Je größer die Leidenschaft, desto dünnhäutiger
VfB-Box-Abteilungsleiter Klaus Kaibach ist auch Kampfrichterobmann des BVBW
FRIEDRICHSHAFEN - Noch immer – knapp einen Monat vor dem Beginn der Titelkämpfe– scheint es so, als ob viele Sportbegeisterte nicht wissen, dass die Box-Weltmeisterschaften in Hamburg stattfinden. Dabei sollen sie dem Boxsport hierzulande einen Popularitätsschub verleihen. 280 Kämpfer aus 80 Nationen steigen vom 25. August bis 2. September in der Alsterdorfer Sporthalle bei der dritten WM in Deutschland in den Ring. Stolz ist auch der Häfler Klaus Kaibach, VfB-Abteilungsleiter und Kampfrichterobmann des Boxverbands Baden-Württemberg, da mit Holger Kußmaul einer von nur zwei Punkt- und Ringrichtern aus Württemberg kommt.
Klaus Kaibach hat keine Bedenken, oder Ängste, dass der Boxsport einen derart großen Schaden wie noch bei den letzten Olympischen Spielen in Rio nehmen könnte. Der Welt-Boxverband AIBA hatte alle 36 in Rio de Janeiro eingesetzten Punktund Kampfrichter wegen fragwürdiger Entscheidungen bei den Spielen in Brasilien vorläufig gesperrt. Leidtragende der Fehlurteile kamen in erster Linie aus Irland, Kasachstan und den USA, aber auch Faustkämpfer aus Deutschland wurden nicht bevorteilt.
Fünf der sechs Starter scheiterten im vergangenen Sommer bereits in Runde eins, der Hamburger Weltergewichtler Artem Harutyunyan durfte sich über die Bronzemedaille freuen und bewahrte den DBV somit vor einem Fiasko.
Neun verpassen Medaillenränge
Auch bei der EM heuer in der Ukraine, wo zehn Boxer aus Deutschland antraten, kamen neun nicht in die Medaillenränge und scheiterten teils früh. Nicht so Weltergewichtler Abass Baraou, der deutsche Europameister mit togolesischer Abstammung. Zuletzt war es also immer einer, der durchkam.
Der Gastgeber wird auch in Hamburg, wo erst spät die Werbemaßnahmen für die Titelkämpfe anliefen, in allen Gewichtsklassen vertreten sein, hinzu kommt viel geballte Kompetenz am Ring und in der Organisation, in der etwa auch BVBW-Präsident und DBV-Vize Uwe Hamann aus Salem oder mit Patricia Tauscher (Pforzheim) und Reza Müller (Weinheim) weitere Kampfrichter aus Baden-Württemberg wirken. Im Ring wird allerdings neben Kußmaul vom DABC Schwäbisch-Gmünd nur noch der Rostocker Jürgen Schröder für Ordnung sorgen. Kaibach hebt allerdings auch den ehemaligen Bundestrainer Helmut Ranze hervor, der bei der 70. Geburtstagsfeier der AIBA als bester Supervisor 2016 ausgezeichnet wurde.
Fremde Namen
Helmut Ranze ist Vorsitzender der technischen- und Regelkommission der AIBA, seine Auszeichnung erhielt er vom EC-Mitglied der AIBA und Präsident des Deutschen Boxsport-Verbandes, Jürgen Kyas. Die Zeiten, als aktive deutsche Boxer wie die Boxsport-Legende Max Schmeling oder auch Henry Maske für Gesprächsstoff sorgten, sind allerdings erst einmal vorbei.
Baraou kannte bis zu seinem EMTitel kaum jemand. Und der einzige amtierende Profi-Weltmeister ist der Berliner Tyron Zeuge, WBA-Titelträger im Supermittelgewicht – der Gewichtsklasse des Häfler UBF-Europameisters Anatoli Muratov. Holger Kußmaul, dessen Vater Harry erfolgreicher Trainer und Funktionär war, ist der erste Drei-Sterne-AIBAKampfrichter im BVBW, „wir haben beide vor 17 Jahren mit dem Kampfrichterwesen begonnen“, weiß Klaus Kaibach, der die internationale Lizenz besitzt und seit 2004 Kampfrichterobmann seines Verbandes ist, während Kußmaul in den Ringen dieses Kontinents seine Heimat gefunden hat.
„Faire Urteile“
Zuletzt war der 52-Jährige bei der World Series in Paris, London und Mailand sowie der EM in der Ukraine eingesetzt, sein erklärtes Ziel sind die Olympischen Spiele 2020. „Gute und faire Urteile erwarte ich“, so sein kurzes Statement zur anstehenden WM im hohen Norden.
VfB-Abteilungsleiter Klaus Kaibach richtete bei der letzten Landesmeisterschaft einen Appell an Trainer und Funktionäre, der auch für den Häfler selbst vollkommen überraschend mit Beifall bedacht wurde. „In unserem Sport ist viel Adrenalin im Spiel, umso mehr sollten alle ihre Emotionen im Zaum halten. Je leidenschaftlicher ich an eine Sache herangehe, desto dünnhäutiger werde ich. Aber unsere Strukturen passen schließlich“, so der 65-Jährige, der jedoch zugibt, dass sich die Wettkampfbestimmungen zu oft ändern würden. „Aber dann muss ich mich eben mit diesen beschäftigen und sie an meine Boxer weitergeben“, so der deutliche Hinweis von Kaibach an die Trainer.