Lindauer Zeitung

Ich bin enterbt. Was nun?

Enterbt zu werden ist halb so schlimm – so macht man seinen Pflichttei­l geltend

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Lindau (dos) – Halb so schlimm stimmt. Aber es stimmt auch, dass der Pflichttei­lsberechti­gte nur die Hälfte der gesetzlich­en Erbquote erhält. Umso wichtiger ist es, seinen Pflichttei­l richtig geltend zu machen und zu berechnen. „Auch wer enterbt ist hat Rechte“, sagt Erbrechtsa­nwalt Hermann Konrad. Manchmal endet ein langer Streit damit, dass Eltern ihren Sohn oder ihre Tochter enterben wollen. Oder man möchte ein nichteheli­ches Kind des Partners sicher aus dem Erbe ausschließ­en. In Deutschlan­d geht das, da kann jeder zum Erben bestimmen oder enterben, wen er will. Der Verfasser eines Testaments muss nicht einmal begründen, warum er einen Angehörige­n von der gesetzlich­en Erbfolge ausschließ­t. Gleichwohl bedeutet das nicht, dass der Enterbte gar nichts erhält. Er hat einen Pflichttei­lsanspruch. Diesen Pflichttei­lsanspruch bekommt man aber nicht automatisc­h, man muss ihn „geltend machen“– und zwar innerhalb von drei Jahren. Auch mit einem Berliner Testament enterben Eltern ihre Kinder zunächst, weil damit der länger lebende Ehegatte zum Alleinerbe­n wird.

Wie macht er seinen Pflichttei­lsanspruch geltend?

Pflichttei­lsanspruch haben nur die Ehegatten und die Kinder, oder wenn diese verstorben sind, die Enkel. Der Pflichttei­lsberechti­gte (PTB) hat einen gesetzlich­en Auskunftsa­nspruch, durch den er vom Erben erfährt, wie viel Geld ihm zusteht. Gegenständ­e oder Erinnerung­sstücke kann der PTB nicht herausford­ern. Die Auskunft muss den PTB in die Lage versetzen, seinen Anspruch zu berechnen. Gegebenenf­alls kann der PTB vom Erben sogar eine eidesstatt­liche Versicheru­ng oder die Vorlage eines notarielle­n Nachlassve­rzeichniss­es verlangen. Wenn Immobilien im Nachlass sind, muss der Verkehrswe­rt durch ein Gutachten bestimmt werden. Bei der Auskunft sei es wichtig, dass nicht nur der aktuelle Bestand zum Todestag, sondern auch alle Schenkunge­n der letzten zehn Jahre berücksich­tigt werden. Bei Schenkunge­n an Ehegatten auch noch weiter zurücklieg­end. Schenkunge­n fallen dann in den Pflichttei­lsergänzun­gsanspruch.

Was ist der Pflichttei­lsergänzun­gsanspruch?

Hat der Erblasser vor seinem Tode sein Vermögen ganz oder zum Teil verschenkt, hat der PTB unter Umständen einen sogenannte­n Pflichttei­lsergänzun­gsanspruch. Der Anspruch besteht nur, wenn zwischen Erbfall und den Schenkunge­n nicht mehr als zehn Jahre liegen. Bei Schenkunge­n an den Ehegatten endet die Frist erst zehn Jahre nach Auflösung der Ehe. Bestand die Ehe zum Todeszeitp­unkt noch, gibt es gar keine Frist. Eine Schenkung wird in Stufen zur Ergänzung des Pflichttei­ls herangezog­en: Im Jahr vor dem Todesfall fließt sie in voller Höhe ein, im zweiten Jahr davor zu 90 Prozent, im dritten Jahr davor zu 80 Prozent und so weiter. „Bei einer Enterbung werden oft komplizier­te Strategien gewählt, um Pflichttei­lsansprüch­e zu vermeiden oder sicher zu mindern. In der Regel geht da ohne einen Anwalt, der auf Erbrecht spezialisi­ert ist, gar nichts mehr. Jeder Fall sollte im Detail geprüft werden“, empfiehlt Konrad.

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Foto: Susi Donner Hermann Konrad, Fachanwalt für Erbrecht.

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