Warum wird OB nicht wieder OB?
Zum Bericht: „Mich beschäftigt die unerträgliche Polarisierung in der Stadt, LZ vom 2. August: An die unflätigen Rüpel und lügnerischen Märchenonkels, die unsere überfreie Kommunikationslandschaft dazu missbrauchen, ihre Profilneurosen auch an unseren Politikern auszuleben, müsste sich unser OB eigentlich schon gewöhnt haben. Seine Feinfühligkeit in allen Ehren, aber ohne ein dickes Fell geht es in der Politik halt nicht. Das ist aber kein speziell Lindauer Problem, sondern ein allgemeines.
Diesen Typen, die OB Dr. Ecker zu Recht „unerträglich“findet, muss deutlich entgegengehalten werden, das ist klar, aber sicherlich darf das nicht durch eine Einschränkung der in Bayern beispielhaften direkten Demokratie in Form der Bürgerentscheide versucht werden. Die mögen der Verwaltung vielleicht das Leben schwermachen, aber vielfach hat das die Verwaltung auch nicht anders verdient. „Vox populi est vox bovi“, das wussten schon die alten Römer, also: „die Stimme des Volkes ist die Stimme der Rindviecher“, aber (Tucholsky:) „die Leute verstehen vieles falsch, aber sie fühlen manches richtig“. Damit muss der direktdemokratische Bürgerentscheid als notwendiges Gegengewicht zu einer immer schwächlicher funktionierenden Kontrolle des Verwaltungshandelns angesehen werden. Wo die exekutive Gewalt der Behörden die einschlägige Gerichtsbarkeit wegen deren Überlastung immer weniger fürchten muss, wo auch harsche Kritik der Rechnungshöfe an bedauerlichen Fehlleistungen der Verwaltung wenig ändert, bleibt der Bürgerentscheid ein heilsames Korrektiv. Die generell hohe Qualität der öffentlichen Verwaltung in der Schweiz, die unter meist direkter Kontrolle des eidgenössischen Referendums steht, ist ein eindrucksvoller Beweis.
Andererseits ist der Lindauer Verwaltung auch anzuerkennen, dass sie trotz vieler Widerstände – auch des abstimmenden Bürgers – in den letzten Jahren überhaupt das hingekriegt hat, was derzeit entstanden ist, oder noch entsteht. Dabei sind mögliche „große Würfe“, speziell bei den Jahrhundertprojekten, regelmäßig verfehlt worden. Was jetzt realisiert wird, ist nun nicht wirklich schlecht, aber eben auch nicht wirklich gut. Wer sich aber über die Mittelmäßigkeit von Lindau-Lummerland beklagen will, muss sich an „der eigenen Nase fassen“, solange er nicht bereit war, selbst politisch aktiv zu werden. Und das muss man der BI zu Gute halten. Die haben’s jedenfalls versucht und verdienen deswegen nicht, als unerträgliche Störenfriede abqualifiziert zu werden (mit Ausnahme vielleicht des vom OB zu Recht kritisierten ehemaligen Amtsträgers). Was die nächste Amtszeit eines Lindauer OB angeht: Ich würde mich freuen, wenn kein Schwächerer an seine Stelle treten würde – und warum eigentlich nicht er selbst? Cornelius Wiedemann, Lindau