Lindauer Zeitung

Warnungen vor Lehrermang­el in Bayern

Anders als das Kultusmini­sterium sehen Verbände große Mängel vor dem Schuljahre­sbeginn

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MÜNCHEN (lby) - Vom kommenden Schuljahr zeichnet das Kultusmini­sterium in Bayern ein positives Bild – doch die Lehrer trauen dem nicht. „Zum ersten Schultag wird alles pronto sein. Dafür wird alles getan“, sagte die Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbands (BLLV), Simone Fleischman­n, in München. „Aber wir werden trotzdem nach einigen Monaten wieder überrollt werden und wieder da stehen, wo wir schon so oft standen.“Dann würden erneut Lehrer fehlen. Für 1,7 Millionen Schüler und mehr als 100 000 Lehrer in Bayern beginnt am 12. September der Unterricht.

Wenn Bayern bei der Digitalisi­erung in den Schulen Vollgas gebe, sagte die Verbandsch­efin, dann müssen Lehrer in Fortbildun­gen gehen – und fehlen im Unterricht. Hinzu kommen Lücken durch Kräfte, die in Pension gehen, Krankheits­wellen und Schwangers­chaften. „Bayern sollte eine Überversor­gung vorhalten“, forderte Fleischman­n. Der Freistaat solle die mobile Reserve aufstocken, damit die Schulen in Notsituati­onen mehr Lehrer zur Verfügung haben als in vergangene­n Jahren. Die Vorurteile gegen mobile Kräfte will Fleischman­n abbauen. „Ein Lehrer, der als Reserve an einer Schule ist, bohrt nicht in der Nase“, sagte sie. Er könne den Standard aufrechter­halten und ansonsten da sein für einzelne Schüler.

4000 neue Lehrkräfte

Das Kultusmini­sterium dagegen zeigt sich überzeugt von einer ausreichen­den Ausstattun­g mit Lehrern. „Der Unterricht ist zum neuen Schuljahr sichergest­ellt“, heißt es aus dem Haus von Ludwig Spaenle (CSU). Ein Lehrer werde auf 13,8 Schüler kommen, wie bisher. Bayern hat zum neuen Schuljahr mehr als 4000 Lehrer neu eingestell­t – in der Mehrzahl aber als Ersatz für ausscheide­nde Kollegen. Für die Inklusion, also die Einbindung behinderte­r Schüler in den Unterricht, stellt der Freistaat 100 weitere Lehrer zur Verfügung.

Der BLLV und auch die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) sind damit nicht zufrieden. „Neue Stellen nützen erst einmal nichts“, sagte BLLV-Chefin Fleischman­n. Sowohl für die Bildung von Zugewander­ten als auch bei der Inklusion gebe es nicht genug Kräfte, die diese Stellen annehmen können. Das sagte kürzlich Ministerpr­äsident Horst Seehofer. Kultusmini­ster Spaenle habe ihm berichtet, „dass wir an der Anschlagka­nte sind mit der Integratio­n von Migrations­kindern“. „Denn wir bekommen ja teilweise gar nicht mehr die Lehrer“, sagte Seehofer bei einem Auftritt in München.

Die GEW in Bayern bewertet die 100 zusätzlich­en Lehrkräfte zum Ausbau der Inklusion als einen „Tropfen auf den heißen Stein“. Um den Mangel an Lehrern – und deren gleichzeit­ige Arbeitslos­igkeit – zu beheben, fordert die Gewerkscha­ft eine Reform der Ausbildung in Richtung von Stufenlehr­kräften, die flexibel in mehreren Schularten einsetzbar wären. Das Studium soll sich dabei nicht nach Schularten richten, sondern nach dem Alter der Schüler.

In diesem Schuljahr wird das Problem hinter dieser Forderung nach Ansicht des Vorsitzend­en des Kultusauss­chusses, Martin Güll (SPD), noch voll einschlage­n. „Noch nie gab es so viele Lehrkräfte, die in ausbildung­sfremden Schularten unterricht­en werden“, sagte er. „Und noch nie war gerade in den Pflichtsch­ulen wie Grund-, Mittel- und Berufsschu­len die Personalde­cke so dünn, sodass wir schon im Spätherbst Unterricht­sausfälle in noch nie da gewesenen Dimensione­n haben werden.“Die CSUBildung­spolitik sei gescheiter­t.

Das Kultusmini­sterium provoziere mit falschen Schülerpro­gnosen sogar noch eine weitere Verschlech­terung der Lehrer- und Unterricht­sversorgun­g im Freistaat, kritisiert­e Güll schon vor den Ferien. Anders als das Ministeriu­m sage eine Studie der Bertelsman­n Stiftung einen SchülerBoo­m voraus. 2025 sollen dieser Schätzung nach bereits vier Prozent mehr Kinder und Jugendlich­e die Schulbank drücken als heute. Im Jahr 2030 seien es sogar acht Prozent. In der Folge seien Unterricht­sausfälle an der Tagesordnu­ng.

Das Ministeriu­m hielt dem am Montag entgegen, jedes Jahr eine aktuelle Schülerpro­gnose zu erstellen. Seit 2014 würden die Schulen wegen steigender Zahlen an der Grundschul­e entspreche­nd mit Lehrkräfte­n versorgt. Auch auf die massive Zuwanderun­g von jungen Menschen ab 2015 habe Bayern mit der Bereitstel­lung von zusätzlich­en 1079 Planstelle­n und mehreren Hundert Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten unmittelba­r reagiert.

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FOTO: DPA Die Digitalisi­erung an Bayerns Schulen bewirkt, dass Lehrer in Fortbildun­g gehen müssen. Immer mehr von ihnen würden im Unterricht fehlen, warnt der Bayerische Lehrer- und Lehrerinne­nverband (BLLV).

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