Bund Naturschutz will gegen Therme klagen
Mitglieder fordern Vorstand mehrheitlich zum Weg vor die Gerichte auf
LINDAU - Der Bund Naturschutz will die Therme im Eichwaldbad unter allen Umständen verhindern. Eine deutliche Mehrheit hat bei der Mitgliederversammlung am Donnerstagabend dafür gestimmt, dass der Kreisverband gegen das Vorhaben vor Gericht zieht. Die Befürworter der Klage nehmen ein erhebliches Kostenrisiko in Kauf.
„Klagen kann Naturschutzarbeit sein“, fasste BN-Kreisvorsitzender Erich Jörg am Ende des Abends im Gespräch mit der Lindauer Zeitung die Stimmung zusammen. Zuvor hatte er vor gut 50 anwesenden stimmberechtigten Mitgliedern im Köchlin daran erinnert, dass der BN seit 2010, also von Anfang an, gegen ein neues großes Bad im Eichwald kämpfe. Alle Eingaben, Stellungnahmen und zuletzt auch der Bürgerentscheid seien vergeblich gewesen. Nun bleibe nur noch eine Klage, um den Neubau zu verhindern.
Die Entscheidung wollte der Vorstand allerdings nicht hinter verschlossenen Türen treffen. Dies vor allem, weil es mit erheblichen Kosten verbunden ist. Schatzmeisterin Birgit Mäckle-Jansen berichtete, dass eine Anwaltskanzlei, die der Landesverband empfohlen habe, den Streitwert auf 30 000 bis 40 000 Euro schätze. Daraus ergäben sich für den BN im Fall einer Niederlage Kosten für Anwalt, Gericht und Gutachten in gleicher Höhe. „Das ist verdammt viel Geld“, sagte die Schatzmeisterin, die deshalb vor einer Klage gewarnt hat, zumal es sich auch beim Geld des Landesverbandes um Spenden handele.
Umso mehr interessierten sich einige Mitglieder für die Erfolgsaussichten einer Klage. Doch da passte Jörg: Das könne er nicht vorhersagen. Er verwies auf den Landesverband, der das für so aussichtsreich halte, dass er eine Zusagen zur Kostenübernahme für die Hälfte gemacht habe. Auch die befragte Anwaltskanzlei sehe Chancen.
Gegner fürchten, dass Lindau ohne beheiztes Bad da steht
Gegner einer Klage befürchten, dass nichts herauskommt, außer dass der BN den Thermenbau weiter verzögert und damit noch teurer macht. Nicht nur Frieder Barth, Ulrike Lorenz-Meyer und Ursula Krieger sprachen sich gegen eine Klage aus und verwiesen auf die große Mehrheit der Lindauer, die beim Bürgerentscheid für die Therme gestimmt hat. Lorenz-Meyer warnte deshalb, dass es die Naturschützer künftig noch schwerer haben werden, mit ihren Vorschlägen und Warnungen Gehör zu finden. Krieger kündigte an, dass sie aus dem BN austreten werde, falls eine Mehrheit die Klage beschließen sollte. Denn dafür wolle sie keine Mitgliedsbeiträge zahlen.
Andere verwiesen auf die Tatsache, dass Lindau ohne Hallenbad und ohne beheiztes Freibad dastehen werde, denn die Klage kann nur den Neubau verhindern, nicht aber den laufenden Abriss des alten Eichwaldbades. Wieder andere erinnerten an den gesundheitlichen Wert eines Warmbades und einer Sauna. Und andere warnten, das Geld sollte der BN besser an anderer Stelle für den Naturschutz einsetzen.
Die Befürworter, die im Köchlin deutlich in der Mehrzahl waren, antworteten teilweise mit Buhrufen und heftiger Kritik. Peter Cavallo sagte sogar, dass im Bund Naturschutz nichts zu suchen habe, wer die Klage ablehnt. Hermann Semrau rückte die Therme mit Nacktsauna in die Nähe der Prostitution: „Eine solche Therme gehört ins Rotlicht-Milieu nach Frankfurt.“
Die Mehrheit der Klage-Befürworter blieb aber sachlich. Erich Jörg hatte zu Beginn bereits für eine Klage geworben, weil das für einen „kämpferischen Naturschutz-Verband“die letzte Konsequenz sein müsse. Das sei auch nicht undemokratisch, wie manch ein Lindauer nach dem Bürgerentscheid meint, denn die Demokratie sehe als letztes Mittel die Überprüfung einer politischen Entscheidung durch Richter vor. Weil der Vorstand das nicht allein entscheiden wollte, hatte der BN-Kreisverband alle Mitglieder eingeladen. Wer nicht selbst im Köchlin sein konnte oder wollte, der konnte vorab per Briefwahl abstimmen, was fast 240 Mitglieder gemacht hatten.
