Drogenabhängige gegen Gebühr behandelt
Arzt verlangt von Patienten sieben Euro wöchentlich, um Kosten für Atteste zu decken – Wegen Betrugs angeklagt
- Wegen Betrugs in mehr als 2800 Fällen hat ein Oberallgäuer Arzt jetzt in Sonthofen vor dem Schöffengericht gestanden. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Der 67-jährige Mediziner soll zwischen Januar 2015 und Oktober 2016 von drogenabhängigen Patienten für die Substitutionsbehandlung eine wöchentliche Gebühr von sieben Euro erhoben haben, obwohl er dazu nicht berechtigt gewesen sei, erläuterte der Staatsanwalt. So sei ein Schaden von 35 000 Euro entstanden.
Der angeklagte Arzt bestritt das vor Gericht: Die Gebühren seien sogar von der Kassenärztlichen Vereinigung geprüft und für rechtens befunden worden. Belegen konnte das der Arzt nicht mehr, weil er den über zehn Jahre alten Schriftwechsel weggeworfen hatte. Seine zwei Verteidiger erläuterten vor Gericht zudem, dass Ärzte befugt seien, Gelder für Leistungen, die über das Kassenärztliche hinausgehen, selbst einzutreiben. „Die Gebühr wurde wegen Attesten und Bescheinigungen erhoben.“
Dicker Stapel Bescheinigungen
Warum das im Falle des Oberallgäuer Arztes notwendig war, machten die Verteidiger des Mannes deutlich, indem sie gleich zu Prozessauftakt dem Schöffengericht einen buchdicken Stapel mit Bescheinigungen überreichten, die bei den Patienten der Praxis regelmäßig anfallen. Darunter Bescheinigungen für Bewährungshelfer, Jobcenter und Justizvollzugsanstalt. Der Arbeitsaufwand liege bei mehreren Stunden im Monat – pro Patient“, sagte die Frau des Arztes im Zeugenstand aus. Sie arbeitet in der Praxis ihres Mannes.
Richterin Brigitte GramatteDresse kritisierte vor allem das Vorgehen, einen Pauschalbetrag von allen Patienten einzutreiben. „Ich kenne es so, dass der Arzt dann Geld verlangt, wenn er ein Attest ausstellt.“Zudem bemängelte sie die Tatsache, dass eine Unterschrift unter dem Behandlungsvertrag die Voraussetzung für eine Therapie der Patienten gewesen sei. „Die Aufnahme in das Programm war abhängig davon, dass die Patienten den Vertrag unterzeichnet haben“, sagte Gramatte-Dresse. Im Zusammenhang mit dem Substitutionsprogramm sei das rechtlich Erpressung. Der Arzt widersprach: „Das Medizinische steht immer noch im Vordergrund, das Finanzielle ist völlig nebensächlich.“
Falsche Vorstellung der Patienten
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Arzt vor, seine Patienten getäuscht zu haben. „Die Patienten hielten die Begründung mit Behandlungs- und Verwaltungsaufwand für plausibel, sodass bei diesen die Fehlvorstellung entstand, dass die Zuzahlung berechtigterweise verlangt wurde.“ Als Zeuge sagte in der Gerichtsverhandlung dann auch einer der Patienten aus: „Das war halt die normale Gebühr, die man bezahlt“, erzählte der 29-Jährige. Er schätzte, dass er in zehn Jahren Behandlung etwa zehn Atteste gebraucht habe, gab jedoch zu, von verschiedenen weiteren Bescheinigungen gar nichts mitbekommen zu haben. In Bezug auf seine Therapie fügte er hinzu: „Wissen Sie, ich brauche das Zeug, ich hätte auch 50 Euro in der Woche bezahlt.“
Kein Urteil gefällt
„Ich würde den Behandlungsvertrag persönlich als nicht zulässig werten“, sagte eine Vertreterin der Kassenärztlichen Vereinigung im Zeugenstand. Es fehlten Angaben, wofür die Gebühr verlangt werde, erläuterte sie. Allerdings dürfe der Arzt selbst für Leistungen von den Patienten Geld verlangen, wenn die über die kassenärztliche Versorgung hinausgehen. Das sei bei den genannten Attesten und Bescheinigung der Fall. Eine Entscheidung fällte das Schöffengericht nicht: Nach einem Gespräch im Richterzimmer wurde die Verhandlung abgebrochen. Ob der Prozess fortgesetzt oder das Verfahren eingestellt wird, steht noch nicht fest.