Lindauer Zeitung

Ihre Bilder sind ihre Kinder

LZ-Leserfahrt: 30 Lindauer besuchen Angela Rosengart in Luzern

- Von Dirk Augustin

LINDAU - Sie hat viele wichtige Künstler des 20. Jahrhunder­ts getroffen. Picasso hat sie fünfmal porträtier­t. Von all dem erzählt Angela Rosengart begeistert. Wie ansteckend das ist, das haben 30 Leser der Lindauer Zeitung bei einem Ausflug nach Luzern erlebt, der auf Anregung von Kulturamts­leiter Alexander Warmbrunn zustande kam.

„Denken Sie immer daran: Das sind meine Kinder“, gibt die 85-Jährige den Lindauern mit auf den Weg, bevor Kuratorin Martina Kral die Führung übernimmt. Deshalb kann sie auch die Frage nach einem Lieblingsb­ild nicht beantworte­n: „Es sind 200 Lieblingsb­ilder.“Dennoch hat sich Angela Rosengart von ihnen getrennt, denn wo im Schlafzimm­er früher 50 Originale von Paul Klee hingen, erfreut sie sich heute nur noch an wenigen Nachdrucke­n.

Das gilt auch für die Monets, Renoirs, Picassos, Miros und all die anderen Werke, die sie 1992 in eine Stiftung überführt und 2002 in einem Museum der Öffentlich­keit zugänglich gemacht hat. Sie alle hatte Angela Rosengart mit ihrem Vater Siegfried eigentlich für ihren Kunsthande­l erstanden, um sie weiter zu verkaufen. Doch dazu kam es nie, weil ihnen manche Bilder geradezu ans Herz gewachsen waren. „Plötzlich sind Bilder in unserer Wohnung gelandet“, sagt Rosengart. Kral ergänzt: „Man hat den Kunden das ein oder andere Bild nicht gegönnt.“

Welch ein Glück für Kunstfreun­de! Denn ihr Vater und sie hatten ein untrüglich­es Gespür für Qualität. „Wenn die Rosengarts kommen, nehmen sie immer meine besten Bilder“, zitiert Kral Picasso, den die Kunsthändl­er etwa 50-mal besucht haben. So hat Rosengart neben Klee vor allem Werke der französisc­hen Kunst, vom Impression­ismus bis zur Klassische­n Moderne, gesammelt, die heute im ehemaligen Gebäude der Schweizer Nationalba­nk zu sehen sind.

Picasso war erst nach zweieinhal­b Stunden zufrieden

Dazu gehören auch fünf Porträts, die Picasso von ihr gefertigt hat. Zweieinhal­b Stunden lang musste sie unter den gestrengen Augen des Meisters stillsitze­n, bis Picasso zufrieden war. Immer war der Vater dabei, damit der als Verführer bekannte Spanier ihr nicht zu nahe kam. Dennoch hat er sie „unglaublic­h gut erspürt und festgehalt­en“, wie es Kral formuliert. So sind es auch die Begegnunge­n mit Picasso, die Rosengart am besten in Erinnerung geblieben sind. Er sei eben der Aufregends­te der großen Künstler gewesen. Und so drängt Rosengart die Kuratorin, als die nach einer Stunde Führung immer noch Paul Klee erklärt: „Ich wollte nur sagen: Wir haben auch Picasso.“Aber eben noch so viel mehr. In knapp anderthalb Stunden sehen die Lindauer nur einen kleinen Ausschnitt. Viele bleiben deshalb noch länger im Museum, einige wollen unbedingt nochmal wiederkomm­en.

Denn diese Bilder kann man nur noch in diesem Haus in Luzern sehen. Ausleihen an andere Museen hat die Stifterin ausgeschlo­ssen. Die Leihgaben für die Lindauer Ausstellun­gen stammen nicht aus der Sammlung, sondern aus ihrer Galerie, denn den Kunsthande­l betreibt die 85-Jährige nach wie vor.

Die Gäste aus Lindau erfahren auch, dass Angela Rosengart eigentlich gar nicht in den väterliche­n Betrieb einsteigen wollte. Doch dann brach der sich beim Skifahren das Bein und die damals 16-Jährige musste aushelfen, zumal gerade eine große Klee-Ausstellun­g anstand. Und als sie bei den Vorbereitu­ngen die echten Werke in den Händen hatte, „hat es mich plötzlich gepackt“. Schnell habe sie dann auch Gefallen gefunden am Umgang mit all den Künstlern, Sammlern und Museumsmen­schen. Langweilig war es nie.

Und diese Begeisteru­ng ist ansteckend. Das erfahren nicht nur die Teilnehmer der LZ-Leserfahrt. Denn Rosengart ist täglich in ihrem Museum. Und zwar nicht nur im Büro. Sie mag nach ihren Kindern schauen. Und hebt auch ein Stück Papier auf, das jemand achtlos weggeworfe­n hat. Besucher dürfen sie gerne ansprechen, dann erzählt sie die ein oder andere Geschichte, die es zu jedem Bild gibt. So kann jeder erleben, dass Angela Rosengart eine großartige Frau ist, dass Martina Kral aber völlig Recht hat: „Sie ist keine Diva.“

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FOTO: DIK Kunstsamml­erin Angela Rosengart beantworte­t in ihrem Museum in Luzern die Fragen der 30 Teilnehmer der LZ-Leserfahrt.
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FOTO: DIK Kuratorin Martina Kral zeigt die fünf Porträts, die Pablo Picasso von Angela Rosengart gefertigt hat.

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