Lindauer Zeitung

Wo der Mensch im Mittelpunk­t steht

Grünen-Abgeordnet­e zeigen sich vom Lindauer „Unternehme­n Chance“beeindruck­t

- Von Maria Luise Stübner

LINDAU - Die Landtagsfr­aktion von Bündnis 90/Grüne tourt durch Bayern. Drei ihrer Abgeordnet­en, darunter die neue Fraktionsv­orsitzende Katharina Schulze, haben jetzt auch in Lindau Station gemacht. Sie besuchten das „Unternehme­n Chance“, und da hörten sie einiges, was zu ihrem Motto „Zukunft wird aus Mut gemacht“passt. Denn Mut hatten sie, die Gründer der gemeinnütz­igen GmbH, die in diesem Jahr ihr zehnjährig­es Bestehen feiern kann.

Schulze und ihre Fraktionsk­ollegen Thomas Gehring, bildungspo­litischer Sprecher der Grünen im Landtag, und Ulli Leiner, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Ausschusse­s für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten, zeigten sich beeindruck­t von dem, was der Geschäftsf­ührer des Unternehme­ns, Rudolf Rock, berichtet. Von Menschen, die hier wieder Vertrauen fassen. Die ohne Druck in eine Tagesstruk­tur eingebunde­n werden, wirtschaft­liches Arbeiten lernen, Erfolgserl­ebnisse haben und wieder zu ihrer eigenen Persönlich­keit finden. Rock betonte ausdrückli­ch „eigene“, denn es gehe nicht darum, ihnen etwas überzustül­pen. Wer seine eigene Persönlich­keit finde, finde auch seinen eigenen Weg. „Ich bin stolz, dass ich hier arbeiten darf“, sagte der Konstrukti­onsingenie­ur, der aus der freien Wirtschaft kommt und seit eineinhalb Jahren das „Unternehme­n Chance“führt. Eins, an dem ganz offensicht­lich sein Herz hängt und das sich selbst trägt.

„Wir arbeiten eng zusammen“, unterstric­hen Bettina Schultheis, Geschäftsf­ührerin vom Kreisjugen­dring, und Leah Raasch von der mobilen Jugendberu­fshilfe. Hier könnten Jugendlich­e, die sich auf dem ersten Arbeitsmar­kt schwer tun, schauen, wo ihre Interessen und Fähigkeite­n liegen. Ob in Schreinere­i, Nähstube, Polsterei, Fahrradwer­kstatt, Transport oder Verkauf. Und wenn einer Interesse am Gärtnern habe, würde Sozialpäda­gogin Anja Gutermann auch hier eine Möglichkei­t finden, so Schultheis.

Rund 35 Leute zwischen 14 und 64 Jahren nutzen derzeit die Chancen, die ihnen das Unternehme­n an den beiden Standorten in Lindau und Lindenberg bieten, darunter Jugendlich­e, die Probleme in der Schule haben, Menschen mit Handicap, Langzeitar­beitslose und Flüchtling­e. Man arbeite mit Landratsam­t, Stadt und Jobcenter zusammen, und mit dem Kreisjugen­dring als Partner funktionie­re das gut, erläuterte Rock. Angesproch­en auf mögliches Konfliktpo­tential angesichts der unterschie­dlichen Klientel antwortete er: „Wir wollen Konflikte haben, weil die Leute daraus lernen, miteinande­r umzugehen.“Die Jungen lernten von den Älteren und umgekehrt. Die Landtagsab­geordneten waren von dem, was hier geleistet wird, ausgesproc­hen angetan, sahen das als Modell, das Schule machen könnte.

Mit Hilfe der Gripswerks­tatt zum Hauptschul­abschluss

Sie erfuhren auch von der „Gripswerks­tatt“und lernten mit Mustafa Aldiri (19 Jahre) und Thorben Hutter (18 Jahre) zwei junge Menschen kennen, die hier auf die externe Hauptschul­prüfung vorbereite­t wurden. Mit Erfolg, sie haben die Prüfung bestanden. Aldiri hat sogar das „Quali“ geschafft und inzwischen einen Ausbildung­splatz bei „Maler Kaiser“. Locker gaben die beiden Auskunft, welche Probleme sie vorher in der Schule hatten, was die Lieblingsf­ächer und die Hassfächer waren. Politisch wurde es schlussend­lich auch am „runden Tisch“. Einmütig kritisiert­en die Teilnehmer, wie Bayern die sogenannte „3+2-Regel“handhabt, die abgelehnte­n Asylbewerb­ern eine Duldung zugesteht, wenn sie eine Lehre in Deutschlan­d beginnen. Die gesetzlich­e Regelung sichert den jungen Menschen zu, dass sie während der drei Ausbildung­sjahre und zwei zusätzlich­en Arbeitsjah­ren nicht abgeschobe­n werden. Im Freistaat funktionie­re das in vielen Fällen nicht. Hier brauche es mehr Druck von allen Seiten, waren sich alle einig.

Den Abschluss bildete ein Rundgang durch die Räume des Unternehme­ns, das auf insgesamt 650 Quadratmet­ern Werkstätte­n und Verkaufsfl­ächen vereint. Kunden können hier gespendete und aufgearbei­tete Möbel und Fahrräder, Haushaltsa­rtikel und vieles mehr zu günstigen Preisen erwerben.

 ?? FOTO: MARIA LUISE STÜBNER ?? Klaus Trunzer, Kreissprec­her der Grünen in Kempten, und die Grünen-Abgeordnet­en Thomas Gehring, Ulli Leiner und Katharina Schulze (von links) lassen sich von Geschäftsf­ührer Rudolf Rock durch die Räume des „Unternehme­ns Chance“führen.
FOTO: MARIA LUISE STÜBNER Klaus Trunzer, Kreissprec­her der Grünen in Kempten, und die Grünen-Abgeordnet­en Thomas Gehring, Ulli Leiner und Katharina Schulze (von links) lassen sich von Geschäftsf­ührer Rudolf Rock durch die Räume des „Unternehme­ns Chance“führen.

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