Jörg erinnert an den Wäsenkrieg: „Am See Natur und nicht Beton“
Jörg wiederholte die bekannten Gründe der Naturschützer gegen den Neubau im Eichwald. Rechtlich bemängelt der BN, dass die Folgen der Therme für die angrenzenden FFH-Schutzgebiete nicht ausdrücklich untersucht wurden, außerdem seien die Prüfungen hinsichtlich Artenschutz mangelhaft. Dass die Naturschutzbehörden dennoch zugestimmt haben, bezeichnete Jörg als politische Entscheidung. Für ihn gelte seit dem sogenannten Wäsenkrieg Ende der 70er Jahre der Satz „Am See Natur und nicht Beton“: „Dieses Vermächtnis trage ich noch immer in mir.“
Ähnlich geht es vielen anderen Naturschützern. Max Strauß drängte auf die Klage: „Nie war mir meine Mitgliedschaft im Bund Naturschutz so wertvoll wie am heutigen Tag.“Maximilian Schuff sagte eine Spende zu, um einen Teil der Kosten für die Klage zu tragen. Andere ärgerten sich über den Neubau direkt am See und sagten, dass der BN klagen müsse, wenn er sich selbst Ernst nehme. „Wir als Bund Naturschutz sind verpflichtet, die Natur einzuklagen“, sagte zum Beispiel Andi Jansen. Auch ein Vater kleiner Kinder sagte, dass ihm jeder freie Platz am See lieber sei als ein Bad mit beheizten Becken. Mehrere Redner machten deutlich, dass es ihnen nicht mehr um den Erhalt des alten Eichwaldbades geht, sondern um die Verhinderung der Therme, auch wenn das künftig nur ein Naturbad im Eichwald bedeutet.
Nach gut einer Stunde Diskussion folgte eine halbe Stunde Auszählung der Stimmen der geheimen Abstimmung, bis das Ergebnis feststand: 289 Mitglieder hatten gewählt, davon waren neun Stimmen ungültig. Letztlich haben 167 BN-Mitglieder aus dem Landkreis Lindau für die Klage gestimmt, 113 waren dagegen.
Stadt erwartet einen weitaus höheren Streitwert
Der Kreisvorstand kann mit der Anwaltskanzlei das Verfahren nun vorbereiten. Beklagen kann der BN erst die Baugenehmigung, die frühestens Mitte September vorliegen wird. Lindaus Pressesprecher Jürgen Widmer berichtet, dass der Stadtrat in einer Sondersitzung am 12. September die notwendigen Änderungen des Flächennutzungsplans und den notwendigen Bebauungsplan beraten und beschließen sollen. Das ist Voraussetzung dafür, dass das Bauamt die Baugenehmigung erteilen darf.
Welche Folgen die Klage haben werde, könne er erst sagen, wenn diese tatsächlich vorliegt. Denn erst dann wisse die Verwaltung, was genau der BN angreift. Allein das Einreichen einer Klage werde auch nicht ausreichen, um die Bauarbeiten zu verhindern, ergänzt Widmer: „Einen Baustopp kann nur ein Gericht verhängen.“Der Abriss könne sowieso von all dem unbeeinflusst weitergehen.
Auch wenn er sich im Detail nicht äußern will, zeigt sich Widmer verwundert über den beim BN angenommenen Streitwert. Bereits im Juli hatte Widmer Kläger vor einem hohen Risiko gewarnt, denn es gehe um 40-Millionen-Projekt, für das Stadt und Investor bereits einige Millionen Euro ausgegeben haben. Widmer hatte damals gesagt: „Das ist ein erheblicher Streitwert.“