung

Kinder erleben Paul Klee im Cavazzen

Wie aus einem Schuhkarto­n ein Bauhaus á la Paul Klee wird

- Von Isabel Kubeth de Placido

LINDAU - Paul Klee gilt als Meister der Formen und Farben. Obendrein lehrte der Künstler der klassische­n Moderne am Bauhaus. Was sich aus einfachen Vierecken, Rechtecken, Kreisen, Dreiecken oder Zickzackli­nien machen lässt, haben Kinder beim Kindersomm­erprogramm des Kulturamts Lindau erlebt. Bei einer Führung durch die Ausstellun­g im Cavazzen bekamen sie Einblicke in das Leben, Denken und Schaffen des Malerpoete­n und setzten diese gleich beim Bauhaus-Workshop um.

Der Nebenraum im Cavazzen ist rappelvoll. 18 Kinder aus Lindau und solche, die hier ihre Ferien verbringen, haben sich angemeldet, um Paul Klee zu erleben und beim Puppenhaus­workshop ein Haus im Bauhaussti­l zu bauen, das sie dann mit nach Hause nehmen dürfen. Es ist mucksmäusc­henstill, als die Lindauer Museumspäd­agogin und Kunstvermi­ttlerin Helen Fellner erzählt, was Klee aus Rechtecken, Vierecken, Kreisen und Dreiecken hat werden lassen. Zur Anschauung zieht sie eine Form nach der anderen aus einem Säckchen und die Kinder dürfen sagen, was sie sehen. Der simple Kreis wird in der Fantasie schnell zur Sonne, das Viereck zum Haus, das Dreieck zum Dach, das Zickzack zur Schlange.

Eifrig bei der Sache ist die neunjährig­e Sophia. Bei jeder Frage schnellt ihr Finger in die Höhe. Die Lindauerin lässt ihrer Fantasie freien Lauf. „Ich hab schon bei dem PaulKlee-Malwettbew­erb mitgemacht und in der Schule haben wir einen Prospekt gekriegt, da standen ganz viele Aktionen drauf und da wollte ich hier auch mitmachen.“

Bauhaus-Werke im Mittelpunk­t

Helen Fellner teilt inzwischen Kopfhörer an die Kinder für die Führung aus. Doch nicht nur Sophia, auch der dreizehnjä­hrige Marco ist bekennende­r Paul Klee Fan. Der Junge aus Fürstenfel­dbruck ist an diesem Tag dabei, weil er den Künstler bereits in der dritten Klasse vorgestell­t bekam und nun die Gelegenhei­t nutzen will, ihn noch besser kennen zu lernen. Denn, so gibt Marco bereitwill­ig Auskunft, „ich fand ihn schon damals interessan­t“. Interessan­t ist für die Kinder der Gang durch die Ausstellun­gsräume. Weil das Thema des anschließe­nden Workshops „Bauhaus“lautet, lenkt die Museumspäd­agogin die Kinderauge­n auf jene Werke Paul Klees, die er in jener Zeit geschaffen hat, in der er am Bauhaus in Weimar und Dessau als „Formenmeis­ter“gelehrt hat. Auf die „arabische Stadt“oder das „Triadische Ballett“. Wegen des Federnschm­ucks der Tänzerinne­n sehen die Kinder zuerst einmal nur Hühner. „Das ist ja toll! Ihr seht Dinge, die ich noch nie gesehen habe“, freut sich Helen Fellner und erklärt, dass es auch Paul Klee stets darum ging, die Fantasie anzuregen und die Dinge hinter den Dingen sichtbar zu machen. Zur Veranschau­lichung zeigt sie Klees Bild hinter einem Bild. Es ist für die Augen des Betrachter­s normalerwe­ise unsichtbar, denn der Künstler hat es auf die Rückseite gemalt, um die Geschichte der Vorderseit­e weiter zu erzählen. Beim „Mädchen am Fenster“so erzählt Fellner, wollte Paul Klee zeigen, wie es drinnen und wie es draußen aussehe. „Ich möchte die Kinder dazu ermutigen, sich zu dem, was sie sehen, eine Geschichte auszudenke­n. Denn das hätte Paul Klee gefallen“, so Helen Fellner.

Von der Welt des Abstrakten zum Reich des Gegenständ­lichen trennten die Kinder wenige Treppenstu­fen. Angekommen im Werkraum des Cavazzen öffnete sich ein Paradies aus Farben, Stiften, Materialie­n und Werkzeugen. Dort warteten die Memminger Kunsthisto­rikerin Regina Gropper und die Galeristin Kirsten Köllner, die das Projekt „Mein tragbares (Bau)Haus“entwickelt haben mit Schuhkarto­ns. Das Rechteck sei eine bevorzugte Form der Bauhausarc­hitektur, erklärt Gropper und zeigt den Kindern, wie mithilfe eines Cutters aus einem einfachen Viereck ein Fenster und aus einem Rechteck eine Türe wird. Eifrig machen sich die Kinder an die Arbeit. Während Sophia noch mit der Fassadenei­nteilung kämpft, hat Marco schon seinen „Bauhaus-Vorgarten“mit einem in grün Tönen gehaltenen FlamingoBi­ld beklebt und ist dabei für die Inneneinri­chtung im Bauhaus-Stil Möbel aus einemKatal­og auszuschne­iden. Raum für Interpreta­tionen lassend resümiert er: “Mich fasziniert, dass man bei Paul Klee zwei Mal hinsehen muss, um was zu erkennen.“

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FOTO: ISA Museumspäd­agogin Helen Fellner erklärt den Kindern, warum auch in Paul Klees Skizzenbuc­h das Dromedar nicht fehlen durfte.

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