Türkei droht Tourismusflaute
Rückläufige Buchungen erwartet – Auswärtiges Amt relativiert Warnung des Außenministers
BERLIN - Im Sommer galt die Türkei bei deutschen Last-Minute-Urlaubern ungeachtet der Menschenrechtsverletzungen unter Präsident Recep Tayyip Erdogan noch als TopDestination. Doch angesichts willkürlicher Festnahmen von Ausländern und zunehmend scharfer Rhetorik zwischen Ankara und Berlin könnte sich das bald ändern.
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), der in der Vergangenheit selbst gerne in der Türkei Urlaub gemacht hatte und in erster Ehe mit einer Türkin verheiratet war, bezweifelt jedenfalls, ob er Reisen in Erdogans Reich noch uneingeschränkt empfehlen kann. „Man kann das nicht mit gutem Gewissen machen zurzeit“, ließ er sich am Freitag von der „Bild“-Zeitung zitieren. Das müsse sich jeder gut überlegen. „Die Entscheidung können wir als Staat niemandem abnehmen.“
Gabriel mahnt zur Vorsicht
Zehn Deutsche sind in türkischer Haft – wegen politischer Tatvorwürfe. „Auf einmal kann es sein, dass auch der deutsche Gast ins Visier kommt, denn für die türkische Regierung ist ja jeder Terrorist, der irgendwie nicht mit Erdogan einverstanden ist“, beschreibt Gabriel – ganz undiplomatisch – das Risiko. Wer in das Land reisen wolle, müsse sich das „genau überlegen“. Tatsächlich sorgt die Entwicklung in der Türkei für Verunsicherung, und bei den Reiseveranstaltern wächst nach Gabriels Äußerungen der Erklärungsbedarf. „Es gibt zahlreiche Nachfragen von Kunden, die wissen wollen, was los ist“, erklärte Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband am Freitag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Wie sich die Buchungen in den nächsten Monaten entwickeln würden, könne er nicht vorhersagen. „Das ist reine Glaskugel-Leserei“, so Schäfer.
Der Trend deutet jedoch auf einen Rückgang der Nachfrage hin, wenn es um Reisen an den Bosporus, die Ägäis und die Riviera geht. 2015 waren 5,6 Millionen deutsche Urlaube in die Türkei gekommen, im vergangenen Jahr noch vier Millionen. Dieses Jahr dürften es noch weniger sein, auch wenn die Last-Minute-Buchungen im Mai, Juni und Juli spürbar angezogen hatten.
Dabei profitieren autoritäre Regierungen nach Einschätzung von Experten immer vom Tourismus in ihrem Land. Zum einen fließe ihnen Geld über Steuern und Gebühren zu, zum anderen könnten sie international mit Attraktionen wie Stränden und ungewöhnlichen Ökosystemen glänzen, sagte die Tourismus-Referentin von Brot für die Welt, Antje Monshausen, dem Evangelischen Pressedienst am Freitag in Berlin.
Das Auswärtige Amt ruderte am Freitag allerdings ein Stück zurück. Es legte Wert auf die Feststellung, dass Gabriel keine förmliche Reisewarnung ausgesprochen habe und dies auch nicht geplant sei. Es sei jedem Bürger selbst überlassen, ob er derzeit eine Reise in die Türkei antrete oder nicht. „Die Reiseveranstalter empfehlen grundsätzlich ihren Gästen, die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes genau zu beachten“, heißt es beim Reiseverband. Die Hinweise der Bundesregierung seien im Übrigen „seit Wochen unverändert“.
Haft ohne nachvollziehbaren Grund
Reisewarnungen spricht die Bundesregierung meist nur für Kriegsländer aus – etwa für Libyen, Syrien oder Afghanistan. Die Hinweise, die auf den Internetseiten des Auswärtigen Amtes zu lesen sind, nähren jedoch Zweifel daran, dass ein Rundum-sorglos-Urlaub in der Türkei noch möglich ist. „Personen, die aus privaten oder geschäftlichen Gründen in die Türkei reisen, wird zu erhöhter Vorsicht geraten und empfohlen, sich auch bei kurzzeitigen Aufenthalten in die Krisenvorsorgeliste der Konsulate und der Botschaft einzutragen“, heißt es dort.
Zuletzt seien Deutsche von Verhaftungen betroffen gewesen, ohne nachvollziehbaren Grund. Laut Auswärtigem Amt hat es 2017 wiederholt Fälle gegeben, in denen Deutsche in Gewahrsam genommen worden seien und man ihnen die Einreise ohne Angabe von Gründen verweigerte.