Freispruch nach zweifelhaften Zeugen-Aussagen
Zwei Lindauer sollen auf der Insel „Sieg Heil“gerufen haben – Beweise reichen nicht für Verurteilung
- Die Parolen „Heil Hitler“und „Sieg Heil“sind in Deutschland verboten. Wer derlei Sprüche laut vernehmlich von sich gibt, muss mit einer Anklage rechnen. Das haben jetzt zwei 20- und 21-Jährige erfahren, die sich vor dem Amtsgericht Lindau wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“verantworten mussten. Am Ende wurden sie freigesprochen: Die Aussagen von zwei Zeugen waren im Lauf der Verhandlung mehr und mehr ins Wanken geraten.
Die Staatsanwaltschaft stützte sich bei ihrer Anklage vor allem auf die Aussagen zweier Zeugen – einer 28-jährigen Angestellten einer Bar und eines Security-Mitarbeites. Demnach hatten die beiden Angeklagten im Dezember vergangenen Jahres mit drei anderen Jugendlichen gegen drei Uhr nachts eine Wohnung auf der Lindauer Insel verlassen. Auf dem Nachhauseweg beschimpften sie die benachbarte Bar als „Nazischuppen“. Zudem soll laut vernehmlich mehrfach der Ausdruck „Sieg Heil“gefallen sein.
Belastet wurden die beiden Angeklagten vor allem durch die Aussage der 28-Jährigen. Die Zeugin behauptete, sie habe vom Hinterhof der Bar und in der Gaststätte „Sieg Heil“gehört. Zudem hätten die Angeklagten auch noch „Heil Hitler“gerufen. Dabei habe sie die Stimmen der beiden Angeklagten zweifelslos identifizieren können. Grund: Die zwei Lindauer kennt sie von früher. „Sie sind in der Bar regelmäßig negativ aufgefallen, sie haben andere Gäste beleidigt und Gläser zerstört“, erzählte die Zeugin. Daher habe sie den Angeklagten vor rund zwei Jahren ein Hausverbot erteilt. Das Problem an den Aussagen: Bei der polizeilichen Vernehmung hatte die 28-Jährige nur von „Sieg Heil“aber nicht von „Heil Hitler“gesprochen. Dazu geriet auch der SecurityMitarbeiter im Laufe der Vernehmung mehr und mehr ins Wanken. „Am Ende kannte er gerade noch seinen Namen“, wie es Richterin Brigitte Grenzstein am Ende formulierte.
Die jungen Männer selbst erzählten eine andere Version der Geschichte: Ein Freund habe lediglich „Scheiß Nazis“gerufen, jedoch keine rechtsradikalen Parolen. „Ich würde so etwas nie sagen. Ich habe selbst einen multikulturellen Freundeskreis“, sagte der 20-jährige Angeklagte. Ein als Zeuge geladener 18Jähriger, der mit den Angeklagten in der Nacht unterwegs war, bestätigte diese Version. Ein weiterer Zeuge verweigerte die Aussage – gegen ihn hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage eingeleitet. Ebenso wie gegen zwei andere Jugendliche,
sagte der 20-jährige Angeklagte.
die die Angeklagten mit ihrer Aussage bei der Polizei entlastet hatten. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft kritisierte ein Verteidiger harsch. Die Anklagebehörde habe durch die Einleitung der Ermittlungsverfahren Entlastungszeugen quasi aus dem Verkehr gezogen. Klarheit brachte die Aussage eines Polizeibeamten, der auf Antrag der Verteidigung Fotos vom Tatort gemacht hatte. Demnach hat die 28-jährige Zeugin nach Ansicht von Richterin Grenzstein in einem Punkt „objektiv“etwas Falsches gesagt. Die junge Frau hatte behauptet, vom Treppenhaus gingen Fenster zum Bar-Hinterhof. Ein Grund, weshalb sie die Stimmen klar gehört haben wollte. Fenster vom Treppenhaus in den Innenhof gibt es aber nicht. Am Ende plädierte auch die Anklagevertretung auf Freispruch, obwohl der Staatsanwalt überzeugt war, dass entsprechende Naziparolen gefallen sind. „Wir müssen die Straftat einwandfrei nachweisen. Da haben sie Glück, dass die Beweise nicht reichen“, erklärte er den beiden Angeklagten. Richterin Grenzstein sprach die beiden Lindauer frei. Die Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung seien im Vergleich zur polizeilichen Vernehmung deutlich erweitert und teilweise falsch gewesen, begründete sie.
„Ich habe selbst einen multikulturellen Freundeskreis“,