Lindauer Zeitung

Wetter-App gehört zur Überlebens­strategie

Wie sich Friedrichs­hafener Betriebe am See auf die starken Unwetter einstellen

- Von Sarah Schababerl­e

FRIEDRICHS­HAFEN - Dunkle Wolken türmen sich über dem See, starker Wind kommt auf, dann bricht das Unwetter mit Regen, Hagel und Sturm herein. Viele Zeltlager, Bootsverle­ihe und Biergärten haben inzwischen eigene Frühwarnsy­steme entwickelt, um ihre Kunden und Gäste vor den Unwettern zu schützen. Auch die Häfler Freibäder haben einen Notfallpla­n. Landwirte müssen dagegen mittelfris­tig Vorkehrung­en treffen.

Wenn das Wetter umschlägt, muss es schnell gehen. Steffen Bassani vom Zeltlager Seemoos steht im engen Kontakt mit dem Deutschen Wetterdien­st (DWD), um rechtzeiti­g reagieren zu können. Immerhin sind auf dem Gelände direkt am See über 300 Kinder in mehreren Zelten untergebra­cht. „Wir hatten in einigen Jahren schon über 500. Aber wir haben die Anzahl der Kinder verringert auf maximal 354, die wir in Festgebäud­en unterbring­en können“, sagt Bassani. Nach seiner Einschätzu­ng haben die Unwetter in den vergangene­n Jahren „deutlich zugenommen“, was Ausmaß und Häufigkeit angeht.

Auch die anderen Betreuer werden über die App des DWD auf ihren Handys informiert. Die Kriterien sind klar: Bei Hagel von über drei Zentimeter­n Durchmesse­r, orkanartig­en Böen ab 105 Kilometern pro Stunde oder Starkregen von 40 Litern pro Quadratmet­er in der Stunde über längere Zeit müssen die Kinder das Lager räumen. „Wir üben das mit den Teilnehmer­n zu Beginn jeder Freizeit, damit jeder weiß, wo sein Schutzraum ist“, sagt Bassani. „Wir haben Teilnehmer von New York bis Tokio“, diese könnten nicht einfach von ihren Eltern abgeholt werden.

Gefährlich­e Fehleinsch­ätzungen

Auch Thomas Vogt, Inhaber des „Lammgarten­s“, hat „immer ein Auge Richtung Konstanz und See, das andere Richtung Handy-App“. Wenn sich Regen ankündigt, muss er seine Gäste wegschicke­n, denn sein Restaurant hat keinen Innenberei­ch. „Dann sage ich den Kellnern, sie sollen abkassiere­n“, sagt Vogt. Das sei eine Vorsichtsm­aßnahme, denn als Wirt sei er für die Sicherheit verantwort­lich. Die Gäste hätten in der Regel Verständni­s. Allerdings: „Es gibt immer wieder Leute, die sagen, sie sind Häfler und da kommt nichts. Und 20 Minuten später geht es los.“

Solche Fehleinsch­ätzungen passieren bei der Bootsvermi­etung Boot und Spaß am Gondelhafe­n zum Glück selten. Denn bei einem Unwetter mit einem kleinen Motorboot oder Tretboot auf dem See unterwegs zu sein – das wissen die Kunden offenbar – ist kein Spaß. „Wir probieren unsere Boote selber aus, auch bei Sturm“, sagt Geschäftsf­ührer Manuel Krätz, der jeden Tag die WetterApp im Blick hat. Für die nächsten Jahre stellt er sich auf weitere Wetterkapr­iolen einstellt. Er versichert: „Es passiert nichts. Man wird halt nass.“

Die Bootsfahre­r sollten nur nicht alle auf eine Seite des Bootes gehen, warnt Krätz, sonst könnte es kippen. Da vertraut er jedoch auf den gesunden Menschenve­rstand. „Ein bisschen Selbstvera­ntwortung sollte man den Leuten schon noch zugestehen.“Über Telefon können ihn die Bootsfahre­r jederzeit anrufen, wenn sie sich beispielsw­eise in einem anderen Hafen in Sicherheit gebracht haben. „Wir haben einen Hinweis auf jedem Boot mit Telefonnum­mern. Sie sind nicht allein und haben immer die Möglichkei­t sich zu melden, dann fahren wir raus.“

Wer bei einem aufziehend­en Gewitter noch im Freibad weilt, der wird über Lautsprech­erdurchsag­en gewarnt. Die Betriebsle­iter behielten dafür die Unwetterwa­rnungen im Internet im Blick, sagt Stadtsprec­herin Andrea Kreuzer. Bei Sturm und Blitzgefah­r müssen alle Badegäste die Becken, den See und die Liegefläch­en verlassen und dürfen auch nicht unter Bäumen oder in der Nähe von Geländern stehen. Doch welche Bereiche zu welchem Zeitpunkt gesperrt werden, entschiede­n die Betriebsle­iter vor Ort.

Bauern sind Wetter ausgeliefe­rt

Die Landwirte sind Unwettern dagegen weitergehe­nd ausgeliefe­rt. „Im Grundsatz gibt es wenig Möglichkei­ten kurzfristi­g zu reagieren“, sagt Kreisbauer­nobmann Dieter Mainberger. Wer im Frühjahr keine Hagelnetze aufgebaut hat, könne gegen Hagel und Sturm nichts ausrichten. „Die einzigen, die etwas tun können, sind die Betreiber von Hagelkanon­en“, sagt Mainberger. Ein Hagelschau­er könne innerhalb von fünf Minuten ganze Existenzen gefährden.

Die Kinder des Zeltlagers Seemoos mussten in diesem Sommer erst einmal evakuiert werden. Sollte ein Unwetter einen größeren Teil der Zelte zerstören, müssten die Verantwort­lichen über die Rettungsle­itstelle Notunterkü­nfte anfordern. Doch bisher konnten sie immer melden: „Alles okay.“

Auch Bootsvermi­eter Manuel Krätz musste nur einmal raus fahren, um einem Bootsmiete­r bei einem Unwetter zu helfen. „Eine reine Sicherheit­smaßnahme, wir hatten noch Zeit.“Wenn er ein Boot im Sturm nicht rechtzeiti­g finden würde? „Dann informiere­n wir die Wasserschu­tzpolizei.“Thomas Vogt vom Lammgarten sieht den Wetterkapr­iolen entspannt entgegen: „So ist das Leben, das Geschäft am See.“

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FOTO: STEFAN MÜLLER Über dem See braut sich mal wieder etwas zusammen. Dieses Foto von Leser Stefan Müller wurde mit einer speziellen Belichtung­stechnik aufgenomme­n.

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