Attac diskutiert Konzepte für anderes Wirtschaftssystem
Podiumsdiskussion im Parktheater ist gut besucht – Kritik an Wirtschaftsnobelpreisträgern
LINDAU - Es waren große Fragen, mit denen sich die Redner der von Attac organisierten Podiumsdiskussion am Donnerstagabend im Parktheater beschäftigt haben. Denn es ging darum, wie das Wirtschaftssystem gerechter und moralischer werden kann – hinsichtlich der Menschen, aber auch hinsichtlich der Natur. Dabei kritisierten sie das globale Wirtschaftssystem, aber auch die Wirtschaftsnobelpreisträger scharf.
Eines sei vorweggenommen: Eine Lösung fanden auch die drei Redner um Moderatorin und Radiojournalistin Renate Börger am Donnerstagabend nicht. „Es sieht nicht gut aus im Moment. Aber das muss man erst einmal sehen“, zog Ökonom Max Otte eine Bilanz unter den Abend. Sprich: Der erste Schritt sei es, ein Problem zu erkennen. Und unser Wirtschaftssystem krankt an vielen Problemen, da waren sich die Redner einig – ebenso wie ein Großteil des Publikums, das zahlreich erschienen war.
Denn noch bevor die Podiumsgäste dran waren, durfte das Publikum seine Fragen an sie richten. Und die hatten es in sich. „Wie machen wir das, dass der Wachstumszwang aufhört“, wollte ein Zuhörer wissen, „was können wir machen, um zur sozialen Marktwirtschaft zurückzukommen“, ein anderer. Auch die Frage nach mehr Steuergerechtigkeit beschäftigte das Publikum.
„Die Politik hat komplett kapituliert gegenüber der Kapitallobby“, sagte Max Otte, der bekannt wurde, nachdem er die Finanzkrise von 2007 bereits ein Jahr zuvor in einem Buch vorhergesagt hatte. Den heutigen Kapitalismus mit seinem zwanghaften Wachstum könne man lediglich noch als „Beutekapitalismus“bezeichnen. Ein System, das „eklatant zum Vorteil der Superreichen“sei. „Finanzeinkommen sollten so besteuert werden wie Arbeitseinkommen“, forderte Otte.
Ulrike Herrmann, Wirtschaftsjournalistin bei der Tageszeitung „Taz“, stimmte ihm zu. „Geld entsteht aus dem Nichts, sobald Kredite vergeben werden“, sagte Herrmann, die auch den Umgang der Menschen mit der Natur scharf kritisierte. „In Europa verbrauchen wir drei Planeten, in den USA fünf. Weltweit verbrauchen wir zwei Planeten, wir haben aber nur einen“, sagte sie. Es sei eine Frage der Zeit, bis das Kapitalsystem chaotisch zusammenbreche.
Ökonomie wieder als moralische Wissenschaft verstehen
Gemeinwohlökonom Christian Felber, Mitbegründer von Attac Österreich, plädierte für eine sogenannte Gemeinwohl-Ökonomie, bei der der Wachstumswunsch das Wohl der Allgemeinheit, die Börsenrendite die Ethik sein könnte. „Das könnte beginnen mit einer gerechten Handelszone in der UNO, die durch ethische Schutzzölle geschützt ist“, sagte er. Unternehmen, die frei handeln wollten, müssten eine exzellente Gemeinwohlbilanz vorzeigen können. Felber ist davon überzeugt, dass ein solches System funktionieren könnte – und dafür gebe es sogar schon Beweise. In Vorarlberg orientierten sich bereits ein paar Gemeinden am Prinzip des Gemeinwohls. „Und immer mehr Unternehmen machen eine Gemeinwohlbilanz“, sagte er. Seiner Meinung nach müsste die Gewaltenteilung erweitert werden. „Grundsatzentscheidungen sollen vom Souverän, also dem Volk, getroffen werden“, sagte er. Parteien und Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann Gremien sollten dabei lediglich die Organe sein, die die Entscheidungen des Volks ausführen.
Felber bezog sich auf den griechischen Philosoph Aristoteles, der die Okönomie als eine moralische Wissenschaft verstanden hatte. „Bei den Pseudonobelpreisträgern sind neun von zehn überhaupt keine Ökonomen“, so Felber. Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann behauptete, Alfred Nobel habe ein ganz schlechtes Bild von der Ökonomie gehabt. Indem man den „Preis der schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel“wie einen Nobelpreis aussehen lasse, wolle man den Eindruck erwecken, dass die Ökonomie Naturgesetze und Wahrheiten verbreite. „Mit der Wirtschaftswissenschaft wurde die Demokratie abgeschafft und behauptet, der Markt sei effizient und gerecht“, so Herrmann. „Wenn wenige reich sind und beim Rest die Löhne stagnieren, soll das ein Naturgesetz sein.“
Die Wirtschaftsjournalistin, aber auch die beiden Ökonomen sind überzeugt: So wie jetzt kann es nicht mehr lange weitergehen. „Es ist, als würde man gegen eine Wand fahren und keiner berechnet den Bremsweg“, sagte Herrmann. Doch wie könnte dieser Bremsweg aussehen? Und wie die Brücke zu einem anderen, neuen System? Bei der Diskussion dieser Frage bezog Moderatorin Renate Börger erneut das Publikum mit ein. „Die Globalisierung muss abgeschafft werden und es muss wieder regionalisiert werden. Denn alle brauchen die gleichen Bedingungen und das ist global nicht möglich“, sagte ein Zuhörer. Ein anderer forderte, dass Gemeinwohl-Organisationen mehr unterstützt werden. Eine Frau aus Vorarlberg schien bereits ihren eigenen Weg gefunden zu haben: „Es gibt so viel, das man im Kleinen tun kann“, sagte sie. „Ich kaufe meine Milch zum Beispiel direkt beim Bauern. Ich zahle weniger als im Supermarkt und er hat mehr davon.“
„Es ist, als würde man gegen eine Wand fahren und keiner berechnet den Bremsweg.“