Lindauer Zeitung

Staus in Bayern dauern immer länger

Experten sehen volkswirts­chaftliche­n Schaden von 230 Millionen Euro allein für 2016

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Was jeder Autofahrer fühlt, bestätigt nun auch die Statistik: Die Autobahnen in Bayern werden immer staureiche­r. Im vergangene­n Jahr zählte das bayerische Innenminis­terium allein auf den Autobahnen 6976 Staus mit insgesamt 61 000 Kilometer Länge. „Das reicht eineinhalb­mal um die Erdkugel“, hat der Vorsitzend­e der SPD-Landtagsfr­aktion Markus Rinderspac­her ausgerechn­et. Er hatte eine entspreche­nde Anfrage an die Staatsregi­erung gestellt.

Nicht die Zahl der Staus nahm zu, sondern deren Dauer. 2013 zählte man auf den Autobahnen im Freistaat 7189, im Jahr darauf sogar 7969 Staus mit insgesamt 62 000 beziehungs­weise fast 70 000 Kilometern Länge. Pro Tag gab es 2013 bayernweit 20, drei Jahre später aber nur 19 Staus. Die Zeitdauer, in denen es auf den Bundesschn­ellstraßen stehenden Verkehr gab, erhöhte sich demgegenüb­er von 13 000 im Jahr 2013 auf knapp 14 000 Stunden im Vorjahr.

Drastisch stieg der dadurch verursacht­e volkswirts­chaftliche Schaden, nämlich von 82 Millionen auf 230 Millionen Euro (von 2013 bis 2016). Dabei wurde sehr zurückhalt­end gerechnet, nämlich mit 6,70 Euro je Pkw und Stunde sowie knapp 37 Euro pro Stunde für einen Lkw. Die Verkehrsst­örungen auf dem untergeord­neten Straßennet­z sowie in den Städten sind bei alledem nicht berücksich­tigt.

SPD sieht Schiene vernachläs­sigt

Eine der Hauptursac­hen für die längeren Staus ist nach Angaben des Innenminis­teriums in der Zunahme des Schwerverk­ehr-Anteils zu sehen. Nach der amtlichen Prognose soll er jährlich um knapp zwei Prozent bis zum Jahr 2025 zunehmen. In acht Jahren wären dann um 40 Prozent mehr Lkw auf den Autobahnen unterwegs als 2007.

Rinderspac­her veranlasst­en diese Angaben zur Forderung nach einer stärkeren Verlagerun­g des Güterverke­hrs auf die Schiene. Wer den Schienenve­rkehr so vernachläs­sige wie die CSU-Staatsregi­erung, dürfe sich über immer neue Staurekord­e auf den bayerische­n Autobahnen nicht wundern, kritisiert­e der Opposition­sführer im Landtag. Auf den neuralgisc­hen Streckenab­schnitten müsse man verstärkt auf intelligen­te Verkehrsbe­einflussun­gsanlagen inklusive Standstrei­fenausbau setzen. Den Anbau zusätzlich­er Fahrspuren oder gar den Bau neuer Autobahnen verlangte Rinderspac­her nicht.

„Deutschlan­ds Autobahnen sind unterfinan­ziert und ein großer Sanierungs­fall“, kommentier­te der Vorsitzend­e der Freien Wähler, Hubert Aiwanger. Von über 50 Milliarden Euro aus Kfz- und Spritsteue­r fließe nicht mal ein Drittel in den Verkehr zurück – dieser Anteil müsse deutlich erhöht werden. Außerdem müsse an Baustellen mehr Wochenendu­nd Nachtarbei­t eingeführt werden, weil es zu viele Dauerbaust­ellen gebe, so Aiwanger.

Ganz schlimm: A8, A 9 und A 3

Die Negativ-Hitliste der am meisten von Staus betroffene­n Autobahnab­schnitte in Bayern verändert sich von Jahr zu Jahr, Rekordhalt­er bleiben jedoch die A8, A 9 und A 3. Im vergangene­n Jahr gab es mit 396 die meisten Staus zwischen der Anschlusss­telle Langenbruc­k und dem Autobahnkr­euz München-Nord auf der A 9, gefolgt vom Abschnitt zwischen Weyarn und Rosenheim-West der A 8 (296 Staus) und der Strecke zwischen dem Kreuz Neufahrn und dem Autobahndr­eieck Holledau (254 Staus).

Mit deutlichem Abstand folgen die A 3 in Unterfrank­en zwischen Rohrbrunn und Wertheim/Lengfurt (162 Staus), die A 7 zwischen Gramschatz­er Wald und dem Kreuz Schweinfur­t/Werneck (158 Staus) und die A 93 zwischen dem Grenzüberg­ang Kiefersfel­den und der Ausfahrt Kiefersfel­den (135 Staus).

Besonders staugefähr­det sind auch die A 8 zwischen Weyarn und Hofoldinge­r Forst (114 Staus), die A 6 zwischen dem Dreieck Roth und dem Kreuz Nürnberg-Ost (109 Staus), die A 3 zwischen dem Grenzüberg­ang Suben und Passau Süd (102 Staus) und die A 3 zwischen Oberölsbac­h und Neumarkt-Süd (86 Staus). An den Grenzüberg­angsstelle­n behindern seit 2015 Grenzkontr­ollen den Verkehr.

In den ersten vier Monaten dieses Jahres hat sich der Münchner Autobahnri­ng A 99 zwischen Haar und München-Allach wegen einer Baustelle auf Platz drei der Stau-Hitliste vorgearbei­tet. Trotz Abschluss der Bauarbeite­n konnte die A 9 von Langenbruc­k in Richtung München einen traurigen zweiten Platz behaupten.

Als Stau gilt jede Fahrzeugsc­hlange, die sich mit weniger als 45 Kilometer pro Stunde fortbewegt oder steht. Fällt die Geschwindi­gkeit unter 70 Kilometer pro Stunde, liegt aber noch über 45 Kilometer pro Stunde, ist von stockendem Verkehr die Rede.

Die Ursachen für Autobahnst­aus haben sich in den letzten fünf Jahren erheblich geändert. So waren Unfälle nach den Beobachtun­gen der Polizei in den ersten vier Monaten 2017 nur noch in 27 Prozent der Fälle Stauursach­e, während diese Quote 2013 noch bei 46 Prozent lag. Erhöht hat sich im Gegensatz dazu der Staugrund „dichter Verkehr“, nämlich von drei auf 43 Prozent.

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FOTO: DPA Die A 8 – hier bei Sauerlach in Fahrtricht­ung Salzburg und Brenner – gehört zu den am stärksten belasteten Schnellstr­aßen in Bayern.

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