Jetzt geht es nur noch ums Ankommen
LZ-Redakteurin Julia Baumann startet beim Drei-Länder-Marathon – viel trainiert hat sie noch nicht
LINDAU - „Wo warst Du denn die letzten 20 Mal?“, fragt mich Lauftrainer Rüdiger Martin als ich am Donnerstag mal wieder im Training vorbei schaue. Tatsächlich habe ich mich in den vergangenen Wochen beim Trainer und meinen LäuferKollegen etwas rar gemacht. Immerhin: Zimperlichkeit kann mir keiner vorwerfen. Denn als ich dann doch mal wieder im Training auftauche, gießt es wie aus Eimern.
Das macht uns aber nichts aus, wir laufen trotzdem. Vom Stadion geht es zum Kleinen See. Als wir am Bahndamm ankommen, eröffnet uns Rüdiger, um was es heute geht. Wir trainieren Geschwindigkeit. Dafür sollen wir neben dem Bahndamm auf und ab sprinten. Das macht mir ehrlich gesagt ein wenig Angst. Denn davon, Geschwindigkeit aufzubauen, bin ich weit entfernt. „Wie oft trainierst Du denn so?“, fragt mich Rüdiger. Ich antworte ihm, dass „trainieren“ein großes Wort ist und erkläre, dass ich es etwa einmal pro Woche schaffe, laufen zu gehen. „Am Montag war ich eine Stunde, das lief ganz gut“, erzähle ich und ernte einen verständnislosen Blick.
Viel zu wenig Zeit zum Trainieren
Nun ist es ja nicht so, dass ich nicht will. Aber ich bin eben kein Frühaufsteher und nach der Arbeit meist platt. Und dann habe ich auch noch eine Riesen-Familie und jede Menge Freunde, die mich am Wochenende für sich beanspruchen. Allerdings sind es jetzt noch fünf Wochen bis zum Halbmarathon und ich werde langsam nervös.
„Das brauchst Du nicht zu sein“, beruhigt mich Lauftrainer Günter Ernst, mit dem ich am nächsten Tag telefoniere. „Ins Ziel kommst Du schon. Die Frage ist nur ob Du es auch in einer bestimmten Zeit schaffen willst.“Denn normalerweise setzt man sich eine bestimmte Zielzeit, wenn man auf einen Marathon oder einen Halbmarathon trainiert. Laut meines Laktattests würde ich die 21 Kilometer in meinem jetzigen Zustand in etwa zwei Stunden 15 Minuten schaffen. „Eine mögliche Zielzeit wäre eine Stunde 50“, erklärt Günter. Ob ich das in den kommenden fünf Wochen überhaupt noch hinbekommen kann, ist fraglich. Aber ich habe mir fest vorgenommen, es zu versuchen.
Mit den Mädels kann ich ganz gut mithalten
Denn ich merke auch: So unfit, wie ich immer denke, bin ich überhaupt nicht. „Es ist ja schön, dass Du wieder da bist. Aber es ist auch fies, dass Du nie trainierst und trotzdem so gut bist“, sagt Viola Spree, die ebenfalls auf einen Halbmarathon trainiert, als wir mit dem Geschwindigkeitstraining fertig sind. Tatsächlich kann ich zumindest mit den Mädels in der Laufgruppe ganz gut mithalten.
Allerdings bringt schnelles Rennen nichts, wenn ich nach fünf Kilometern aus den Latschen kippe. Und mehr als zehn Kilometer bin ich einfach noch nie in meinem Leben gelaufen. Also nehme ich mir vor, mich bis zum 8. Oktober strikt an den von Günter ausgearbeiteten Trainingsplan zu halten. Der sieht einen ausgewogenen Mix aus Belastung und Erholung vor. „Die langen und die schnellen Einheiten sind dabei die Schlüsseleinheiten“, erklärt Günter.
Neben drei langsameren Einheiten pro Woche, bei denen ich zwischen 40 und 70 Minuten laufen soll, enthält der Plan noch das Laufseminar, bei dem Geschwindigkeit trainiert wird, und einen echten Hammer: einen 120-Minuten-Lauf am Wochenende. So lange bin ich in meinem Leben überhaupt noch nie gelaufen. Doch weil ich diese Zeit einfach mindestens für einen Halbmarathon brauche, probiere ich es am Wochenende einfach aus. Und versage. Nach 90 Minuten habe ich Angst, dass ich einfach umfalle. Ich bekomme Hunger und Durst, meine Knie schmerzen.
Immerhin schaffe ich in den 90 Minuten fast 15 Kilometer – und gewinne ein, nein, sogar zwei Erkenntnisse. Erstens: Pfeif’ auf eine Zielzeit, ich muss am 8. Oktober einfach nur irgendwie ankommen. Und zweitens: Ich trainiere ab jetzt strikt nach Plan. Ganz sicher!
„Wo warst Du denn die letzten 20 Mal?“, fragt Lauftrainer Rüdiger Martins mich zur Begrüßung.