„Die JU bildet Netzwerke, die tragen“
Schwäbische JU feiert in Lindau 70-jähriges Bestehen – Ehemaliger Ministerpräsident Stoiber zu Gast
LINDAU - Der Bezirksverband Schwaben der Jungen Union (JU) hat in Lindau sein 70-jähriges Bestehen gefeiert. Die rund 120 Gäste erlebten dabei viel Politprominenz – darunter Bundesminister Gerd Müller und den Europa-Abgeordneten und heutigen CSU-Bezirksvorsitzenden Markus Ferber, die beide in früheren Jahren den JU-Bezirksverband führten. Die Festrede hielt der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, der sich allerdings nicht an sein vorbereitetes Redemanuskript hielt. In einer leidenschaftlichen Rede ging Stoiber viel mehr auf die Grundwerte von Junger Union und Christlich-Sozialer Union ein – und forderte deren Anerkennung durch zuziehende Migranten ein.
Der seit Januar 2014 amtierende JU-Bezirksvorsitzende Tobias Paintner machte keinen Hehl daraus, dass das Jubiläum in einer Zeit besonderer Herausforderungen stattfinde. Die Mitgliederzahl der JU Schwabens liege derzeit bei 2300 – gegenüber 4700 zu Spitzenzeiten in den 80er-Jahren. Es sei heute längst nicht selbstverständlich, sich mit der Politik auseinander zu setzen. Markus Ferber – von 1990 bis 1994 an der Spitze des JU-Bezirksverbandes – stellte indes fest: „Die JU bildet Netzwerke, die tragen. Das erleiden die, die nicht in der JU waren.“Dass es nicht immer überall nur Harmonie gibt, blendete er nicht aus. Viele Jahre sei er selbst Gastmitglied im JU-Kreisverband Lindau gewesen, weil es im heimischen Kreisverband „Probleme gab“. Ferber räumte auch ein: „Wir waren freche Hunde“und spielte damit auf die Konfrontation der Jungen Union mit den damals Verantwortlichen im CSU-Vorstand an.
Auch Anfang der 80er-Jahre sei es schwer gewesen, junge Menschen für die JU zu begeistern. Damals sei die JU nicht mit Eigeninteressen und Smartphone in Konkurrenz gestanden, wie das heute der Fall sei – „aber mit den Grünen und mit kirchlichen Gruppen“. Stets sei die JU der „Humus gewesen, aus dem die nächste Generation herauswächst, die Verantwortung in der Partei und in der Gesellschaft übernimmt.“Kein Bezirksverband habe so viele JU-Landesvorsitzende in Bayern hervorgebracht wie der schwäbische, stellte Ferber fest. Allerdings: „Bei den Landesvorsitzenden der CSU und den Ministerpräsidenten gibt es da noch Verbesserungsbedarf.“
Auch Edmund Stoiber nahm zu Beginn seiner gut einstündigen Rede Bezug auf die JU: „Hier lernst du Demokratie, hier lernst du, um Mehrheiten zu kämpfen und Meinungen zu prägen.“Dass dabei „Gewalt nie ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein kann“, sei viele Menschen aus anderen Kulturen fremd, kritisierte Stoiber. An die Gründungszeit der JU erinnerte Stoiber: „Die Deutschen waren politisch orientierungslos und das Land ökonomisch zerstört.“Wichtige Stationen seien die Westbindung, der Beitritt zur NATO und die damit verbundene Wiederbewaffnung und die Gründung der Montan-Union als Vorläufer der heutigen Europäischen Union gewesen. Erwachsen daraus sei ein Deutschland, „das heute mit das beliebteste Land der Welt“sei und das eine besondere Verantwortung nicht aufgrund seiner Einwohnerzahl, wohl aber als drittstärkste Wirtschaftsmacht der Welt trage. Bayern sei in den vergangenen 70 Jahren vom „Letzten in der Tabelle der elf Bundesländer“zum Tabellenführer geworden. Und Stoiber blieb in der „Fußballwelt“und forderte, dass „wir Leute brauchen, die aufs Spielfeld gehen als Mittelstürmer und Blessuren einstecken“. Das sei die Junge Union.
Immer wieder nahm Stoiber Bezug auf den Zuzug von Asylbewerbern. Wer aufgrund seiner politischen Gesinnung, seiner Religion oder seiner Rasse verfolgt werde, müsse in Deutschland Aufnahme finden und hier leben können. Das ergebe sich aus der christlichen Prägung Deutschlands. Der derzeit diskutierte Familien-Nachzug aber „geht über das hinaus, was wir leisten können.“Es sei daher wichtig, das Flüchtlingsthema zu einem europäischen Thema zu machen. Zudem stelle sich die Frage, wie sich Menschen in die Gesellschaft eingliedern lassen, die die „christlichen Werte wie die Gleichberechtigung nicht aufgenommen haben“.
Deutschland sei in den vergangenen 70 Jahren ein „tolerantes, liberales und offenes Land“geworden. „Sie können nicht in vielen Ländern so leben, wie sie wollen“, sagte Stoiber. Allerdings: „Ich hätte im Bundestag der Ehe für alle nicht zugestimmt“. Für diese Aussage Stoibers gab es an diesem Abend den meisten Applaus.